Sebastian Bezzel by Viktro Strasse
Sebastian Bezzel bei den Synchronsprecher-Aufnahmen von "Die Gangster Gang" (© Viktor Strasse/Universal Pictures)

Sebastian Bezzel [Interview 2022]

Ein Wolf ist ein ganz böses Tier. Oder vielleicht doch nicht? In Die Gangster Gang folgen wir diesem, einem Hai, einer Spinne, einer Schlange und einem Piranha, die zusammen eine gefürchtete Räuberbande bilden. Als sie eines Tages bei einem besonders spektakulären Coup gefasst werden, handeln sie einen Deal aus: In Zukunft werden sie nicht mehr böse sein, dafür bekommen sie Straferlass. Einfach ist das jedoch nicht. Zum einen haben die fünf nie was anderes gelernt, als böse zu sein. Außerdem müssen sie gegen die Vorurteile der anderen ankämpfen. Zum Kinostart am 17. März 2022 unterhalten wir uns mit Sebastian Bezzel, der in der deutschen Fassung den Wolf spricht, über das Konzept des Bösen, Herausforderungen beim Synchronsprechen und welche Tiere er selbst fürchtet.

 

Was hat Sie an Die Gangster Gang gereizt, dass Sie bei dem Film dabei sein wollten?

Fast alles. Ich mag diese computeranimierten Filme sehr gerne. Es ist auch eine Ehre, wenn man überhaupt für so etwas angefragt wird. Dann war das auch eine sprachliche Herausforderung, weil ich so etwas noch nie gemacht habe. Ich habe früher immer gedacht, dass du bei einem solchen Film deine Rolle sprichst. Bei den Amerikanern sagt man aber, man spielt die Rolle. Eddie Murphy spielte also den Esel in Shrek – Der tollkühne Held. Und ich habe gemerkt: Das stimmt! Die äußerliche Form ist dabei egal, was ganz angenehm ist. Du hast keinen Maskenbildner und kannst ganz bequem im Trainingsanzug ins Studio gehen. Das einzige, was sitzen muss, ist die Stimme. Aber die dafür richtig, du musst da richtig arbeiten. Du gehst auch körperlich mit und stehst nicht einfach regungslos am Mikrofon. Auf jeden Fall hat es wahnsinnig viel Spaß gemacht.

Und ist das einfacher oder schwerer als das Schauspielern vor einer Kamera?

Weder noch. Es hat beides etwas für sich. Es macht auch wahnsinnig viel Spaß, wenn ich in eine Kostümprobe gehe und ich mich verwandle und kriege eine andere Frisur. Beim „Boandlkramer“ zum Beispiel der schöne Anzug und der Schnauzer, das ist dann schon die halbe Miete. Aber es ist eben eine andere Aufgabe, die man so nicht ganz vergleichen kann.

Und wie war das dann in der Vorbereitung auf die Rolle? Wie bereitet man sich darauf vor, einen sprechenden, diebischen Wolf zu spielen?

Ich habe alle angerufen, die das schon einmal gemacht haben. Ich habe natürlich ein paar Ausschnitte gesehen und den Trailer auf YouTube. Mir wurde auch schriftliches Material zugeschickt mit einer Synopsis, wer die Figur ist und wer sie im Original spricht. Da habe ich mich vorher erst einmal eingelesen.  Dann durfte ich den kompletten Film auf Englisch sehen, um ein Gespür für alles zu bekommen und die Geschichte zu kennen. Als ich ins Studio bin, habe ich mich mit dem Regisseur ein bisschen unterhalten. Und danach ging es auch schon los. Am Ende waren es ein paar hundert Takes, die ich zu sprechen hatte. So einen Film kannst du nicht als Ganzes betrachten, sondern musst das Stück für Stück angehen. Das haben wir auch gemacht, und immer kleinere Sequenzen besprochen, die ein paar Minuten dauern. Am Anfang war das noch alles ziemlich technisch, weil du schauen musst, dass du den Balken genau triffst und auf die Zehntelsekunde genau arbeiten musst. Das geht aber relativ schnell in einen rüber und du kannst dich dann ganz auf das Sprechen konzentrieren. Du bist dann total in einem Tunnel drin und nimmst sonst nichts mehr wahr. Ich war am Abend immer furchtbar müde, weil das eine richtige Konzentrationsarbeit war. Insgesamt haben die Aufnahmen fünf Tage gedauert.

Haben Sie sich beim Sprechen dann an dem englischen Original orientiert? Oder haben Sie etwas Eigenes machen können?

Etwas komplett Eigenes kannst du gar nicht machen, weil ja auch das Timing vorgegeben ist. Das denkt man vielleicht nicht bei einem Animationsfilm, aber auch da muss das alles lippensynchron sein, weil das so genau gezeichnet ist. Oder du hast die Vorgabe, dass du mitten im Satz ein Wort leicht verlachen musst, damit das zur Zeichnung passt, obwohl du das in dem Moment vielleicht gar nicht so machen würdest als Schauspieler. Du musst dich also zwangsläufig an dem orientieren, was da ist. Wenn du aber erst einmal drin bist, dann kannst du schon deine eigene Note reinbringen und trotzdem nah am Original bleiben.

