the nose or conspiracy of mavericks

The Nose or the Conspiracy of Mavericks

Kritik

Über 80 ist Andrey Khrzhanovsky mittlerweile, doch der Veteran des russischen Animationsfilms hat offensichtlich noch eine Menge zu erzählen, wie sein neuester Film The Nose or the Conspiracy of Mavericks demonstriert. So viel, dass es unmöglich ist, das in eine Inhaltsangabe zu packen. Genauer besteht das Werk aus drei Teilen, die inhaltlich zwar alle zusammenhängen, aber doch voneinander getrennt sind. Das Thema ist dabei zum einen die Welt der Künste in einem historischen Russland, aber auch die Rolle dieser Künste in einer Diktatur, wie sie die Zeit Stalins war.

Wo ist meine Nase?
Aufhänger ist dabei das im Titel bereits angesprochene Die Nase. Dabei handelt es sich um eine absurde Erzählung des russischen Dichters Nikolai Wassiljewitsch Gogol aus dem Jahr 1836 über einen Mann, dessen Nase fehlt und die ein Eigenleben entwickelt. Dmitri Schostakowitsch adaptierte diese Geschichte als Oper, die aber recht bald nach der Premiere 1930 wieder abgesetzt werden musste, da sich die Obrigkeiten daran störten. Erst 1974 durfte sie wieder in der Sowjetunion gespielt werden. Der Film zeigt nun die Vorbereitung bzw. eine Aufführung dieser Oper, wobei die Aufführung nicht immer als solche zu erkennen ist. Später wird es darum gehen, wie Stalin im Theater sitzt und empört ist, was er da zu sehen bekommt.

The Nose or the Conspiracy of Mavericks funktioniert dabei einerseits als tatsächlicher Rückblick auf die Schreckensherrschaft Stalins, macht dabei gleichzeitig immer klar, dass es hier nicht nur um eine einzelne Episode geht. Stattdessen verweist Khrzhanovsky durchaus auch auf das Russland heute, wenngleich eher kurz, nutzt es als allgemeine Aussage, wie bedeutsam Kunst ist. Dass diese mehr ist als eine Gefälligkeit, sondern als unabhängige Instanz Spiegel einer Gesellschaft und Mahnerin eine Aufgabe erfüllen kann. Das hört sich vielleicht trocken an, ist es in dieser Form aber nicht. Denn dafür ist der Film selbst viel zu komisch – in mehrfacher Hinsicht –, die Absurdität der Vorlage überträgt sich natürlich auch auf den Film.

Ein schnittiger Spaß
Wenn ein Mann ohne Nase herumläuft, bei der Polizei eine Fahndung nach ihr verlangt, die hier auf einmal moderne Computer verwendet, dann ist das schon schön skurril. Aber auch die Nase selbst, die fortan durch die Stadt läuft und ihr selbständiges Leben genießt, ist aufgrund der grotesken Situation für den einen oder anderen Lacher gut – zumal das für die Animation zuständige Shar Studio sichtlich Spaß bei der Gestaltung hatte. Die Optik ist ohnehin eine der großen Stärken: The Nose or the Conspiracy of Mavericks verwendet eine Vielzahl von Techniken, vor allem aber die der Cutout-Animation. Diese spezielle Form des Stop-Motion-Verfahrens nutzt ausgeschnittene Papierfiguren, die bewegt werden. Bekannt ist diese Technik gerade aus den animierten Zwischensequenzen der Kultserie Monty Python’s Flying Circus, an die das hier auch der surrealen Note wegen erinnert.

Weniger glücklich ist, dass der Beitrag vom Annecy Festival 2020 zuweilen sein eigenes Make-of sein will. Immer wieder werden Szenen unterbrochen, um zu zeigen, wie Menschen eben diese Szenen erstellt haben. Für einen wirklichen Einblick ist das zu kurz, dem Inhalt hilft das trotz der ohnehin vorhandenen Metaatmosphäre wenig. Gleiches gilt für den Rahmen, wenn in einem Flugzeug die Passagiere sich die unterschiedlichsten Filme anschauen. Interessant ist das wenn dann als Möglichkeit, etwas mehr über den russischen Film als solchen zu erfahren. Aber auch da hätte man entweder mehr machen müssen oder das Ganze weglassen, in der Form ist das nur eine irgendwie überflüssige Irritation. Dennoch, wer etwas andersartige Animationsfilme schätzt, der findet hier ein sehenswertes Beispiel, das einerseits Traditionen fortleben lässt, diese gleichzeitig aber dekonstruiert.

Credits

OT: „Nos ili zagovor netakikh“
Land: Russland
Jahr: 2020
Regie: Andrey Khrzhanovsky
Drehbuch: Andrey Khrzhanovsky, Yury Arabov
Vorlage: Nikolai Wassiljewitsch Gogol
Musik: Dmitri Schostakowitsch
Kamera: Igor Skidan-Bosin
Animation: Shar Studio

Bilder

Trailer

Filmpreise

Preis Jahr Kategorie Ergebnis
Europäischer Filmpreis 2020 Bester Animationsfilm Nominierung

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„The Nose or Conspiracy of Mavericks“ erzählt von eigenwilligen Nasen, gescheiterten Oper-Aufführungen und der Rolle der Kunst in einem diktatorischen System. Das ist spannend anzusehen, auch wegen der diversen Animationstechniken, teilweise unterhaltsam. Die gelegentlichen Meta-Elemente bringen hingegen eher weniger.
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von 10