Jeanne dArc

Jeanne d’Arc

Kritik

Jeanne dArc
„Jeanne d’Arc“ // Deutschland-Start: 2. Januar 2020 (Kino)

Eine Zeit lang war Jeanne d’Arc (Lise Leplat Prudhomme) die große Hoffnung der Franzosen, war es ihr doch gelungen, die Engländer zurückzutreiben, die ihr Land besetzt haben. Dieses Glück währte aber nicht lange. Als sich die Misserfolge mehren und sie in der Schlacht unterliegt, wächst die Kritik an der jungen Frau. Vor allem der Kirche ist die unbeugsame Jeanne ein Dorn im Auge, da sie sich weigert, sich den Geistlichen zu unterwerfen. Und so beginnt ein Prozess gegen sie, mit dem Ziel entweder ihren Willen zu brechen oder die lästige Jugendliche als Ungläubige zu brandmarken und damit gleich ganz unschädlich zu machen …

Bruno Dumont (Die feine Gesellschaft) ist nicht unbedingt als Filmemacher bekannt, der sich gerne anbiedert, die Gunst der Massen sucht oder nach den bewährten Regeln spielt. Dass ausgerechnet er sich für den Mythos der Jeanne d’Arc interessiert, die als Jugendliche den Feind besiegte, bevor sie später selbst von Institutionen in einem Schau-Prozess zum Tode verurteilt wurde, das ist durchaus schlüssig. Denn die passte ebenso wenig ins Konzept, was sie gleichzeitig zu einem Phänomen wie auch einem Feindbild machte. Eine junge Frau, die behauptet, die Stimme Gottes zu hören und sich damit über die mächtigen Männer aus Militär und Kirche stellte? Das geht nun wirklich nicht!

Alles neu, alles alt

Dumonts erste Annäherung an diese Ikone war deshalb selbst so aufmüpfig, wie es nur irgendwie ging. Anstatt das erwartete Biopic draus zu machen, das sich in gediegenen historischen Kulissen aalt, war Jeannette – Die Kindheit der Jeanne d’Arc ein brillant bebildertes Rockmusical. Headbangende Nonnen, ein sehr begrenzter Schauplatz, unmelodische Lieder, irritierte Laiendarsteller – der Film war so gar nicht das, was man angesichts des Themas hätte erwarten können. An manchen Stellen meinte man sogar, dieser bizarre Mix wollte sich über den Mythos als solchen lustig machen und damit all die, welche ihnen nachhängen, gerade auch aus dem heutigen rechten Umfeld.

Als dann bekannt wurde, Dumont würde noch einen zweiten Film zu dem Thema drehen, war man daher auf einiges gefasst. Und doch schaffte es der Regisseur und Drehbuchautor erneut zu irritieren. Das fängt bereits mit der Besetzung an: Lise Leplat Prudhomme hatte bereits in Jeannette die Jungfrau von Orleans gespielt, wurde gegen Ende aber durch die ältere Kollegin Jeanne Voisin ersetzt, welche die Teenager-Version spielte. Nun ist Jeanne d’Arc erwachsen geworden, verkörpert wird sie jedoch wieder von der Kinderdarstellerin. Ob das nun ein gezieltes Mittel war oder man Voisin nicht wieder gewinnen konnte, sei mal dahingestellt. Aber es ist doch ein interessanter Effekt, wenn eine erwachsene Frau durch ein Kind verkörpert wird.

Alle gegen das Mädchen!

Es passt auch gut zum Thema, wenn alte Männer über das Leben einer jungen Frau bestimmen wollen. Da werden zwangsläufig Assoziationen zu Greta Thunberg und ihrem Kampf gegen mächtige Klimaverschmutzer wach, die sich von einem Mädchen nichts sagen lassen wollen. Jeanne d’Arc funktioniert dann auch weniger als eigentliches Porträt der historischen Jeanne, dafür ist die Charakterisierung zu dünn, sie taucht im zweiten Teil auch zu selten auf. Stärker ist der Film als Kommentar über Machtverhältnisse, über Institutionen und auch die Geschlechterfrage. Denn in der Hinsicht hat sich seit dem 15. Jahrhundert teils erschreckend wenig getan. Der Wechsel des Themas und der Stimmung spiegelt sich auch in den Bilder wieder: Waren es in Jeannette noch Aufnahmen der weitläufigen Dünenlandschaften, sind es hier oft Szenen, die im Inneren spielen, etwas düster, beklemmend.

Der Spaßfaktor ist in Jeanne d’Arc dadurch geringer als beim Vorgänger. Im Vergleich ist der zweite Teil eher erdrückend, dafür in sich geschlossener. Die befremdlichen Überraschungen sind zwar nicht völlig verschwunden – Stichwort Pferde –, aber doch deutlich weniger geworden. Manche Szenen sind sogar geradezu konventionell, zumindest für ein Werk von Dumont. Irgendwie tut sich das Drama, welches auf den Filmfestspielen von Cannes 2019 Premiere hatte, schwer damit, eine bestimmte Richtung zu finden, zwischen den grotesken und den bewährten Pfaden, und daraus etwas Greifbares zu machen. Die einzelnen Elemente sind aber interessant genug, um hier einmal hineinzuschauen, sofern man eben kein klassisches Historiendrama rund um die Ikone erwartet.

Credits

OT: „Jeanne“
Land: Frankreich
Jahr: 2019
Regie: Bruno Dumont
Drehbuch: Bruno Dumont
Vorlage: Charles Péguy
Musik: Christophe
Kamera: David Chambille
Besetzung: Lise Leplat Prudhomme, Jean-François Causeret, Daniel Dienne, Fabien Fenet, Robert Hanicotte, Yves Habert

Bilder

Trailer

Filmpreise

Preis Jahr Kategorie Ergebnis
Prix Lumières 2020 Beste Nachwuchsdarstellerin Lise Leplat Prudhomme Nominierung
Beste Musik Christophe Nominierung



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„Jeanne d’Arc“ setzt zwar das zwei Jahre zuvor erschienene Rock-Musical „Jeannette“ fort, geht teils aber in eine völlig andere Richtung. Insgesamt ist der Film über den Gerichtsprozess der französischen Nationalheldin konventioneller, trotz diverser Irritationen, bietet aber interessante Einblicke in Machtstrukturen und Geschlechterfragen.
6
von 10