Es gab bei dem Film auch eine geschriebene Vorlage, die Buchreihe von Aaron Blabey. Kannten Sie die?

Nein, kannte ich nicht. Aber ich habe mich inzwischen über die erkundigt und freue mich, dass ich sie meinen Kindern mitbringen kann. Weil die scheinen sehr witzig zu sein. Die Cover allein sind schon super.

Die Gangster Gang The Bad Guys
Fünf gefürchtete Schurken bei ihrem nächsten Coup: „Die Gangster Gang“ im Einsatz (© 2022 DreamWorks Animation LLC.)

Dann kommen wir auf den Inhalt. Im Mittelpunkt von Die Gangster Gang stehen fünf Tiere, vor denen sich alle fürchten. Wie ist das bei Ihnen? Würden Sie sich vor diesen Tieren fürchten, wenn es echte Tiere wäre?

Wenn mir ein Wolf im Wald begegnen würde, würde ich mich nicht fürchten, weil ich mittlerweile weiß, dass Wölfe unglaublich scheu sind und abhauen. Eine Tarantel hatte ich vor vielen Jahren schon einmal beim Dreh vom „Tatort“ auf der Hand. Da dachte ich vorher, es wird ganz schlimm. Das war es aber überhaupt nicht. Je näher ich der Spinne kam, umso interessanter wurde es. Da hätte ich also auch keine Angst. Würde hingegen ein Hai neben mir auftauchen, während ich im Meer schwimme, müsste der mich gar nicht mehr angreifen, weil ich vorher einen Herzinfarkt hätte. Und bei Schlangen habe ich sowieso eine Phobie, da hätte ich also richtig Schiss. Bleibt noch der Piranha. Da weiß ich es nicht, weil ich keinerlei Erfahrungen habe. Aber ich würde ohnehin niemals im Amazonas in einem sumpfigen Gewässer schwimmen. Wenn es so weit ist und ich einem begegnet sein sollte, gebe ich Bescheid.

Die Tiere stehen auch für bestimmte Eigenschaften. Wenn Sie ein Tier wären, welches würde am besten zu Ihnen passen?

Der Wolf ist schon mal gar nicht so falsch. Aber ich glaube, bei mir wäre es eher ein Hund, also die domestizierte Form des Wolfes. Ich bin dann doch eher der Angepasste und nicht der komplette Freigeist. Wenn ich in dieser Gangster Gang wäre, würde mir der Wolf auch gut gefallen, weil er mit einer solchen Eleganz arbeitet und auf jede Form von Brutalität verzichtet. Er arbeitet mit seinem Gehirn, entwirft die Pläne. Wenn es eng wird, versucht er, sich mit Charme herauszulavieren. Das würde mir am meisten Spaß machen. Was ich aber auch sehr lustig finde, ist der Hai mit seiner Verkleidungskunst. Da kommt dann vielleicht mein Beruf durch. Was ich noch total bewundere, sind die technischen Fähigkeiten von der Schlange und der Tarantel, weil ich darin so schlecht bin. So einen Safe zu knacken, nur mit dem eigenen Gehör, das finde ich großartig. So jemanden wie den Piranha zu haben, ist natürlich auch wichtig. Du brauchst immer einen Mann fürs Grobe. Aber darin sehe ich mich auch nicht.

Wenn Sie bei einem solchen Raub mitmachen würden, dann also als Planer?

Als Planer und alles, was man irgendwie im Hintergrund machen kann. Zum Beispiel irgendwelche Leute belabern, damit die gerade nicht aufpassen. Oder Schmiere stehen. Also den charmanten feigen Part. Die Sachen, wo es eng und gefährlich wird, dürfen dann die anderen machen.

Im Original heißt der Film The Bad Guys. Und es geht auch darum, dass die Tiere von anderen für böse gehalten werden. Was heißt eigentlich „böse“? Was macht jemanden böse?

Das ist eine sehr gute und gerade leider auch eine sehr aktuelle Frage. Das Böse liegt natürlich auch immer im Auge des Betrachters. Wenn Leute sich selbst als Freiheitskämpfer ansehen, von anderen aber als Terroristen betrachtet werden, dann ist böse eine Frage der Perspektive. Es gab in der Geschichte der Menschheit viele, die als böse bezeichnet wurden, aber nicht böse waren, sondern einfach für etwas gekämpft haben. Natürlich gibt es aber auch Leute, die sind einfach böse, weil sie völlig empathielos nur für den eigenen Vorteil denken. Ich finde das ganz toll bei unserem Film, dass er bei aller Unterhaltung eine Aussage hat. Der Wolf sagt, dass er nie eine Chance hatte, etwas anderes zu machen, weil er ohnehin immer für böse gehalten wurde. Ihnen wurde dieses Blatt gegeben, also spielen sie es auch. Im Laufe des Films sehen wir aber, dass diese fünf Tiere, die so geächtet wurden und gefürchtet wurden, dass die im Kern eigentlich nicht böse sind. Die sind zu dem gemacht worden, was sie sind. Beim Wolf denke ich, dass er nur deshalb diesen bösen Ruf hat, weil er sich nicht wie der Hund hat domestizieren lassen.

