Bong Joon Ho und Robert Pattinson am Set von "Mickey 17" (© Warner Bros.)

Joon-ho Bong / Robert Pattinson [Interview]

Die Roman-Adaption Mickey 17 erzählt die Geschichte von Mickey Barnes (Robert Pattinson), der sich für einen ganz besonderen Job meldet: Er muss sterben, viele Male. Immerhin tut er das für einen guten Zweck, geht es doch darum, dass ein fremder Planet kolonisiert werden soll. Da muss man schon einmal Opfer bringen. Dafür darf er ja auch zurückkommen, nach jedem Tod wird er mit einem Bioprinter einfach neu ausgedruckt. Auf diese Weise hat er die unterschiedlichsten Erfahrungen gemacht. Eigentlich sollte man meinen, er habe alles schon erlebt – bis er eines Besseren belehrt wird. Am 6. März 2025 startet die satirisch-philosophische Science-Fiction-Komödie bei uns im Kino. Wir hatten das große Glück, ein Interview mit Pattinson und dem Oscar gekrönten Regisseur Bong Joon Ho führen zu dürfen. Darin sprechen die beiden über die Arbeit an dem Film, den Reiz des Genre-Kinos und ihre Einstellung zum Tod.

Joon Ho, in deinen westlichen Filmen verwendest du auffallend oft Science-Fiction-Szenarien, die auch eine gesellschaftliche Komponente haben. Ist das eine bewusste Entscheidung?

Bong Joon Ho: Wenn ich nicht in meiner Muttersprache arbeite, fühle ich mich glaube ich sicherer, wenn ich mich im Science-Fiction-Genre bewege, weil du dort alle nationalen und sprachlichen Grenzen hinter dir lassen und direkt zur Essenz kommen kannst. Wenn ich beispielsweise die Geschichte einer kriselnden Familie im Spanien der 1950er erzählen würde, wäre ich sehr nervös, weil ich nicht genau weiß, wie das damals so war. Ich wüsste die Details gar nichts, wüsste nichts vom sozio-politischen Kontext aus dieser Zeit, zumindest viel weniger, als wenn ich von meinem Heimatland erzählen würde. Bei einem Science-Fiction-Film kann ich mich davon lösen, die Satire verstärken und universelle Themen erzählen. Ich denke, dass die Figur von Mickey in Mickey 17 junge Menschen auf der ganzen Welt ansprechen wird, egal ob sie nun in Südkorea oder in den USA leben, weil die Umstände überall ähnlich sind. Natürlich ist es schon sehr extrem, für seine Arbeit zu sterben. Aber da sind Elemente drin, mit denen sie sich identifizieren können.

In Mickey 17 findet man viele Elemente, die schon in deinen früheren Filmen aufgetaucht sind. Da ist die eisige Dystopie aus Snowpiercer, der Respekt vor anderen Lebensformen wie in Okja und auch den Klassenkampf, wie Parasite ihn hatte. War das eine bewusste Entscheidung, diese Themen alle zusammenzuführen?

Bong Joon Ho: Wenn du dir den Bereich Musik anschaust, ist es ganz normal, dass alte Hits gespielt werden oder man etwas ähnliches macht zu dem, was man vorher gemacht hat, weil die Fans das so wollen. Ich denke, bei mir und meinem Publikum ist das ähnlich. Du hast da diese wiederkehrenden Themen und ich habe auch die Ambition, mein eigenes Genre zu werden. Gleichzeitig versuche ich, immer etwas Neues zu machen. Es wäre Verschwendung, ein Werk zu veröffentlichen, bei dem wirklich gar nichts neu ist. Bei Mickey 17 ist es Mickey, der etwas Neues bringt, weil er ein so eigenartiger und einzigartiger Charakter ist. Er ist jemand, wie ich ihn zuvor noch nie gesehen habe. Er ist aus der Arbeiterklasse und eigentlich das genaue Gegenteil von einem Helden. Er hat überhaupt kein Selbstbewusstsein und wirkt manchmal auch etwas dumm. Dabei ist er eigentlich gar nicht dumm, er glaubt es nur. Und dann kommt dieser Mutant Mickey 18 aus dem Nichts, zerstört alles, hilft Mickey aber dabei, sich selbst zu erkennen und etwas über sich zu lernen. In dem Sinn ist das also ein Coming-of-Age-Film, bei dem die Hauptfigur wächst und erwachsen wird. Das war etwas Neues für mich, weil ich noch nie einen Coming-of-Age-Film gemacht habe.

