Mother of Tears

The Mother Of Tears – The Third Mother

(“La Terza Madre“, directed by Dario Argento, 2007)

The Mother Of TearsFür Dario Argento stand viel auf dem Spiel. Nicht nur, dass er nach einigen mittelprächtigen Filmen und TV-Produktionen seinen Titel als Meister seines Faches zu verlieren drohte, auch warteten die Fans beinahe 20 Jahre auf den Abschluss seiner Mütter-Trilogie. Argento erkannte offensichtlich die Chance, dem Karriereknick ein Ende zu bereiten und brachte The Mother Of Tears hervor. Und um schnell ein häufig bemühtes Wortspiel einzubringen: Die Tränen, die dem Zuschauer beim Betrachten des Filmes in die Augen schießen werden, dürften keine Freudentränen sein.

Auf einem Friedhof Roms wird eine Urne entdeckt und fatalerweise von zwei Archäologiestudentinnen geöffnet, sodass das Unheil im Handumdrehen seinen Lauf nehmen kann. Zu Recht haben auf Verpackungen immer die Inhaltsstoffe zu stehen, denn ansonsten ist Gefahr im Verzug. In der Urne befinden sich nämlich die sterblichen Überreste der dritten Mutter, der Mater Lacrimarum. Einmal freigesetzt, führen sie nichts Gutes im Sinn. Das erfährt die eine Studentin dann auch sofort am eigenen Leib, während die andere, nämlich Sarah, zunächst einmal entkommen kann, was kein Wunder ist, denn sie wird von der schönen Argento Tochter Asia gespielt und ist somit die Heldin des Ganzen. Während Sarah nun von einem Hünen und seinem niedlichen Äffchen gejagt wird, bricht in Rom das Chaos aus. Drei hysterisch lachende Gothic Girls, Hexen allesamt, betreten das Szenario und fortan werden Neugeborene von Brücken geworfen und diverse Gegenstände zur Verstümmelung zweckentfremdet.  Kurz, es herrscht ein großes Hallo, das es zu stoppen gilt. Doch wird es Sarah gelingen, die Mächte der Finsternis aufzuhalten? Ist aber irgendwie, irgendwo und irgendwann auch egal.

Tatsächlich war ein hanebüchenes Drehbuch bei Argento nie ein Kriterium dafür, ob der dazugehörige Film gut oder schlecht wird. Im Gegenteil, die kaum vorhandenen und verwirrenden Handlungsstränge von Suspiria und Inferno, gepaart mit den ästhetischen und kunstvollen Bildern, ließen die Filme wahrhaftig als Fleisch gewordene Albträume erscheinen, die es zu entschlüsseln galt. Oder eben auch nicht. Mother Of Tears hat nun zwar das Null-Drehbuch, aber so gar keine visuelle Kraft. Da sind 50% auch kein schwaches Ausreichend mehr. Vor allem in einem Genre, das zusehends vom Kommerz geschluckt wird und das langsam rechtmäßig einen schweren Stand hat, ist Argentos Werk ein Ärgernis, weil es alle Klischees, Vorurteile und Vorbehalte, die das gemeine Volk Horrorfilmen gegenüber hat, zu Genüge erfüllt. Nach James Wans Saw, der ebenfalls den kleinen Italiener als Vorbild angibt, glaubt offenbar jeder grenzdebile Wackelkamerabesitzer, dass ein toller Horrorfilm auf Handlung, Spannung und visuellen Stil verzichten darf, wenn nur die Gewalt schön grafisch ist. Naja, der Erfolg gibt ihnen Recht, aber das der einflussreiche Meister jetzt selbst auf den fahrenden Zug aufspringt ist einfach unschön.

Als 1980 in Patrick lebt! (Patrick vive ancora) einer Frau eine Eisenstange durch ein primäres Geschlechtsmerkmal gerammt wird und am Mund wieder austritt, war das grenzüberschreitend und höchst fragwürdig, aber eben auch schockierend und provokativ. Im Jahre 2007 ist es nur noch dumm und ärgerlich, der Mensch sollte sich entwickeln und zwar vor und nicht zurück. Keine Spur mehr von den opernhaften Mordinszenierungen, dafür stümperhafte CGI- und lächerliche Blueboxeffekte. Die tote Mutter, immerhin von Asias realer Erzeugerin Daria Nicolodi gespielt, ist als schlecht ins Bild einkopierte Erscheinung echt ein Brüller. Das schwankt zwischen Kitsch, dem Argento ja, wenn man beispielsweise ans Ende von Opera denkt, nicht abgeneigt ist, und, tja, Trash.

Trashig auch die drei hyperaktiven Hexen, die wahrscheinlich in den 80ern gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen haben und seitdem einen Dachschaden haben, der sich auch nicht dadurch vertuschen lässt, dass sie seit damals weder Klamotten noch Make-up gewechselt haben. Das Frauenbild im italienischen Horrorfilm war irgendwie schon immer denkwürdig, aber, wie gesagt, wir schreiben das Jahr 2007. Und wenn ich einen lustigen Trashfilm sehen möchte, greife ich nicht zuerst zum Dario. Auch hier versagt Mother Of Tears also. Was gibt es Gutes zu berichten? Den Ausbruch der Gewalt in Rom zum Beispiel. Der ist stimmungsvoll inszeniert, wie dann doch so einiges schön atmosphärisch daher kommt. Und so schimmert immer wieder das Talent durch, endet aber, wie die Kamerafahrten, im Leeren. Und das ist dann auch der Knackpunkt. Argentos Finale wackelt unbeholfen zwischen gekonnter Albtrauminszenierung und billigem Trash und macht es letztendlich niemandem recht. Ein trauriger und enttäuschender Abschluss einer Trilogie, die so phantastisch begonnen hatte. Schade.



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