Nun gibt es aber auch Menschen, die tatsächlich böse sind, wie Sie gesagt haben. Wie kommt das? Sind die von Natur aus böse oder gab es auch da äußere Einflüsse?

Ich denke, dass es eine vorgegebene Veranlagung zur Empathielosigkeit gibt, die aber alleine nicht reicht. Wenn jemand beispielsweise mit dieser Veränderung im Gehirn geboren wird, wie man sie bei manchen Serienkillern findet, die wirklich überhaupt keine Empathie haben, dann bedeutet das nicht automatisch, dass diese Person auch böse wird. Da spielt dann auch rein, wie jemand aufgewachsen ist und wie sein Umfeld war. Ganz grundsätzlich würde ich sagen, gibt es in der Natur nichts Böses. Böse ist eine Erfindung der Moral und der Kultur, weil der Mensch durch seine Zivilisation und sein Selbstbewusstsein irgendwo hin kommt, wo er sagt: Alles, was uns als Gesellschaft oder einem Individuum schadet, ist böse. Wenn ein Hai ein anderes Tier frisst, ist er aber nicht böse. Er tut etwas für das Ökosystem Meer. Das Konzept des Bösen ist also eine menschliche Erfindung.

Die Geschichte des Films erzählt, wie der Wolf nicht mehr böse sein will und sich ändern will. Kann man sich überhaupt wirklich ändern?

Vielleicht kann man sich nicht von Grund auf ändern. Man kann aber anderes in den Vordergrund schieben. Man kann sein Verhalten ändern, das schon, indem man eine relativ schonungslose Selbstanalyse betreibt und dann basierend auf den Charaktereigenschaften, die man hat, eine andere Gewichtung vorzunehmen. Du wirst aber vermutlich nur sehr schwer diese Grundstruktur ändern können. Wenn beispielsweise jemand früh als Kind schwer traumatisiert wurde, wirst du das nur schwer wieder aus ihm herausbekommen. Umso wichtiger ist es aber, dieses Trauma und diese Verletzung zu finden. Denn nur so kannst du lernen damit zu leben. Ein anderes Beispiel sind die drei Filme von Ich – Einfach unverbesserlich, die ich sehr gerne mag. Eigentlich wäre Gru gern weiterhin der richtig knackige Böse. Er kann das aber nicht mehr. Also muss er schauen, was er an dem Dasein als Bösewicht mochte und wie er das behalten kann. Oder nehmen wir Catch Me If You Can über diesen Superbetrüger, den Leonardo DiCpario da spielt. Der hat später die Seiten gewechselt und wurde der Chefermittler bei Betrugsgeschichten. Er hat diese Kraft und dieses Talent, das er hat, danach für etwas Gutes eingesetzt.

Sie meinten vorhin, dass Sie gern Animationsfilme sehen. Welche wären das, zusätzlich zu Ich – Einfach unverbesserlich?

Shrek habe ich wahnsinnig gern gemocht. Das war meine Initiierung in diese Welt. Ich mochte vom Plot her auch unheimlich gern Die Unglaublichen. Eine Superheldenfamilie, die nicht mehr als solche arbeiten darf, weil sie sonst verklagt werden, das ist einfach ein superwitziger Einfall. Und total amerikanisch. Vor Kurzem habe ich außerdem Der Fantastische Mr. Fox von Wes Anderson gesehen. Das ist ein Puppenfilm mit nur ganz wenig Computer und ein absolutes Kunstwerk. Es war unglaublich zu sehen, was in diesem Genre noch möglich ist, auch an Ernsthaftigkeit.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person
Sebastian Bezzel wurde am 18. Mai 1971 in Garmisch-Partenkirchen geboren. Er absolvierte seine Schauspielausbildung an der Bayerischen Theaterakademie August Everding in München. Einem größeren Publikum wurde er als Kommissar Kai Perlmann im Konstanzer Tatort bekannt, den er von 2004 bis 2016 insgesamt 27 Mal verkörperte. Sehr erfolgreich ist außerdem die mit Dampfnudelblues (2013)  gestartete Krimikomödienreihe nach den Büchern von Rita Falk, in der er den Provinzpolizisten Franz Eberhofer spielt. 2022 kommt der achte Film Guglhupfgeschwader ins Kino. Sebastian Bezzel ist mit der Schauspielerin Johanna Christine Gehlen verheiratet und hat zwei Kinder.



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