Kon-Tiki

Kon-Tiki

(„Kon-Tiki“ directed by Joachim Rønning, Espen Sandberg, 2012)

Kon-TikiJedes Land hat seine Helden, Menschen, die mit festem Blick zu unerforschten Welten aufbrachen und mit ihren Entdeckungen zu Legenden wurden. Der Italiener Christoph Kolumbus wird auch 500 Jahre später noch immer für seine „Entdeckung“ Amerikas gerühmt. Die USA wiederum huldigen ihrem Neil Armstrong, der 1969 als erster den Mond betrat. Und Norwegen? Die haben unter anderem Thor Heyerdahl. Ganz so berühmt wie seine Kollegen ist der zwar nicht, was auch damit zusammenhängt, dass seine Expedition außerhalb von Gelehrtenkreisen nur wenig Spuren hinterließ. Doch was die Reise an sich angeht, so war die kaum weniger spektakulär als die der anderen.

1947 war das, der Wissenschaftler vertrat damals die Ansicht, dass die Besiedlung Polynesiens entgegen der vorherrschenden Meinung nicht zwangsweise von Südostasien aus geschehen sein muss. Vielmehr war er überzeugt, dass die ersten Siedler aus dem Osten kamen, aus Südamerika. Aber wie das so ist, wenn ein einzelner sich gegen etablierte Theorien behaupten muss: Glauben wollte ihm keiner. Um sie vom Gegenteil zu überzeugen, musste er also beweisen, dass zumindest aus technischer Hinsicht nichts dagegen sprach. Also flog er nach Peru, suchte sich eine Mannschaft, baute ein Floß aus den dort üblichen Bäumen und trat die lange beschwerliche Reise über den Pazifik an. Das einzige technische Hilfsmittel der Neuzeit, das er zuließ, war eine Funkanlage. Ansonsten lehnte er jegliche moderne Unterstützung ab – nur so konnte er demonstrieren, dass eine Überfahrt der Ureinwohner Perus überhaupt möglich war.Kon-Tiki Szene 1

Kon-Tiki, benannt nach dem Floß der Expedition, erzählt nun die Geschichte der langen beschwerlichen Reise nach. Eine wirkliche Biografie Thor Heyerdahls ist der norwegische Film jedoch nicht. Abgesehen davon, dass wir ihn als Träumer und Sturkopf kennenlernen, als jemand, der nicht unbedingt ein Typ für Kompromisse ist, erfahren wir kaum etwas über den Wissenschaftler. Noch schlimmer trifft es den Rest der sechsköpfigen Mannschaft, der so blass bleibt, dass man auch zwei Stunden später noch Schwierigkeiten hat, die einzelnen Mitglieder überhaupt auseinanderzuhalten.

Wer also erhofft hat, vielleicht ein wenig mehr über den Forscher zu erfahren, sollte sich anderweitig umschauen. Hier liegt das Augenmerk eindeutig auf der dramatischen Überfahrt. Die ist im Grunde der in Life of Pi recht ähnlich: Menschen, die mehr oder weniger hilflos übers Meer treiben, ohne zu wissen, ob sie jemals ankommen. Die religiösen Aspekte der Romanverfilmung fehlen hier natürlich und auch die Optik kann es erwartungsgemäß mit dem 120 Millionen teuren Hollywood-Blockbuster nicht ganz aufnehmen. Aber auch so wird fürs Auge eine Menge geboten und man merkt es den sehr schönen Bildern an, dass Kon-Tiki der bislang teuerste norwegische Film überhaupt war.Kon-Tiki Szene 2

Die Erzählweise ist hingegen weniger spektakulär. Hin und wieder wird zwar mit Rückblenden gearbeitet, ansonsten ist der Film sehr geradlinig. Was aber kein Nachteil sein muss, denn auch ohne Haken, inszenatorische Besonderheiten oder inhaltliche Überraschungen ist Kon-Tiki spannend geworden. Gerade die Halsstarrigkeit von Thor (Pål Sverre Valheim Hagen), sein beharrliches Weigern, durch Technik die Überfahrt etwas sicherer zu machen, lässt einen immer wieder an den Erfolgsaussichten zweifeln.

Im Gegensatz zu denen des Films: In der Heimat wurde Kon-Tiki wie erwartet zum Kassenschlager. Und auch im Ausland waren die Reaktionen äußerst positiv. Beim Rennen um den Oscar für den besten fremdsprachigen Film musste sich Norwegens nominierter Beitrag zwar Liebe geschlagen geben, und auch bei den Golden Globes verlor er gegen Hanekes Sterbedrama. Aber wer auf der Suche nach einem klassischen Abenteuerstreifen ohne Schnörkel ist, der wird hier gut unterhalten. So gut, dass Hollywood die beiden Regisseure Joachim Rønning und Espen Sandberg auf eine andere Weise ehrte: Sie dürfen beim 5. Teil von Fluch der Karibik gemeinsam Regie führen.



(Anzeige)

Ohne Hilfsmittel mit einem Floß über den Pazifik schippern? Hört sich wahnsinnig an, ist aber tatsächlich 1947 so geschehen. Kon-Tiki erzählt diese Überfahrt ohne viel Tiefgang nach, bietet aber Spannung und tolle Bilder.
7
von 10