Magische Freundschaft zwischen Yuri (Helena Zengel) und dem niedlichen Fabelwesen in "Die Legende von Ochi". © Plaion Pictures

Helena Zengel [Interview]

Im zarten Alter von 5 Jahren stand Helena Zengel zum ersten Mal vor der Kamera, in der Rolle von Benni in Systemsprenger erlangte sie deutschlandweite und internationale Aufmerksamkeit und wurde als beste Hauptdarstellerin zudem mit dem Deutschen Filmpreis bedacht. Seitdem hat die inzwischen 17-Jährige in verschiedensten lokalen und internationalen Filmproduktionen wie z.B. Neues aus der Welt mit Tom Hanks mitgespielt. Ab 1. Mai 2025 kann man sie in der Rolle von Yuri im Fantasyfilm Die Legende von Ochi wieder auf der großen Leinwand sehen. Wir haben uns mit Helena in Berlin über ihr neuestes Projekt unterhalten können. Im Gespräch erzählte uns die junge Schauspielerin u.a. von Willem Dafoes lustiger Seite, der Arbeit mit Puppen und wie es ist, sich selbst zu synchronisieren.

Das war jetzt dein erster Fantasy-Film, richtig? Oder hast du vorher schon irgendetwas Fantastisches gemacht?

Nein, tatsächlich nicht. Es war das erste Mal Fantasy und eine sehr interessante Erfahrung, weil ja ganz viele Leute, die Fantasy drehen, mit AI arbeiten und wir haben mit echten Puppen gearbeitet.

Davon habe ich Fotos gesehen. Es sah total witzig aus, wie die Leute in schwarzen oder grünen Kostümen herumstanden. Ist das komisch für dich als Schauspielerin, wenn jemand ganz nah neben dir steht und du dich auf die Puppe konzentrieren musst?

Voll! Das ist es. Aber nach einer Zeit blendest du es aus und du gewöhnst dich dran. Das gehört natürlich irgendwie zum Job dazu und wir haben es auch geprobt. Und die Puppeteers sind ja sehr unscheinbar, wirklich komplett covered, geben keinen Mucks von sich und versuchen es so gut wie möglich zu machen, dass man nicht abgelenkt ist. Und sie haben diese kleinen Stöckchen am Ochi, das heißt, sie stehen nicht unmittelbar an ihm dran, sondern ein bisschen weiter weg. Aber es ist schon eine sehr interessante Arbeit. Es ist ganz anders, als wenn du mit einem Menschen arbeitest.

Geschmeidige Bewegungen: Die Puppenspieler erwecken die
Ochi zum Leben.

Vielleicht ist das für dich jetzt auch der erste Schritt Richtung CGI, wo man dann gar niemanden mehr dastehen hat und es sich komplett vorstellen muss.

Es ist eine krasse Arbeit. Wenn man gedreht und mit diesen ganzen Leuten zusammengearbeitet hat und sich hinterher den Film anguckt und sieht: „Krass, das Ding ist echt!“ Es sieht super real aus und halt wirklich wie ein Fantasiewesen. Nur weiß ich ja, wie es gemacht wurde. Aber klar, der nächste Schritt ist wahrscheinlich komplett CGI oder KI.

Wenn man mit diesen herrlichen Puppen schauspielert, hat man dann den Impuls, eine mitzunehmen?

Ja, hat man. [seufzt] Ich konnte ihn leider nicht mitnehmen, weil es nämlich nur einen Ochi gibt. Nur ein Exemplar. Aber I’m pretty sure, dass es Merch geben wird. Und dann möchte ich natürlich auch einen haben. Den Ersten!

Wer ist süßer: Baby Yoda oder Baby Ochi?

Ochi. Ganz klar. Baby Yoda hat merkwürdige Ohren. Ochi ist süß, nicht?

Ja, ich finde es auch sehr schön. Kommen wir aber mal zu deinen menschlichen Spielpartnern: Willem Dafoe ist ja eine Riesenfilmlegende und auch Finn Wolfhard ist aus Stranger Things sehr bekannt. Ist man da vorher aufgeregt? Vergisst man irgendwann, wie berühmt sie sind?

