Die Boxtrolls
© Universal Pictures

Die Boxtrolls

(„The Boxtrolls“ directed by Graham Annable and Anthony Stacchi, 2014)

BoxtrollsDie Boxtrolls, so munkelt man in Cheesebridge, leben in dunklen Höhlen tief unter der Stadt, wo sich die Überreste ihrer Opfer bis zur Decke stapeln. Jeder kennt die Geschichte der Kreaturen, die sich nachts an die Oberfläche wagen, um dort unachtsame Kinder zu entführen und zu verspeisen. Dass es sich dabei eigentlich um sehr scheue Wesen handelt, die nur deshalb im Müll der Menschen rumwühlen, um daraus Maschinen zu bauen, das wissen nur die wenigsten. Für Archibald Snatcher ist diese Unwissenheit ein Geschenk, denn durch geschickte Propaganda machte er die Boxtrolls in der öffentlichen Meinung zu bösartigen Monstern, die er ausrotten will – wenn er dafür in der Oberschicht angenommen wird. Nach und nach schnappt er nun die unbedarften Unterweltbewohner, nur der Waisenjunge Eggs, der seit frühester Kindheit bei ihnen lebte, kann seine Freunde noch retten und erhält dabei ausgerechnet von Bürgermeistertochter Winnifred Unterstützung.

Wo Laika drauf steht, da ist auch Laika drin. Wo andere Animationsstudios längst den Computer als Heilsbringer für ihre Zunft entdeckt haben, sind die Amerikaner bewundernswert hartnäckig damit beschäftigt, neben Aardman Animations die Kunst der Stop-Motion-Technik am Leben zu erhalten. Dass sie damit kaum Geld verdienen, spielt keine große Rolle, das Studio war von Anfang an eher ein Liebhaberobjekt von Phil Knight, dem Co-Gründer und Vorsitzenden des Nike-Sportkonzerns. Wettbewerbsverzerrung? Sicher. Aber eine, über die sich Animationsfreunde wohl kaum beschweren dürften. Satte 60 Millionen Dollar kostete Die Boxtrolls dann auch bei der Produktion – nicht viel für einen Animationsfilm heute, Disney, Pixar und DreamWorks geben deutlich mehr aus, aber doch zu viel für einen Film, der so offensichtlich an den heutigen Sehgewohnheiten vorbeiproduziert wurde.

Schon die Titelfiguren haben nur wenig mit dem gemeinsam, was sonst auf unseren Bildschirmen zu sehen ist. Waren die Kreaturen von Die Monster AG beispielsweise trotz ihrer furchteinflößenden Tätigkeit irgendwie knuffig und knallbunt, sind die Boxtrolls bewusst hässlich gehalten, stellen also quasi das genaue Gegenteil ihrer ungleich bekannteren Kollegen da – innen hui, außen pfui. Auch sonst ist der Film weniger dazu geeignet, Kinderherzen höher schlagen zu lassen: Alles ist hier etwas düster, oft schäbig, mit dreckigen Farben versehen. Und grotesk. Die aus der Romantrilogie „Die Monster von Rattingen“ von Alan Snow übernommenen Figuren scheinen in einem inoffiziellen Wettbewerb zu stehen, wer denn nun der hässlichste im Land ist.

Das soll nicht bedeuten, dass Die Boxtrolls visuell missglückt ist. Das Gegenteil ist der Fall. Die Kombination aus altehrwürdiger Stop-Motion-Technik und mittels Rechnern entstandener Puppen hatte schon die beiden vorangegangenen Laika-Werke Coraline und ParaNorman zu einem optischen Fest gemacht, das durch viele liebevolle Details noch weiter aufgewertet wird. Und das gilt auch hier: Durch die verschiedenen Bereiche von Cheesebridge zu laufen, das gleicht einer Entdeckungsreise durch ein skurriles Wunderland mit fantastischen, rumpelnden Steampunk-Elementen. Das wird tendenziell jedoch eher Erwachsenen eine diebische Freude bereiten, für Kinder ist das hier oft dann doch etwas zu düster und zu … anders.

Beim Inhalt verhält es sich jedoch genau anders herum, der ist für Erwachsene zu simpel. Nach dem alptraumhaften Coraline und dem sehr humorvollen ParaNorman versuchte man sich hier an einem Mittelweg. Leider ging bei diesem kleinsten gemeinsamen Nenner aber all das verloren, was die Vorgänger auszeichnete: Der Film ist weder faszinierend, noch besonders lustig, sondern einfach nur irgendwie da. Natürlich darf man Die Boxtrolls als Parabel für den Umgang mit Außenseitern ansehen, der von gefährlicher und zynischer Propaganda bis hin zu Völkermord reicht. Das ist gut gemeint, passt aber nicht so recht zu den schlichten Slapstickeinlagen und den ausdruckslosen Figuren. Bis zum Schluss wird man wohl kaum einen der Trolle auseinanderhalten können, sofern man sich nicht an die Kartons hält, in denen sie sich bei Gefahrenverzug verstecken. Das sind natürlich bemerkenswerte Figuren, die Laika auf das Publikum loslässt, die aber ähnlich zu denen von Illumination in eine Geschichte eingebettet sind, welche weder ihnen noch der wunderbaren Optik gerecht wird.



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Das dritte Abenteuer von Laika vereint erneut Stop-Motion und Computer zu einem visuell wunderbaren Animationsfilm voller liebevoller Details und skurriler Figuren. Nur ist die Geschichte dieses Mal trotz gut gemeinter Aussagen nicht wirklich interessant, für Kinder ist „Die Boxtrolls“ zu düster, für Erwachsene zu simpel.
7
von 10