Maelström Denis Villeneuve

Maelström

Inhalt / Kritik

Maelström Denis Villeneuve
„Maelström“ // Deutschland-Start: 5. Februar 2003 (WDR)

Für die 25-jährige Bibiane Champagne (Marie-Josée Croze) läuft es gerade nicht so toll. Bei ihrer Arbeit – sie leitet drei Boutiquen – gibt es Stress, weil einige Geschäfte nicht so laufen wie gedacht. Sie hat mit ihrer Abtreibung zu kämpfen, ebenso damit, eine derart berühmte Mutter zu haben, nach der sie ständig gefragt wird. Da hat es ihr gerade noch gefehlt, dass sie eines Abends auf dem Nachhauseweg einen Mann umfährt. Der kann sich mit Mühe noch in seine Wohnung schleppen, wo er letztendlich aber seinen Verletzungen erliegt. Seither ist Bibiane nicht mehr ganz bei sich, von Schuldgefühlen trieben, ist unschlüssig, wie sie sich verhalten soll. Und als wäre das alles nicht schon kompliziert genug, lernt sie auch noch Evian (Jean-Nicolas Verreault) kennen, den Sohn des Verstorbenen, und beginnt, Gefühle für diesen zu entwickeln …

Die eigenwilligen Anfänge eines Visionärs

Zuletzt hatte sich Denis Villeneuve vor allem mit seinen großen Science-Fiction-Filmen bei den Fans einen Namen gemacht. Zwar waren weder Blade Runner 2049 noch Dune die überragenden Kassenerfolge, die das Studio gern gehabt hätte. Doch die bildgewaltigen Zukunftsvisionen haben ihn zumindest in dem Segment als einen der AAA Mainstream-Kritikerlieblinge etabliert. Bei all dem Bombast um ferne Zeitalter oder fremde Welten vergisst man zuweilen, dass der Kanadier zu Beginn seiner Karriere ganz andere Werke gedreht hat. Werke, die sehr viel persönlicher waren, intimer, sehr nahe an den Figuren – und zugleich in ganz anderen Sphären unterwegs, wenn sich der Regisseur eigenwilligen Träumereien hingab.

In seinem Debüt Der 32. August auf Erden (1998) erzählte er von einer Frau, die einen Autounfall überlebt und es sich anschließend in den Kopf setzt schwanger zu werden – der Anfang einer surrealen Reise. Zwei Jahre später variierte Villeneuve diese Themen in seinem zweiten Langfilm Maelström. Wo das Debüt mit dem Wunsch endet, ein Baby zu bekommen, da beginnt die Geschichte hier mit der Abtreibung. Umgekehrt ist der Autounfall, der beim obigen Drama die Initialzündung einer Sinnsuche war, hier erst später an der Reihe und führt zunächst zu suizidalen Gedanken. Die Faszination für solche Unfälle und welche Auswirkungen diese auf die Menschen haben können ist aber ganz offensichtlich geblieben. In beiden Filmen wird dies zu einem Wendepunkt der jeweiligen jungen Frauen.

Der Kreislauf eines erzählenden Fisches

Ein neues Element ist dafür ein ebenso gesprächiger wie renitenter Karpfen, den Villeneuve zum Erzähler erkoren hat. Mit der Geschichte hat er nur indirekt etwas zu tun – das Unfallopfer war ein Fischer, was ihn für den Erzähler zu einem Mörder macht. Kommentieren darf er trotzdem alles. Dabei stirbt auch der namenlose Fisch zwischendurch, was ihn aber nicht davon abhält, die Geschichte zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen. Überhaupt ist das alles in Maelström nicht voneinander zu trennen: Leben und Tod sind ebenso untrennbar miteinander verbunden wie das Erzählen von Geschichten. Alles ist Teil eines Kreislaufes, der dazu bestimmt ist, sich wieder und wieder zu wiederholen. Dabei bleibt jedoch offen, ob das nun gut oder schlecht ist. Ob diese Wiedergeburt etwas Tröstliches ist oder doch Ausdruck eines Fluches.

Überhaupt hält sich Villeneuve gern im Vagen auf, lässt Grenzen verschwinden, vermischt das Tragische und Abgründige mit dem Komischen. Das hat ihm schon auch den Vorwurf eingebracht, dass er mit Maelström letztendlich gar nichts zu sagen hat, sich zu sehr mit seinen Spielereien beschäftigt als einem tatsächlichen Inhalt. Das darf man natürlich so sehen, zumal ein Punkt tatsächlich auffällt: Der Film ist ziemlich emotionslos. Dafür dass hier eine Reihe großer Gefühle zusammenkommen, von Trauer über Ängste bis zu Liebe, ist erstaunlich wenig zu spüren. Bibiane ist zwar sichtlich erschüttert von den Ereignissen in ihrem Leben. Doch wo in anderen Film dies genutzt wird, um das Publikum selbst zu lenken, bleibt die Protagonistin hier eine Fremde. Aber es ist ein faszinierendes Spiel aus Annäherung und Entfremdung, das zudem schön bebildert ist und immer wieder mit komisch grotesken Einfällen auffällt. Das gefällt natürlich nicht allen. Sehenswert ist es aber allemal, und sei es nur um zu sehen, mit welchen Bildern der heutige Visionär einst angefangen hat.

Credits

OT: „Maelström“
Land: Kanada
Jahr: 2020
Regie: Denis Villeneuve
Drehbuch: Denis Villeneuve
Musik: Pierre Desrochers
Kamera: André Turpin
Besetzung: Marie-Josée Croze, Jean-Nicolas Verreault

Trailer

Filmfeste

Toronto International Film Festival 2000
Sundance Film Festival 2001
Berlinale 2001

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In seinem zweiten Film „Maelström“ erzählt Denis Villeneuve abermals von Autounfällen und dem Kinderkriegen, lässt dabei das Reale und das Surreale miteinander verschmelzen. Tatsächliche Aussagen sind hier, trotz eines geschwätzigen Karpfens, nicht zu finden. Dafür aber schöne Bilder und eine Reihe sonderbarer Einfälle, welche den befremdlich emotionslosen Film sehenswert machen.
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