Es gibt zwei Aspekte: Zum einen ist es aus der Sicht eines Schauspielers etwas anderes, weil ich es ja gewöhnt bin, mit Kollegen zu spielen – auch mit sehr bekannten Kollegen. Und da komme ich eigentlich direkt auf meinen zweiten Punkt: Dadurch, dass ich so jung mit zum Beispiel Tom Hanks gedreht habe, hat es für mich nie eine Riesenrolle gespielt, wer jemand ist. Ich wusste nicht, wer Tom Hanks ist. Ich war so: „Wer ist das denn? Ah, okay, cool.“ Es war für mich kein Tom Hanks-Fangirl-Moment. Ich glaube, das ist etwas, das ich beibehalten habe, weil ich es eben schon so lange kenne. Ich bin auch ein Mensch, der sich für jeden Menschen interessiert. Ich lese gerne Menschen, ich möchte sie verstehen. Und gerade Künstler und Kollegen finde ich total interessant. Ich glaube, dass die das merken. Ich habe mit Tom bis heute wöchentlich Kontakt, ich habe sehr oft Kontakt mit Willem und auch mit Emily [Watson] und Finn. Und ich glaube, dass das entsteht, weil wir uns auf Augenhöhe gegenüber treten. Und natürlich bewundere ich sie. Sie haben krasse Karrieren, krasse Projekte hinter sich und teilweise viele, viele Jahre Erfahrung. Es ist natürlich eine große Ehre, mit Willem Dafoe vor der Kamera zu stehen. Oder Finn Wolfhard oder Tom Hanks.

Auf sie mit Gebrüll: Maxim (Willem Dafoe) und seine militante
Jungsgruppe möchten das Nest der Ochi aufspüren…

Konntest du dir vielleicht auch etwas abgucken?

Ja klar. Die sind super professionell. Meistens sind sie sehr lustig. Und jeder Schauspieler klaut von jedem. Ich glaube, du baust eine Identität als Schauspieler auf über jede einzelne Rolle. Jeder Film prägt dich. Jede Figur verändert dich und gibt dir etwas mit auf den Weg. Und jede Person, die deine Karriere begleitet, egal ob Agent, Manager, Schauspieler, Regisseur, Produktion – alle prägen dich, formen dich. Da können andere Schauspieler eben auch sehr stark beeinflussen. Du sagst: „Hey, das fand ich richtig geil, wie er das gemacht hat.“ Auch wenn es nur ein Interview war, lernt man so ja voneinander.

Jetzt will ich natürlich wissen: Was hast du von Willem Dafoe gelernt?

Was ich sehr faszinierend an Willem fand, ist eine Sache, die ich durchaus auch schon habe: Seine Intuition. Er überdenkt Dinge nicht so. Und das gefällt mir sehr gut. Er muss nicht 300 Mal proben, er macht es einfach. Und er macht es 500 Mal und 500 Mal genauso professionell, genauso gut. Und das finde ich extrem beeindruckend, wie jemand immer und immer und immer wieder die gleichen Emotionen und die gleiche Überzeugung so rüberbringen kann. Egal, ob man schon total genervt ist, weil man es schon 100 Mal machen musste, weil irgendjemand falsch am Ochi rumgewackelt hat. Man muss halt irgendwie dabei bleiben. Und dieser Teamgeist ist ganz toll.

Du meintest gerade auch, die beiden waren so lustig. Gibt es da irgendeine Anekdote vom Set, an die du dich erinnerst?

Oh, da muss ich überlegen. Zum Beispiel waren wir wandern und dann haben wir gesehen, dass das Haus in den Karpaten, wo gedreht wurde, von einem Bären zerstört worden ist. Und William ist jemand, der dann sehr gerne so Witze und Sprüche macht. Also er würde dann sowas sagen wie: „Ach geil, dann kann ich jetzt nach Hause fliegen.“ Er lockert durch seine Art die Stimmung auf. Ich finde aber auch, dass Amerikaner generell eine sehr lockere, humorvolle und willkommene Art haben. Und jedes Problem wird schnell gelöst. Da ist es alles ein bisschen leichter.

Gäbe es irgendwelche Kolleg:innen, die du besonders verehrst, wo du alles stehen und liegen lassen würdest, um einmal im Leben mit diesen Personen zu drehen?

Ich würde sehr gerne mal mit Lady Gaga arbeiten. Und wer mich sehr beeindruckt hat, sind Nicole Kidman in Babygirl und Zoë Saldaña in Emilia Pérez. Das sind so aktuelle Schauspielerinnen, die ich toll finde.

Du warst ja jetzt schon in mehreren internationalen Produktionen dabei. Ist es für dich noch ein Unterschied, ob du auf Deutsch oder auf Englisch drehst?

