Zimmermaedchen Lynn
© movienet

Das Zimmermädchen Lynn

(„Das Zimmermädchen Lynn“ directed by Ingo Haeb, 2014)

Das Zimmermaedchen Lynn
„Das Zimmermädchen Lynn“ läuft ab 28. Mai im Kino

Wenn es ums Putzen geht, da dürfte keiner so penibel sein wie sie: Mit Schwamm, Staubtuch und Reinigungsmittel bewaffnet geht Lynn (Vicky Krieps) von Zimmer zu Zimmer, scheuert und wienert selbst da ohne Unterlass, wo kein Gast ist. Wer sie so pflichtbewusst arbeiten sieht, käme vermutlich nicht auf den Gedanken, dass das unscheinbare Zimmermädchen noch einen ganz anderen Verwendungszweck für die Hotelzimmer gefunden hat. Heimlich schleicht sie sich immer wieder in diese hinein und versteckt sich unter dem Bett, von wo aus sie die Gäste belauscht. Eines Tages wird sie so Zeugin, wie sich ein Mann von dem Callgirl Chiara (Lena Lauzemis) malträtieren lässt. Fasziniert von dieser Erfahrung beschließt Lynn, diese Frau selbst treffen und Zeit mir ihr verbringen zu wollen.

Alle Macht den Underdogs! Immer wieder wird in Filmen das Leben der einfachen Bediensteten gezeigt, sei es als Versuch, ein realistischeres Bild der Gesellschaft zu zeigen, oder um dem Zielpublikum eine Identifikationsfigur zu bieten, mit der man ertragenes Unrecht mitleiden und am Ende doch noch den Prinzen oder die Prinzessin bekommen kann. Das Zimmermädchen Lynn ist da ganz anders: Die Geschichte ist so schräg, als wäre sie einem Traum entnommen, das Objekt der Begierde nicht nur vom gleichen Geschlecht, sondern eine unterkühlte Domina mit gefärbten Haaren.

Lynn sei verrückt, sagt Chiara einmal. Und tatsächlich lässt die Verfilmung des Romans „Das Zimmermädchen“ von Markus Orths von Anfang an keinen Zweifel daran, dass mit der jungen Frau etwas nicht ganz stimmt. In einer Anstalt war sie zuvor – freiwillig, wie sie betont –, zur Therapie geht sie noch immer. Weitere Hintergründe gibt es jedoch nicht, Erklärungen ebenso wenig, nicht einmal den Therapeuten dürfen wir sehen. Aber das braucht es auch gar nicht, denn Das Zimmermädchen Lynn ist kein erschütterndes Drama, das sich à la Hirngespinster mit einer psychischen Erkrankung befasst. Vielmehr handelt es sich hier um einen doch recht ungewöhnlichen Coming-of-Age-Film. Gerade dieser Kontrast zwischen dem zwanghaften Putzen und der Sehnsucht nach einem Ausbruch aus ihrem geordneten Leben deutet an, dass da jemand noch nicht so ganz weiß, wer er ist und wer er eigentlich sein will. Und zumindest ein wenig kommt Lynn im Verlauf der 90 Minuten dem Ganzen näher.

Große Ereignisse gibt es unterwegs jedoch nicht, das Das Zimmermädchen Lynn ist ein leiser, sehr zurückgenommener und kammerspielartiger Film, der sich oft mehr auf seine Bilder verlässt als auf Handlungen oder Dialoge. Wenn Lynn unter dem Bett liegt, wir vom Rest der Welt nur Füße, keine Gesichter sehen, dann sagt das mehr über ihre Beziehung zu der Welt als es alle Therapiesitzungen zusammen könnten. Viele Figuren kommen dann auch nicht vor: Es gibt einen Chef, Christine Schorn spielt Lynns Mutter, manchmal huschen auch Kolleginnen durchs Bild. Aber im Grunde ist die Geschichte eine Two-Women-Show, die von zwei außergewöhnlichen Menschen berichtet, die wie zwei Planeten umeinanderkreisen, angezogen voneinander und doch auf Distanz.

Dass die Schauplätze in ihrer adretten Künstlichkeit manchmal nach Puppenhaus aussehen, unterstützt den Eindruck, hier nicht mehr ganz in der Realität verortet zu sein. Ob das denn gut ist, will Lynn von Chiara wissen, verrückt zu sein. „Sehr gut“, antwortet diese. Und wenn die beiden zum Schluss sanft davonschweben, stellt sich die Frage nach Gründen oder Normalität ohnehin nicht mehr, denn auch der Zuschauer ist dann längst in dieser seltsamen und doch sehr schönen Glücksseligkeit verfangen.



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Das kammerspielartige Coming-of-Age-Drama erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die zwischen penibler Konformität und Ausbruch hin und her schwankt. Das kommt ohne große Handlung aus, verzichtet auch auf viele Erklärungen, ist in seiner traumartigen Schrägheit gleichzeitig aber sehr schön.
7
von 10