Es ist nur eine Phase Hase
Aus dem Takt gekommen: Paul (Christoph Maria Herbst) in "Es ist nur eine Phase, Hase" (© Majestic/ Bernd Spauke)

Christoph Maria Herbst [Interview]

In der Bestseller-Adaption Es ist nur eine Phase, Hase spielt Christoph Maria Herbst den Familienvater Paul, dessen Ehe mit Emilia (Christiane Paul) schon seit Längerem nicht mehr so toll ist. Hinzu kommt, dass ihm sein Alter zunehmend zu schaffen macht. Nicht einmal beruflich läuft es bei dem Autor mehr, der einfach nichts Nennenswertes zu Papier bringt. Als ihm Emilia eröffnet, sie hätte ein One Night Stand mit einem jüngeren Mann gehabt und brauche nun erst einmal eine Pause, bricht für ihn eine Welt zusammen. Gleichzeitig gibt ihm das die Chance, sein Leben noch einmal neu zu überdenken. Zum Kinostart der Komödie am 14. Oktober 2021 haben wir den Schauspieler zu seinen eigenen Ansichten zum Alter und der Liebe befragt.

 

Was hat Sie an Es ist nur eine Phase, Hase gereizt, dass Sie den Film drehen wollten?

Ich mochte zum einen das Buch, das mir zugeschickt wurde. Zum anderen war die Aussicht reizvoll, mit Regisseur Florian Gallenberger zusammenarbeiten zu dürfen. Denn wir hatten bislang nicht das Vergnügen. Und die Aussicht nicht zu vergessen, dass Christiane Paul meine Ehefrau spielen würde. Auch das war eine erste Zusammenarbeit. Wir haben zwar seinerzeit zusammen Neues vom Wixxer gedreht, hatten damals aber keine gemeinsamen Szenen. Wir haben auch bei dem einen oder anderen Animationsfilm unsere Stimmen gegeben, standen aber ebenfalls nicht zusammen im Studio. Insofern war es an der Zeit, auch einmal wirklich intensiv miteinander zu arbeiten. Da kamen hier schon einige Debüts und kleinere Premieren zusammen.

Und die Wartezeit hat sich gelohnt?

Auf jeden Fall. Es war eine sehr schöne Zeit und ich hoffe, dass es nicht die letzte Zusammenarbeit gewesen ist.

Kannten Sie denn den Roman von Maxim Leo und Jochen-Martin Gutsch, der Es ist nur eine Phase, Hase zugrunde liegt?

Nein. Ich wusste nur, dass es ein Spiegel-Bestseller war. Mir wurde im Vorfeld auch gesagt, dass es nicht zwingend notwendig ist, das Buch zu kennen, weil dieses aus losen Einzelgeschichten besteht. Die Aufgabe unseres Drehbuchteams, also Florian und Malte Welding, war es, diesen Geschichten eine Struktur zu geben, damit das am Ende nicht so fragmentarisch ist, sondern einen roten Faden bekommt. Insofern hat es der Roman bis heute nicht auf meinen Nachttisch geschafft.

Dann kommen wir auf den Inhalt des Films zu sprechen. Ein großes Thema darin ist das Alter. Relativ früh wird gesagt, dass 50 das neue 30 ist. Allgemein werden die Leute immer älter, weshalb sich auch die Wahrnehmung von Alter verschiebt. Ab wann ist man Ihrer Meinung nach heute alt?

Das müssen Sie Soziologen und Biologen fragen, vielleicht auch Gesellschaftsforscher. Am Ende ist das glaube ich eine sehr individuelle Frage, die jeder für sich beantworten muss. Alter ist ja keine Krankheit. Natürlich geht das mit körperlichen Beeinträchtigungen einher, da es mal hier zwickt oder dort etwas nicht mehr so gut funktioniert. Aber diese Wehwehchen treten nicht plötzlich auf. Die hatte ich schon vor zwanzig Jahren. Ich will jetzt nicht mit diesen Binsenwahrheiten langweilen, dass man immer so alt ist, wie man sich fühlt. Aber natürlich ist an diesen immer etwas dran. Ich glaube, es geht auch wesentlich darum, wie du dich im Kopf aufstellst. Wenn du dich auf die Gegenwart konzentrierst, anstatt über die Vergangenheit oder die Zukunft nachzugrübeln, dann bist du einfach. Ich selbst bin auch äußerst entspannt, was mein Alter angeht. Mittlerweile bin ich 55 Jahre. Wenn jetzt hier Jugendliche vorbeikämen, würden die mir wahrscheinlich einen Sitzplatz anbieten. Aber das ist für mich nicht zwangsläufig etwas Schlechtes. Ich nehme mein Alter als etwas wahr, das zu meinem Leben dazugehört. Ein positiver Fatalismus sozusagen.

