Chasing Paper Birds
© déjà-vu film UG

Chasing Paper Birds

Inhalt / Kritik

Chasing Paper Birds
„Chasing Paper Birds“ // Deutschland-Start: 4. November 2021 (Kino)

Berlin im Sommer: Die Menschen schwirren umher, auf der Suche nach Spaß, Glück und sich selbst. Oder zumindest nach einer Zukunft. Die französische Tänzerin Mia (Lucie Aron) weiß zum Beispiel nicht, wie es mit ihr weitergehen soll, als sie ihren Freund beim unbekümmerten Sex mit einer anderen erwischt hat. Keks (Henrike von Kuick) wiederum ist hin und her gerissen zwischen einer Beziehung, ihrer Karriere als DJ – und den Drogen, die sie gerne nimmt. Und dann wäre da noch der Video-Performance-Künstler Ian (Vladimir Burlakov), der zu seinem 30. Geburtstag eine große Feier vorbereitet hat, dann aber von den meisten versetzt wird – was ihn zu drastischeren Maßnahmen animiert …

Bruchstücke eines Lebens

In den letzten Jahren hat es eine ganze Reihe deutscher Filme gegeben, die auf eine wirkliche Dramaturgie verzichten. Die keine eigentliche Geschichte mehr erzählen, sondern lieber einfach den Menschen bei ihrem Leben zusehen, bei den Versuchen, darin irgendwo einen Sinn zu erkennen. Nackte Tiere erzählte von fünf Jugendlichen in der Provinz, die an der Schwelle zum Erwachsenen stehen. Bei Dreißig folgen wir einer Freundesclique Anfang 30, die in einen Geburtstag hineinfeiern und hierfür durch Berlin streifen. Das ist immer betont authentisch gehalten. Es geht um ein Lebensgefühl, das eingefangen werden soll, ein bestimmter Abschnitt auf der Suche nach dem eigenen Platz.

Das ist bei Chasing Paper Birds ganz ähnlich. Auch hier sind wir in Berlin unterwegs. Erneut stehen eine Reihe von Menschen im Mittelpunkt, die sich entscheiden müssen, wie es in Zukunft mit ihnen weitergehen soll. Während bei den obigen Beispielen aber Cliquen näher beleuchtet werden oder zumindest Leute, die sich irgendwie kennen, da zeigt uns Regisseurin und Drehbuchautorin Mariana Jukica die Hauptstadt als einen Ort, in dem das Zwischenmenschliche irgendwie sehr schwierig ist. Keiner will sich hier auf etwas einlassen oder auch Entscheidungen treffen. Stattdessen driften sie alle irgendwie durch die Gegend, wirken in keiner Situation jemals wirklich da. Geschweige denn, dass sie so etwas wie ein Zuhause vorweisen können.

Vor lauter Suchen das Publikum verloren

Dass sie niemanden an sich heranlassen oder sich zumindest schwer damit tun, ist nicht nur für sie ein Problem. Auch als Zuschauer und Zuschauerin stößt man dabei schnell an eigene Grenzen. Chasing Paper Birds ist so sehr damit beschäftigt, ein Gefühl der Orientierungslosigkeit und des Suchens zu erzeugen, dass dabei irgendwie vergessen wurde, ein Publikum miteinzubeziehen. An Figuren mangelt es in dem Film nicht. Neben den drei Hauptfiguren gibt es noch unzählige weitere, die sich irgendwie im Umfeld des Trios befinden. Immer wieder springt der Film dabei zwischen den drei Strängen hin und her, zeigt Begegnungen und Ereignisse, meist mit irgendwelchen Krisen verbunden. Aber sie sind dann eben auch gleich wieder verschwunden, während wir weitertaumeln.

Das größte Problem ist, dass aus diesen Skizzen dreier Leben nie wirklich viel mehr wird. Am ehesten noch ist der Strang um Ian an einer inhaltlichen Auseinandersetzung bemüht, da sich dieser über längere Zeit mit seiner besten Freundin Sandy (Katharina Sporrer) unterhält und so mehr über sich preisgeben kann – auch wenn sie irgendwie selbst nicht viel über ihn zu wissen scheint. Bei den beiden anderen weiß man zwei Stunden später nicht wirklich mehr, als gleich zu Anfang verraten wurde. Chasing Paper Birds bleibt da schon sehr an der Oberfläche, reduziert die eigenen Figuren zu Symbolen. Die sollen zwar von realen Erfahrungen inspiriert sein, so erklärt es die Nachwuchsfilmemacherin. Sie wirken aber kaum wie reale Menschen, sondern höchstens wie eine Idee davon.

Wenig bleibt zurück

Das ist auch deshalb etwas schade, weil es gerade bei den Nebenfiguren eine Reihe profilierter Schauspieler gibt, darunter Albrecht Schuch, Jacob Matschenz und Florian Bartholomäi. Schauspieler, denen man sicher nicht nachsagen kann, für profillose Charaktere bekannt zu sein. Ihnen bleibt aber ebenso wie dem Haupttrio zu wenig Raum, um die Jagd mit tatsächlichem Leben zu füllen. Das bedeutet nicht, dass Chasing Paper Birds nichts zu bieten hätte. Das Drama, welches auf dem Achtung Berlin Filmfest 2020 lief, hat immer wieder stimmungsvolle Momentaufnahmen. Sie fügen sich nur nicht zu einem wirklichen Bild zusammen, das tatsächlich etwas aussagen würde. Der Film gleicht mehr einem verkaterten Morgen, in dem noch Bruchstücke eines vorangegangenen Rausches aufblitzen. Man weiß genau, dass man unterwegs war und etwas erlebt hat. Mehr als Kopfschmerzen ist davon jedoch nicht übrig.

Credits

OT: „Chasing Paper Birds“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Mariana Jukica
Drehbuch: Mariana Jukica
Musik: Mario J
Kamera: Matthias Halibrand
Besetzung: Henrike von Kuick, Lucie Aron, Vladimir Burlakov, Florian Bartholomäi, Katharina Sporrer, Jacob Matschenz, Mario Klischies, Pit Bukowski, Albrecht Schuch

Bilder

Trailer

Kaufen / Streamen

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.




(Anzeige)

„Chasing Paper Birds“ folgt mehreren Leuten, die durchs nächtliche Berlin taumeln, auf der Suche nach Perspektiven und Halt. Das bringt schon einige stimmungsvolle Momentaufnahmen. So richtig viel bleibt vom Drama aber nicht zurück, da trotz namhafter Nebendarsteller keine wirklichen Charaktere hier auftreten, sondern nur letztendlich eher nichtssagende Skizzen eines ziellosen Lebens.
Leserwertung2 Bewertungen
9.3
6
von 10