Johnny & Me – Eine Zeitreise mit John Heartfield
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Johnny & Me – Eine Zeitreise mit John Heartfield

„Johnny & Me – Eine Zeitreise mit John Heartfield“ // Deutschland-Start: 25. Januar 2024 (Kino)

Inhalt / Kritik

Wer in Filmen die Vergangenheit rekonstruieren will, hat eine spannende, mitunter aber auch schwierige Aufgabe vor sich. Da gilt es entweder viel zu recherchieren oder alternativ Leute zu finden, die sich darin auskennen. Bei Spielfilmen kann es richtig teuer werden, entsprechende Settings zu finden und auch passende Kostüme und Ausstattungen heranzuschaffen. Bei dokumentarischen Titeln ist das einfacher. Die nehmen das fertige Material. Doch was, wenn es dieses nicht gibt? Die deutsche Regisseurin Katrin Rothe greift dann einfach auf animierte Sequenzen zurück. Das war bei 1917 – Der wahre Oktober der Fall, wo sie auf kunstvolle Weise die Oktoberrevolution wieder auferstehen ließ. Und auch bei ihrem neuesten Werk Johnny & Me – Eine Zeitreise mit John Heartfield kommt dieses Mittel zum Einsatz.

Ein Künstler wird zur Inspiration

Erneut hat sie sich ein historisches Thema herausgesucht. Anstatt eine gesellschaftliche Phase zu behandeln, wird es hier aber persönlicher. Genauer ist der Dokumentarfilm John Heartfield gewidmet, ein deutsches Multitalent, das zwischen den 1920ern und 1950ern als Maler, Grafiker, Fotomontagekünstler und Bühnenbildner tätig war. Bei solche biografischen Dokus sind Interviews eigentlich Standard. Wenn die porträtierte Person nicht zur Verfügung steht, was bei Toten meistens der Fall ist, werden irgendwelche Expertenköpfe eingeblendet. Das wollte Rothe aber nicht. Stattdessen ersinnt sie in Johnny & Me – Eine Zeitreise mit John Heartfield eine Grafikerin namens Stephanie, die in einer beruflichen Krise steckt und durch Heartfield neue Inspiration findet.

Genauer wird in dem Film ein Zwiegespräch zwischen der heutigen Künstlerin und ihrem berühmten Kollegen konstruiert. Letzterer tritt aber nicht als Person auf, sondern als Papierfigur, die mittels Stop-Motion animiert wird. Das ist sicherlich ein ungewöhnlicher Zugang, passt aber zu einem Künstler, der eben selbst mit Schere und Papier gearbeitet hat. Die Grenze zwischen dem, was real ist und was nicht, ist dabei nicht ganz einfach zu erkennen. Bei Johnny & Me – Eine Zeitreise mit John Heartfield darf das eine in das andere übergehen. Dabei ist die Biografie immer auch ein Spiegel für die Grafikerin der Gegenwart, die ihr eigenes Leben mit dem des Gleichgesinnten vergleicht und dadurch in Frage stellt. Da trifft künstlerischer Anspruch auf kommerzielle Notwendigkeit.

Die Politik ist überall

Bei Heartfield war das alles noch komplizierter. So arbeitete er nacheinander in mehreren Unrechtssystemen, erst unter den Nationalsozialisten, die in ihm und seinen politischen Fotomontagen eine Gefahr sahen. In der DDR durfte er zwar ungestört arbeiten, so richtig warm wurden die Behörden bei ihm aber auch nicht. Johnny & Me – Eine Zeitreise mit John Heartfield ist damit zwar ein biografischer Film, dient gleichzeitig aber auch als Spiegel der damaligen Zeit. Gerade für jemanden, der in seiner Kunst politisch aktiv wurde, ist das Äußere und das Innere eng miteinander verbunden. Rothe, die auch das Drehbuch schrieb, beschreibt nicht nur die Erfahrungen des Künstlers, sondern nutzt ihn, um die Gegenwart zu kommentieren und die Bedeutung einer Position.

Das ist inhaltlich ganz spannend. Aber auch der Optik wegen lohnt sich ein Blick auf diese etwas andere Biografie. Der Animations-Doku-Hybrid, der 2023 beim Annecy Film Festival debütierte, nähert sich seinem Thema auf eine sehr verspielte Weise an. Vieles hat auch eine nostalgisch stimmende Anmutung, bei der alte Darstellungsformen und eine Experimentierfreude auf heutige Fragen treffen. Die Darstellung der Stephanie ist oftmals etwas bemüht, was im Laufe der Zeit etwas störend wirkt. Wer sich davon nicht ablenken lässt und Interesse mitbringt, sei es für den porträtierten Künstler oder die Kunstform an sich, sollte aber mal einen Blick auf Johnny & Me – Eine Zeitreise mit John Heartfield werfen.

Credits

OT: „Johnny & Me – Eine Zeitreise mit John Heartfield“
Land: Deutschland, Schweiz, Österreich
Jahr: 2023
Regie: Katrin Rothe
Drehbuch: Katrin Rothe
Musik: Micha Kaplan, Thomas Mäwers
Kamera: Thomas Eirich-Schneider

Bilder

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Johnny & Me – Eine Zeitreise mit John Heartfield
fazit
„Johnny & Me – Eine Zeitreise mit John Heartfield“ ist eine visuell wie inhaltliche spannende Auseinandersetzung, mit dem gleichnamigen Fotomontage-Künstler, bei dem sich eine heutige Grafikerin mit einer animierten Version austauscht. Dabei geht es um das Biografische, aber auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die mit der Gegenwart in Kontrast gestellt werden.
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