Es ist nur eine Phase Hase
Im selben Bett und doch meilenweit voneinander entfernt: In der Ehe von Paul (Christoph Maria Herbst) und Emilia (Christiane Paul) ist die Luft raus. (© Majestic/ Bernd Spauke)

Warum ist es für so viele schwer, das ebenso positiv zu sehen? Wir wissen alle, dass wir alt werden. Wir haben um uns herum Leute, die älter werden. Wir sehen es an unseren Eltern. Wir sehen es an der Gesellschaft, die immer älter wird. Warum ist es dann ein Problem?

Das ist schon krass. Aber vielleicht ist es auch überhaupt kein Problem, sondern es wird nur behauptet, es sei eins. Wir haben viele Jahre und Jahrzehnte von einem Jugendwahn gesprochen. Den gibt es so glaube ich nicht mehr. Auch der Dümmste bekommt mittlerweile mit, dass der größte Anteil des Geldes in unserer Republik bei den Alten liegt. Das sind also auch die Kaufkräftigsten. Wenn man sich die Alterspyramide anschaut, sieht man auch, dass es viel mehr Alte als Junge gibt. Die müssten daher die stärkste Lobby haben. Die Politik hat das längst entdeckt. Die Werbebranche entdeckt es zunehmend. Diese Altersgruppe von 19 bis 29, die im Fernsehen früher als Hauptzielgruppe angesehen wurde, verliert an Bedeutung.

Die Kosmetikbranche hält aber natürlich daran fest, da es für sie ein Milliardengeschäft bedeutet. Mit ihren Pillen, Salben und Tuben geben sie Frauen wie Männern das Gefühl, den Alterungsprozess aufhalten zu können. Das können sie natürlich nicht. Da wird schon viel Geld aus dem Fenster geworfen. Oder wenn Sie sich die eine oder andere missglückte Schönheitsoperation anschauen, da denke ich mir: Das hättest du mal besser nicht gemacht. Natürlich steht es jedem frei, eine solche Schönheitsoperation zu machen. Aber wenn am Ende alle uniform aussehen, alle dieses Katzengesicht und diese Schlauchbootlippen haben, das hat der liebe Gott so glaube ich nicht gewollt. Da finde ich es zielführender, an der Lebenseinstellung zu arbeiten und wie man auf das Leben schaut. Denn das sieht man tatsächlich am Gesicht. Ich käme nie auf die Idee, mir meine Falten wegmachen lassen zu wollen. Ich habe einmal diesen schönen Satz gehört: „Unsere Falten zeigen uns, wo unsere Seelen schon überall gewesen sind.“ Und daran glaube ich.

Ist eine solche Einstellung einfacher für einen Mann?

Ich fürchte ja. Da sind noch überkommene Versatzstücke unserer patriarchalen Gesellschaft. Über Männer wurde früher oft gesagt, dass sie mit dem Alter immer besser aussehen. George Clooney zum Beispiel oder Sean Connery. Bei Frauen ist das anders, was natürlich eine absolute Unverschämtheit ist und diskriminierend.

Konnten Sie sich dann überhaupt mit Ihrer Figur identifizieren, wenn Sie im Gegensatz zu ihr völlig entspannt sind im Hinblick auf das Alter?

Hat sich Anthony Hopkins mit Hannibal Lecter identifiziert? Oder seiner Figur aus The Father? Meines Wissens nach hat er zumindest keine Demenz. Das gehört dann einfach zu unserem Handwerk, jemanden zu spielen, der ganz anders ist als man selbst. Mir hat es auf jeden Fall eine große Freude bereitet, ihn zu spielen. Bei mir lag beim Schauspiel immer die Betonung auf dem Spiel, weniger auf der Show. Schauspielerei ist wie ein großer Kindergeburtstag. Oder wie Karneval, ich komme ja aus dem Rheinland. Ich genieße es, in eine fremde Haut zu schlüpfen und einen komplett neuen Kosmos abzutauchen. Dieses Abtauchen fiel uns allen bei Phase, Hase so leicht, weil die Rollen so gut gecastet waren. Es fühlte sich tatsächlich familiär an in diesem Team. Das macht es einfacher, diese Rolle des Familienvaters zu spielen.