Eigentlich nicht. Ich bin durch den Job ja mehr oder weniger bilingual aufgewachsen. Und ich denke in Englisch. Ich träume in Englisch. Natürlich klinge ich anders in Englisch. Und ich glaube, ich habe auch eine bisschen andere Identität im Sinne des englischen „Attitude“: Man redet und gibt sich einfach anders. Aber im Spiel macht es für mich keinen Unterschied, eher die Sets. Weil in Amerika oder in Deutschland zu drehen, ist ein Unterschied. Aber die Sprache nicht unbedingt.

Ich fand es total beeindruckend, dass man gar nicht merkt, dass du nicht Amerikanerin oder so bist. Wie war das bei deinen ersten englischsprachigen Filmen? Hattest du da irgendwann einen Language Coach oder so?

Ich hatte ab und zu Accent Coaching. Ich musste zum Beispiel zwischendrin Britisch sprechen. Für die Zeit haben wir auch in London gelebt, deswegen ging das relativ schnell. Oder auch wenn ich sehr amerikanisch klingen sollte.

Du hast dich auch selbst synchronisiert. Ist es seltsam, sich zu hören und zu sagen: Okay, ich muss jetzt etwas Deutsches über meine englische Sprache drüberlegen?

Ja, schon. Aber es ist interessant und hat etwas sehr Authentisches. Ich möchte, dass der Zuschauer im Kino die volle Experience hat. Und dazu gehört, dass er meine Stimme hat und nicht irgendeine KI-Generierte. Und es ist irgendwie auch eine Form von Respekt. Ich hab auch in italienischen Sachen synchronisiert und das ist sowas Schönes, weil du damit ja auch zeigst, dass es dir total wichtig ist, dass jeder Zuschauer die gleiche Erfahrung hat.

Und was ist mit diesen ganzen Trillern und Pfeiflauten, die du und die Ochis machen?

I hate to break it to you: Ich hab diese Laute nicht selbst gemacht. Es ist gar nicht so schwer, es ist fast wie so ein Pfeifen. Es ist halt unrealistisch, dass die Ochis Worte sprechen, so dass wir das nicht machen wollten. Isaiah hat sehr, sehr lange überlegt, welche Sprache er nehmen soll oder wie er das aufbauen soll und sich letztendlich dann dafür entschieden. Es macht Sinn, dass sie eine Melodie haben und es ist auch irgendwie poetisch, dass sie so zueinander finden und diese Energien sich verbünden. Aber ich hab im Grunde genommen nur die Mundbewegung gemacht.

Wenn du dich nun schon selbst synchronisierst, würde es natürlich auch naheliegen, mal reine Synchronrollen zu übernehmen. Hättest du darauf Lust?

Ja, hätte ich! Es ist eine ganz andere Arbeit, weil du stehst ja den ganzen Tag in einem relativ dunklen Studio. Ich glaube, dass man auch probieren muss, ob das so das Ding für einen ist. Aber ich hätte mega Bock drauf. Es macht Spaß und ist auch eine sehr interessante Art, Filme zu machen.

Am Schluss geht es mit den Ochis auch um Gesang. Ist Singen etwas, das dir liegt?

Ich habe in Transamazonia gesungen. Ich kann es, wenn ich übe. Und mir wird von Gesangslehrern auch immer gesagt, dass ich eine superschöne Stimmfarbe habe und es richtig lernen könnte. Meine Mutter ist ganz lange Sängerin gewesen. Und sie hat mir logischerweise schon vorgesungen, seitdem ich im Bauch war. Ich bin auch sehr musikalisch und spiele zum Beispiel Klavier, habe ein musikalisches Ohr. Deswegen könnte ich es schon lernen, glaube ich. Aber es ist nichts, was ich aus dem Stand kann. Vielleicht irgendwann.

Deine Figur, Juri, rebelliert gegen die Regeln ihres Vaters auf und generell das, was ihr so beigebracht wurde. Ist das etwas, womit du dich identifizieren kannst? Du hast vorher ja auch Systemsprenger gemacht und wirst dieses Jahr 18. Ist das etwas, wo du sagst: „Ich bin froh, wenn ich mal irgendwelche Vorschriften in den Wind schlagen kann.“?

