Deportation Class
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Deportation Class

(„Deportation Class“ directed by Carsten Rau, Hauke Wendler, 2017)

Deportation Class
„Deportation Class“ läuft ab 1. Juni 2017 im Kino

Wenn ein Thema die Gesellschaft so sehr bewegt, teilweise auch spaltet, wie es das der Flüchtlingskrise tut, dann ist klar, dass auch im filmischen Bereich bald Beiträge folgen werden. Einige davon haben wir dann auch hierzulande bereits auf großen Leinwänden sehen dürfen. Die meisten davon – etwa die Erfolgskomödie Willkommen bei den Hartmanns oder die Dokumentation Café Waldluft – beschäftigen sich mit der Frage, wie wir mit diesen fremden Menschen umgehen. Babai wiederum interessierte sich für die Flucht an sich, das Schicksal einer Familie, die auf der Suche nach einem Neuanfang auseinandergerissen wird. Doch was passiert, wenn eine solche Flucht beendet wird und Menschen wieder zurück in die Heimat geschickt werden? Wenn es nicht darum geht, diese Fremden zu integrieren, sondern wieder loszuwerden?

Die Regisseure Carsten Rau und Hauke Wendler gehen genau dieser Frage nach. Immer wieder werden, zumindest in gewissen Kreisen, die Rufe nach Abschiebung laut. Die beiden Filmemacher begleiten nun eben eine solche, von dem Moment, wo die Polizei vor der Tür steht, bis zu dem Versuch, in der alten Heimat wieder ein Leben anzufangen. Exemplarisch dafür haben sich die zwei eine albanische Familie ausgesucht, deren Asylantrag abgelehnt wurde und von sich aus keine Anstalten zeigte, wieder zu gehen. Aus gutem Grund: Der Vater hat daheim im Streit einen Mann getötet, dessen Familie daraufhin Blutrache schwor. Wenn sie zurückkehren, dann besteht womöglich Lebensgefahr. Bis vor einigen Jahren war dies noch Grund genug, um in Deutschland bleiben zu dürfen. Doch die Zeiten haben sich geändert.

Wenn Menschen plötzlich rausmüssen
Rau und Wendler mischen sich dabei in die Diskussion nicht ein, ob die Abschiebung gerechtfertigt ist oder nicht. Zweifel an ihrer Skepsis sind dabei aber unverkennbar. Mitten in der Nacht taucht die Polizei bei der Familie auf, ohne Vorwarnung muss diese ihre Sachen packen, der Bus warte schon. Einen Dolmetscher haben sie dabei nicht mitgebracht, nur mühsam machen die Beamten klar, worum es geht. Ihnen fehlen Menschlichkeit und Einfühlungsvermögen, das zumindest legen die schockierenden Bilder nahe. Regeln und Vorschriften werden über Einzelschicksale gestellt.

Eine Grundsatzdebatte zu dem Thema, ob allgemeine Regeln und individuelle Situationen überhaupt zusammen funktionieren, hätte sicher spannend sein können. Ganz so weit will Deportation Class dann aber doch nicht gehen. Denn hier soll es eben nicht darum gehen, die Abschiebung als solche zu debattieren, sondern aufzuzeigen, was sie im Einzelfall für Folgen hat. Dafür lässt das Regieduo eine ganze Reihe von Menschen zu Wort kommen: Da wäre die Familie selbst, die Anwältin und ein Deutschlehrer, der einer Klasse aus Flüchtlingskindern das mitzugeben versucht, was sie im Land brauchen. Unabhängig davon, ob sie überhaupt lange genug bleiben dürfen, dieses Wissen anzuwenden. Er versuche, nicht daran zu denken, dass seine Schüler abgeschoben werden könnten, sagt er an einer Stelle. Wie sehr es ihn mitgenommen habe, als der Fall doch eintrat, an einer anderen.

Nüchterne Regeln treffen auf emotionale Einzelschicksale
Immer wieder werden so nüchterne Abfolgen und persönliche Einblicke nebeneinandergestellt, in einem so starken Kontrast, als handelte es sich um zwei verschiedene Geschichten. Da darf in dem einen Moment noch der Polizist darüber reden, wie das Prozedere in einem Fall der Familientrennung ist, in dem anderen die albanische Tante in der Heimat ihre Verwandten beweinen. Das ist sicher ein wenig einseitig erzählt, zielt bewusst auf die wütende-traurige Reaktion des Publikums ab. Dieses Ziel zumindest hat Deportation Class dann aber erfüllt: Der Dokumentarfilm lässt uns fassungslos und nachdenklich zurück, erinnert daran, dass hinter abgeschobenen Flüchtlingen Individuen stecken, mit ihren eigenen Sorgen, Nöten und Hoffnungen. Und er lässt uns nicht weiter wegschauen, sondern zwingt uns, die Frage immer wieder aufs Neue zu stellen, was wir mit Menschen anfangen sollen, denen es woanders viel schlechter geht als uns.



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Flüchtlinge, die nicht in Deutschland bleiben dürfen, werden abgeschoben, so viel ist klar. Aber was bedeutet das? „Deportation Class“ gibt eine Antwort darauf, indem es von der Abschiebung bis zum Neuanfang in der Heimat eine albanische Familie begleitet. Das ist zwangsweise ein Einzelfall und auch etwas einseitig erzählt, verfehlt aber nicht seine Wirkung, einem bürokratischen Vorgang ein menschliches Gesicht zu geben.