Die abhandene Welt
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Die abhandene Welt

(„Die abhandene Welt“ directed by Margarethe von Trotta, 2015)

Die abhandene Welt
„Die abhandene Welt“ läuft ab 7. Mai im Kino

Auch wenn bereits einige Monate vergangen sind, Paul Kromberger (Matthias Habich) ist über den Tod seiner Frau noch lange nicht hinweg, sieht sie immer wieder in seinen Träumen. Umso größer dann der Schock, als er zufällig über einen Zeitungsartikel stößt, in dem die US-amerikanische Opernsängerin Caterina Fabiani (Barbara Sukowa) porträtiert wird. Denn die sieht der Verstorbenen zum Verwechseln ähnlich. Da er selbst nicht in der Lage ist, nach New York zu fliegen, schickt er stattdessen seine Tochter Sophie (Katja Riemann) dorthin. Die Doppelgängerin ist jedoch wenig begeistert über dieses Zusammentreffen, verweigert jede Hilfe. Doch mit der Zeit kommen die beiden sich langsam näher und stellen sich gemeinsam der Vergangenheit.

Erwartungen sind immer eine gefährliche Sache, wenn man im Kino sitzt, das Licht ausgeht und der Film beginnt. Rund zwei Jahre ist es her, dass Margarethe von Trotta mit Hannah Arendt ein gelungenes Porträt der umstrittenen Theoretikerin ablieferte, auch dank der Hilfe einer fabelhaft spielenden Barbara Sukowa. Beide sind nun auch in Die abhandene Welt vereint, holen zudem mit Katja Riemann eine weitere hochkarätige Darstellerin an Bord. Und auch die Geschichte liest sich interessant, böte Stoff für einen spannenden Thriller. Was kann da schon schief gehen? Rund 100 Minuten später, wenn das Licht wieder angeht und der Film vorbei ist, fragt man sich das immer noch.

Dabei ist der Anfang vielversprechend: Eine elegante Jazz-Nummer von Riemann, schöne Bilder aus New York, audiovisuell hat Die abhandene Welt so manches zu bieten. Eine funktionierende Geschichte jedoch nicht. Schon früh schleicht sich das Gefühl ein, von Trotta kam es mehr aufs Dekor an, nahm es bei den inhaltlichen Details nicht so genau. Befremdlich beispielsweise ist der Umgang mit Sprache, der munter vom Deutschen ins Englische springt, dann wieder zurück, zwischendurch auch mal ins Italienische. Nun ist ein Sprachenwechsel prinzipiell eine gute Sache, gerade wenn verschiedene Kulturen aufeinandertreffen, lässt sich so die Authentizität erhöhen, wie es L’auberge espagnole seinerzeit wunderbar zeigte. Nur sollte das auch irgendwie inhaltlich gerechtfertigt sein. Wenn jedoch Fabiani – eine in New York lebende Amerikanerin mit italienischen Wurzeln – in einem akzentfreien Deutsch mit ihrer rein amerikanischen Familie spricht, bei ihrem sonstigen Umfeld aber Englisch verwendet, dann ist das kaum nachvollziehbar, das Spiel mit der Sprache als reines Etikett entlarvt.

Ähnliche Schlampigkeiten gibt es auch außerhalb der Sprache zuhauf, in Die abhandene Welt scheint sich niemand dafür interessiert zu haben, ob Handlungen gerechtfertigt sind oder zumindest konsequent – alles ist willkürlich, irgendwie zusammengeschustert, auch die sehr plötzliche Liebesbeziehung zwischen Sophie und dem Amerikaner Philip (Robert Seeliger) überzeugt nicht. Und das gilt insbesondere für die Geschichte, die nach einem stimmungsvollen Beginn immer abstruser wird. So abstrus, dass man sich fragt, ob von Trotta nicht doch vorhatte, eine Satire auf melodramatische, völlig konstruierte Soap Operas zu drehen. Düstere Familiengeheimnisse und verschlungene Lebenspfade schön und gut, ein Freischein für inhaltliche Beliebigkeit sollte das aber nicht sein. Ob die vielen Logiklöcher niemandem aufgefallen sind oder sie einfach nicht interessierten, ist da schon zweitrangig, als Zuschauer wird man sich im besten Fall darüber amüsieren, im schlimmsten Fall mächtig darüber aufregen.

Dass dabei diverse Kulturklischees bedient werden und die Erzählweise der Geschichte später sehr einfallslos wird, hilft auch nicht gerade, den sehr negativen Eindruck wieder abzumildern. Was bleibt ist ein hübsch gestaltetes Äußeres und diverse Musiknummern von Riemann. Die sind zwar ebenfalls inhaltlich kaum gerechtfertigt und dienten wohl nur dazu, den Star schön in Szene zu setzen. Immerhin wird man so aber einige Minuten vor der Handlung verschont. Und dafür muss man hier schon dankbar sein.



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Der Anfang ist spannend, das Dekor schön, die Besetzung erstklassig – „Die abhandene Welt“ startet sehr vielversprechend. Von diesem positiven Eindruck bleibt später nicht viel übrig, die unsinnige Geschichte, die vielen Widersprüche und die schlampig-einfallslose Erzählweise taugen höchstens noch als Satire.
3
von 10