Der 32 August auf Erden Un 32 août sur terre Denis Villeneuve

Der 32. August auf Erden

Kritik

Der 32 August auf Erden Un 32 août sur terre Denis Villeneuve
„Der 32. August auf Erden“ // Deutschland-Start: 18. Februar 1999 (Kino)

Als Simone (Pascale Bussières) in einen schweren Autounfall verwickelt wird und gerade so mit dem Leben davon kommt, weiß sie genau: Etwas muss sich ändern, dringend. So kündigt sie kurze Zeit später bei ihrer Arbeit, will ihr Model-Dasein hinter sich lassen. Gleichzeitig verspürt sie den großen Drang, ein Kind zu bekommen, am besten gleich. Da sie kein wirklich glückliches Händchen mit Männern hat und momentan auch mal wieder Single ist, hat sie bereits eine Alternative auserkoren: Philippe (Alexis Martin). Mit ihm ist sie schon seit Jahren befreundet. Dass ihre Beziehung bislang nur platonisch war, stört sie nicht weiter, ebenso wenig, dass er eine Freundin hat. Zuerst verdutzt über diesen Einfall, stimmt der designierte Vater schließlich doch noch zu, mit Simone ein Kind zu zeugen. Allerdings hat er dafür eine Bedingung: Es soll in einer Wüste geschehen …

Vergessene Anfänge

In den letzten Jahren hat sich Denis Villeneuve mit Thrillern (Prisoners, Sicario), später mit Science-Fiction-Titeln (Arrival, Blade Runner 2049) einen Namen gemacht. Obwohl diese Filme kommerziell gar nicht so wahnsinnig erfolgreich waren, gilt der Kanadier als einer der wichtigsten Regisseure unserer Zeit. Dabei gerät ein wenig in Vergessenheit, dass der Filmemacher seine Karriere mit mehreren ebenfalls sehr interessanten Dramen startete. Die drehte er seinerzeit noch in seiner Heimat mit einem weitgehend unbekannten Ensemble. Zudem waren sie im kanadischen Französisch aufgenommen, was sie zwangsläufig weniger massentauglich machen. Hollywood war damals noch weit entfernt.

Doch auch wenn das für eine größere Masse vielleicht weniger zugänglich ist, die Werke sind allesamt einen Blick wert – umso mehr, da Villeneuve damals noch selbst Drehbücher schrieb, anstatt die der anderen zu verfilmen. Sein Debütfilm Der 32. August auf Erden zeigte bereits 1998, dass da ein ganz eigener Geschichtenerzähler sich zu Wort meldet. Eigen auch deshalb, weil man hier nicht ganz genau festzurren kann, worum es in der Geschichte genau geht. Das eigentliche Szenario ist dabei noch gut nachvollziehbar: Wer einmal fast gestorben wäre, der neigt schon mal dazu, alles Bisherige in Frage zu stellen und etwas Neues zu versuchen. Der Wunsch nach einem Kind ist ebenfalls in dem Kontext noch plausibel: Leben schaffen, durch Nachwuchs unsterblich werden als Reaktion auf eine Nahtoterfahrung. Warum nicht?

Alles ein bisschen anders

Dass Der 32. August auf Erden letztendlich aber doch nicht so ganz nah am Leben dran ist, wird bereits im Titel verraten. Nach diesem einschneidenden Erlebnis, welches der Beginn von etwas Neuem sein sollte, weigert sich der Kalender beharrlich, den neuen Monat einzuleiten. Wo normalerweise der August nach 31 Tagen zu Ende ist, da wird er hier einfach fortgesetzt, was mithilfe eingeblendeter Texte auch allen deutlich gemacht wird. Das ist natürlich nur ein kleines Detail, veranschaulicht aber schön, wie eigenwillig dieser Film ist. Ob es nun Simones Idee ist, ihren besten Freund zu einem Kind zu nötigen, dessen Einfall mit der Wüste oder die Ereignisse, die sich dann tatsächlich in der Wüste zutragen – das ist schon alles irgendwie komisch. Und das in mehrfacher Hinsicht.

Der 32. August auf Erden, das auf der Nebensektion „Un Certain Regard“ in Cannes seinerzeit Premiere feierte, lässt dabei offen, ob es sich überhaupt in der Realität aufhält oder nicht. Gerade die Aufnahmen in der Salzwüste haben eine sehr surreale Note, was gleichermaßen am Inhalt wie an den Bildern liegt. Wobei der Film auch in den anderen Szenen durchaus etwas fürs Auge bietet. Ob nun die sprunghafte Darstellung des Unfalls oder der kurze Zwischenbesuch bei der Freundin: Villeneuve und sein Kameramann André Turpin, der später mehrere Male mit Xavier Dolan zusammengearbeitet hat, haben hier schon einen sehr sehenswerten Film zusammengetragen.

Eine Überlegung wert

Ob einem dieser gefällt, hängt dabei einerseits davon ab, wie sehr man von solchen Bildern zehren kann. Aber auch die eigene Interpretierfreudigkeit ist eine wichtige Voraussetzung dafür, ob man mit Der 32. August auf Erden etwas anfangen kann. Gerade die zweite Hälfte, wenn der Film zunehmend seltsamer und zielloser ist, lädt dazu ein, über das Gezeigte nachzugrübeln und eigene Schlüsse zu ziehen. Anknüpfungspunkte gibt es da einige, von reinen beziehungstechnischen Themen über das Feld der subjektiven Wahrnehmung bis zu existenziellen Überlegungen zu Leben und Tod: Möglich ist bei dem Film vieles. So viel, dass es trotz der unstrittigen Qualität der späteren Filme etwas schade ist, dass Villeneuve sich mit den Jahren in eine massentauglichere Richtung weiterentwickelt und keine eigenen Geschichten mehr hat.

Credits

OT: „Un 32 août sur terre“
Land: Kanada
Jahr: 1998
Regie: Denis Villeneuve
Drehbuch: Denis Villeneuve
Musik: Nathalie Boileau, Robert Charlebois, Pierre Desrochers, Jean Leloup
Kamera: André Turpin
Besetzung: Pascale Bussières, Alexis Martin

Bilder

Trailer

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Eine Frau stirbt fast bei einem Unfall und überredet danach einen Freund, sie zu schwängern. Dennis Villeneuves Debüt „Der 32. August auf Erden“ beginnt als existenzielles Drama und verwandelt sich später in eine in mehrfacher Hinsicht komische Richtung weiter. Der zuweilen traumartige Film lädt dabei zum Interpretieren ein. Zudem verwöhnen die ungewöhnlichen Bilder das Auge.
7
von 10