Sie kommen ja vom komödiantischen Fach. Hilft das beim Altern? Sie sind es schließlich durch Ihren Beruf gewohnt, immer wieder in Situationen zu sein, in denen Sie nicht die beste Figur abgeben.

Da könnte schon etwas dran sein. Wobei man natürlich auch sagen muss: Nur weil sich jemand überwiegend auf der komödiantischen Wiese aufhält und dort grast, heißt das nicht automatisch, dass dieser jemand auch komödiantisch aufs Leben schaut. Es gibt viele Kollegen, von denen überliefert ist, dass sie depressiv sind oder waren. Die Kunstfiguren, die sie für sich geschaffen haben, sind dann vielmehr Katalysator oder ein Lebenselixier. Aber Sie haben recht: Der Humor, der mir in die Liege gelegt wurde, hilft mir tatsächlich, gelassener mit dem einen oder anderen Unbilden umzugehen. Und es wäre schön, wenn das auch so bliebe.

Ein weiteres großes Thema in dem Film ist das der Liebe. Gerade Emilia hat das Gefühl, dass sie innerhalb der Beziehung etwas verpasst. Dass sie Chancen verpasst. Aber bedeuten Beziehungen nicht immer verpasste Chancen?

Sehr gute Frage. Stichwort: Ist Monogamie nicht Schnee von gestern. Auch das muss letztendlich jeder für sich selbst entdecken und entscheiden. Bei den beiden im Film ist es so. Emilia sagt an einer Stelle: Ich möchte nicht mehr wissen, was morgen ist. Sie will wieder überrascht werden und dass ihr Leben eine Wundertüte ist. Denn in dieser Ehe ist nichts mehr überraschend. Es ist auch keine Begeisterung mehr da. Wenn ich aber an dieser Beziehung festhalten möchte oder auch an dem Konstrukt Familie, dann ist es meine Aufgabe dafür zu sorgen, dass dieser Geist vorherrscht. Paul hat das verschlafen. Er ist stehen geblieben. Während andere um ihn im Fluss waren, ist er zu einem stehenden Gewässer geworden. Und wir wissen alles, was mit stehenden Gewässern ist: Die fangen irgendwann an zu stinken. Man muss schon miteinander leben und nicht nebeneinander her. Aber dafür braucht es auch die Liebe. Wenn dieser Unterbau nicht da ist, brauchst du an den Feinheiten auch nicht mehr zu feilen. Bei Emilia und Paul ist dieses Fundament aber noch da. Es ist nur verschüttet gegangen durch Leben und Alltag.

Mit den Themen Alter und Liebe gehen in dem Film auch Überlegungen zur Vergänglichkeit und dem Sinn des Lebens einher. Gerade Paul schaut zum Ende zurück und fragt sich, was von seinem Leben zurückbleibt. Wenn in diesem Leben alles vergänglich ist und vergänglich sein muss, wie lässt sich diesem Leben ein Sinn geben?

Neugierig sein. Fragen stellen, in der Hoffnung, Antworten zu finden. Liebe. Wissen anhäufen. Das sind aus der Hüfte geschossen ein paar Punkte, die mir einfallen. Die Sinnfrage ist eine der großen universellen Fragen, die wir uns alle irgendwann einmal stellen. Warum bin ich da? Eine wirkliche Antwort habe ich nicht, zumal ich da auch nicht jeden Tag darüber nachdenke. Aber das wären so erste Antwortversuche.

Letzte Frage zu Ihrer eigenen Zukunft: Was kommt nach Es ist nur eine Phase, Hase?

Ebenfalls im Oktober startet von mir Contra. Und im Januar folgt Der Nachname, das Sequel zu Der Vorname.

Vielen Dank für das nette Gespräch!

Zur Person
Christoph Maria Herbst wurde am 9. Februar 1966 in Wuppertal geboren. Er beteiligte sich zwar schon zu Schulzeiten an Kabarett-Projekten und einer Theater-AG, machte im Anschluss aber erst einmal eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Gleichzeitig verfolgte er weiterhin seine Schauspielkarriere und trat mehrfach im Theater auf. Einem größeren Publikum bekannt wurde er durch die Fernsehserien Ladykracher und Stromberg. Vor allem Letztere bescherte ihm durch seine Rolle als gleichnamiger Ekelchef viele Fans. Zu seinen erfolgreichsten Kinofilmen gehören die Edgar Wallace Parodie Der Wixxer (2004) sowie Der Vorname (2018).



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