Voll. Ich finde, es gibt auch eine Parallele zwischen Benni und Yuri. Beide sind sehr verletzte Mädchen, die irgendwie ihr Leben bestreiten und sich zwar auf sehr unterschiedliche Art und Weise ausdrücken, aber trotzdem eine ähnliche Herkunft haben. Ich kann mich auf jeden Fall damit identifizieren. Ich habe auch sowas Rebellisches und nehme gerne Abenteuer auf mich. Und ich glaube, ich würde auch einen Ochi retten.

Chaos am Kühlregal: Auf seiner Abenteuerreise mit Yuri erlebt das
Ochi-Baby eine wilde Fahrt im Einkaufswagen.

Ich bin völlig überzeugt, dass du das hinkriegen würdest.

Wir haben in Rumänien eine Hündin adoptiert und das war tatsächlich so ähnlich. Sie hatte einen Autounfall und hat sich das Bein gebrochen. Und ich hab dann so einen Riesenhund auf meinen Armen zur Pension zurückgetragen, und wir haben sie in die Klinik fahren lassen von dem Fahrer, der eigentlich Willem hätte abholen sollen [lacht]. Und dann haben wir sie behalten. Wir sagten immer, wir müssten ein Buch schreiben: „Vom Straßenhund zum Fünf-Sterne-Hund“.

Wo ist die Hündin jetzt?

Zuhause. Wir haben sie mitgenommen, also adoptiert.

Wie heißt sie?

Kiwi. Wie die Frucht.

Es gibt einen Film über eine wahre Geschichte, wo ein Straßenhund mit so einem Sportteam mitgelaufen ist, über tausende Kilometer durch die Pampa, und dann von ihnen adoptiert wurde. Arthur der Große heißt der.

Das hat Kiwi auch gemacht, die war immer mit uns wandern. Sie ist immer dem Auto hinterhergerannt.

Die Legende von Ochi ist ja – wie gesagt – ein Fantasy-Film. Ich stelle mir vor, dass sich noch Generationen später Leute diesen Film angucken und sagen: „Das war mein Fantasy-Einstieg.“ Gab es für dich Fantasy-Filme oder Fantasy-Monster, die deine Jugend und Kindheit bestimmt haben?

Ich würde sagen How to Train Your Dragon und E.T.. E.T. hat mich sehr geprägt und ich hab ihn auch sehr oft geguckt und fand ihn vom ersten Mal an grandios.

How to Train Your Dragon wird ja jetzt auch neu verfilmt, als Realfilm. Würdest du da dabei sein wollen, wenn sich die Chance ergibt?

Klar, gerne!

Hast du sonst irgendwelche Wunschträume, wo du noch hinwillst?

Ich würde gerne mal was Lustiges machen. Ich bin im Casting für ein sehr interessantes internationales Projekt, zu dem ich jetzt noch nichts sagen kann. Aber es gibt eine neue Verfilmung von einem Regisseur, mit dem ich sehr gerne arbeiten würde. Sonst wär vielleicht sowas wie Hunger Games geil.

Da kommt jetzt auch ein neuer Film, da kannst du dich bewerben.

Ich weiß, ich weiß. Ist schon … [zögert] … in Bearbeitung, sagen wir es so.

Oder vielleicht magst du auch mal die Bösewichtin spielen?

Oder das, ja. Auftragskiller oder so. Ich hab damals die Serie Kleo geguckt. Da geht’s ja um die DDR- und Stasi-Zeit und so eine Figur in der Hauptrolle. Es wird gerade mehr oder weniger für mich eine Serie geschrieben, die so in die Richtung geht. Es kommen einige Streaming-Projekte und ich kann verraten, dass es auch ein paar deutsche Sachen sind.

Da sind wir alle sehr gespannt, was wir demnächst von dir zu sehen bekommen.

Dankeschön für das Gespräch!

Zur Person
Helena Zengel gehört zu den spannendsten Nachwuchstalenten der deutschen Schauspiellandschaft. Im Alter von 11 Jahren wurde sie als jüngste Schauspielerin für ihre Hauptrolle in Systemsprenger (2019) mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet und erlangte internationale Aufmerksamkeit. Es folgte eine Golden-Globe-Nominierung für ihre Rolle an der Seite von Tom Hanks in Neues aus der Welt. Zengel, die mit fünf Jahren bereits ihre ersten Schauspielerfahrungen sammelte, arbeitet inzwischen regelmäßig auch in internationalen Produktionen – zuletzt unter anderem in Transamazonia, der 2024 beim New York Film Festival und beim Filmfestival in Locarno gezeigt wurde und 2025 auch in Deutschland erscheinen wird.

 



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