Drive My Car
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Drive My Car

Inhalt / Kritik

Drive My Car
„Drive My Car“ // Deutschland-Start: 23. Dezember 2021 (Kino) // 24. Juni 2022 (DVD/Blu-ray)

Film und Theater sind die Themen, die Regisseur und Schauspieler Yusuke Kafuku (Hidetoshi Nishijima) mit seiner Frau Oto (Reika Kirishima), einer Drehbuchautorin fürs japanische Fernsehen, verbinden. So ist es für Yusuke ein fester Bestandteil seines Alltags geworden, dass er während der langen Autofahrten die von seiner Frau eingesprochenen Aufnahmen hört, die ihm beim Lernen seiner Texte helfen sollen. Eines Tages jedoch stirbt seine Frau überraschend, nur wenige Tage nachdem er herausgefunden hatte, dass sie einen Liebhaber hat. Ihre letzte Aufnahme hält Yusuke in Ehren, hört sie immer wieder und zieht sich von seinen sonstigen Verpflichtungen zurück. Als er fünf Jahre nach dem Tod Otos angefragt wird, ob er für ein Theaterfestival in Hiroshima Tschechows Stück inszenieren wolle, sagt er sofort zu. Dort angekommen stellen ihm die Verantwortlichen des Festivals trotz seines Protestes eine Fahrerin, die verschlossene Misaki (Toko Miura), welche ihn von nun an begleitet.

So beginnt dann auch schon bald die Vorbereitung auf die Inszenierung, mit Vorgesprächen und ersten Castings, wobei Yuksuke Koji Takatsuki (Masaki Okada) wieder begegnet, jenem Schauspieler, mit dem Oto einst eine Affäre hatte. Da sich niemand für die Rolle des Wanja gemeldet hat, besetzt Yusuke, zur Überraschung aller, den jungen Mann, sodass die Proben bereits am nächsten Tag beginnen können. Doch die Stimmung ist angespannt

Die Suche nach dem emotionalen Kern

Literaturverfilmungen gibt es bekanntlich wie Sand am Meer und auch das Werk des bekannten Autors Haruki Murakami bot bereits mehrfach den Stoff für Filme wie etwa Lee Chang-dongs Burning oder Tran Anh Hungs Naokos Lächeln. Jedoch ist der Transfer des Wortes auf die Leinwand ein Prozess, der viele Fallgruben beinhaltet und oft in einer seelenlosen Adaption mündet, wie Regisseur Ryusuke Hamaguchi in Interviews zu seinem Film Drive My Car berichtet. Für seine Adaption von Murakamis Kurzgeschichte war es ihm wichtig den emotionalen Kern zu finden, jenes Gefühl, was er bei der Lektüre der Geschichte hatte und von dieser Basis aus mit seiner Arbeit zu beginnen.

Die Schwierigkeit bei der Adaption einer Geschichte des weltweit bekannten Autors liegt in seiner Ästhetik der Beobachtung und der Langsamkeit. Wenig passiert wirklich in den Romanen und Kurzgeschichten des Schriftstellers, liegt der Kern doch in der Beobachtung oder in jenen Momenten des Stillstandes, was seine Arbeit mit dem Werk Hamaguchis verbindet. So ist es beispielsweise in seinem Film Passion (2008) ein vergleichsweise banaler Moment, der ein Umdenken bei einer Vielzahl von Figuren auslöst sowie einen existenziellen Konflikt. Im Falle des von Hidetoshi Nishijima (Creepy) gespielten Yusuke ist ein Stillstand, der bereits seit einiger Zeit andauert und der mit dem Verlust seiner Frau begann. Die Kamera scheint diesen Zustand zu imitieren und auch die vielen Momente der Bewegung, die langen Autofahrten des Protagonisten, auf denen er den eingesprochenen Texten seiner Frau lauscht, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass er noch lange nicht über die Bedeutung dieses Verlustes hinweggekommen ist. Die für Hamaguchi übliche langsame Erzählweise wie auch der Fokus auf scheinbar simple Details, welche sich im Nachhinein als bedeutsam herausstellen, zeichnen Drive My Car aus, einen Film, der sich Zeit nimmt, den emotionalen Zustand seiner Figuren zu ergründen oder zumindest zu erahnen.

Die Rollen, die wir spielen

Neben Aspekten wie Trauer und Verlust spielt nicht zuletzt die Literatur an sich eine gewichtige Rolle in Drive My Car. Gleich zu Anfang unterhalten sich Yusuke und Oto über eine Geschichte, die sie in ihr neues Drehbuch integrieren will und in welcher es um Obsession, Fetisch und Liebe geht. Viel später soll den Regisseur die Geschichte abermals einholen, wie auch die Rolle des Onkel Wanja, die er eigentlich nicht mehr spielen will, ist diese ihm doch aufgrund des persönlichen Verlustes unerträglich geworden. Stattdessen sind es andere, selbstgestrickte Narrative und Rollen, welche die Figuren übernommen haben, um ihren eigenen Schmerz zu überdecken oder von diesem abzulenken. Hamaguchis Inszenierung lässt hierbei die nötige Ambivalenz und scheint auf das sensible, zurückgenommene Spiel seiner Darsteller zu vertrauen.

Zuletzt ist es auch das Schweigen und der Raum, der sich durch dieses eröffnet, was den besonderen Reit von Murakamis Werk wie auch dieser Verfilmung ausmacht. Gerade im Zusammenspiel zwischen Masaki Okada, deren Figur ebenfalls einen Verlust zu verarbeiten versucht, und Nishijima betont diesen Aspekt der Handlung und zeigt jene Momente der Beobachtung und des Nicht-Handelns, welche für die Geschichte besonders wichtig sind.

Credits

OT: „Drive My Car“
Land: Japan
Jahr: 2021
Regie: Ryusuke Hamaguchi
Drehbuch: Ryusuke Hamaguchi, Taamasa Oe
Vorlage: Haruki Murakami
Musik: Eiko Ishibashi
Kamera: Hidetoshi Shinomiya
Besetzung: Hidetoshi Nishijima, Toko Miura, Masaki Okada, Reika Kirishima, Yoo-rim Park, Jin Daeyeon, Sonia Yuan

Bilder

Trailer

Filmpreise

Preis Jahr Kategorie Ergebnis
Academy Awards 2022 Bester Film Nominiert
Beste Regie Ryûsuke Hamaguchi Nominiert
Bestes adaptiertes Drehbuch Ryûsuke Hamaguchi, Takamasa Oe Nominiert
Bester internationaler Film Sieg
BAFTA 2022 Beste Regie Ryûsuke Hamaguchi Nominiert
Bestes adaptiertes Drehbuch Ryûsuke Hamaguchi Nominiert
Bester fremdsprachiger Film Sieg
Cannes 2021 Goldene Palme Nominiert
Bestes Drehbuch Ryûsuke Hamaguchi, Takamasa Oe Sieg
César 2022 Bester ausländischer Film Nominiert
Film Independent Spirit Awards 2022 Bester internationaler Film Sieg
Golden Globes 2022 Bester fremdsprachiger Film Sieg

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Drive My Car
Fazit
„Drive My Car“ ist ein Drama über Stillstand und Verlust sowie den Versuch einer Verarbeitung. Ryusuke Hamaguchi gelingt eine sensibel gefilmte und gespielte Adaption der Kurzgeschichte Haruki Murakamis, die neben „Burning“ wohl zu den besten Verfilmungen der Werke dieses Autors zählt.
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