Dieses Konzept, sich selbst zu begegnen und sich auf diese Weise mit sich auseinanderzusetzen, ist sehr spannend. Robert, wenn du im realen Leben einem zweiten Robert begegnen würdest, was würdest du zu ihm sagen?

Robert Pattinson: Ich glaube, ich verbringe auch so schon die meiste Zeit damit, mich mit mir selbst zu unterhalten. (lacht) Wahrscheinlich wäre ich nicht sehr daran interessiert, was er zu sagen hätte. Meine Reaktion wäre wohl ähnlich zu den Leuten auf dem Schiff, die ihn kaum wahrnehmen. Ich würde ihn einfach ignorieren.

Wie war es denn, mit dich selbst zu spielen?

Robert Pattinson: Das war anfangs schon sehr gewöhnungsbedürftig. Es ist ein bisschen so wie in einem Film, bei dem du mit einer CGI-Figur interagierst, weil du sie dir die ganze Zeit vorstellen musst. Der Editor war aber immer mit am Set und hat uns die Szenen gezeigt, damit wir arbeiten konnten. Das hatte etwas von einem Puzzle. Was trotzdem fehlt, ist der Rhythmus, weil du immer nur eine Hälfte auf einmal machst und hoffst, dass das irgendwie zusammenpasst.

In dem Film treffen die Menschen auf riesige Kreaturen, die sie zunächst für Monster halten. Es ist klar, dass damit ganz andere Themen behandelt werden. Warum das in Form eines Creature Films tun? Was ist der Vorteil davon?

Bong Joon Ho: Ich glaube, dass alle von Kreaturen und Monstern fasziniert sind. Es macht irgendwie Spaß, sich Kreaturen anzuschauen, die ganz anders sind als man selbst. Das ist am Anfang schon furchterregend. Aber da kommt dann immer dieser Punkt, an dem du die äußere Schicht abträgst und erkennst, dass dahinter ein Wesen ist, das uns viel ähnlicher ist, viel menschlicher ist, als wir dachten. Ich denke, dass diese Momente eine besondere Faszination auslösen. Man könnte vermutlich sagen, dass das mein dritter Creature Film ist nach The Host und Okja. Und ich wollte dieses Mal noch tiefergehen.

Der Film basiert auf dem Buch Mickey 7. Warum wurde aus der 7 eine 17?

Bong Joon Ho:  Ich wollte, dass Mickey noch etwas häufiger stirbt. Es ist ein so extremer Job, den er da macht. Du machst einen Job ja jeden Tag, du gehst zur Arbeit und machst immer wieder dasselbe. Durch die höhere Zahl und die häufigeren Tode wird es mehr zu einer regulären Arbeit, so absurd diese auch ist. Außerdem ist der Film wie gesagt eine Coming-of-Age-Geschichte, bei der die Hauptfigur wächst und reifer wird, etwas über sich lernt. In den meisten Gesellschaften wirst du mit 18 Jahren zum Erwachsenen. Deswegen waren 17 und 18 Zahlen, mit denen du dieses Erwachsenwerden veranschaulichen kannst.

Robert, du hast in dem Film 17 und 18 gespielt, die zwar dieselbe Person sind und doch sehr verschieden. Wie war das für dich, diese Doppelrolle zu haben, und mit welchen Herausforderungen war das verbunden?

Robert Pattinson: Mickey macht ganz eine ganz extreme Erfahrung durch. Eigentlich wird er die ganze Zeit gefoltert, ohne je dafür belohnt oder respektiert zu werden. Obwohl er all das für andere durchmacht, sagt man ihm, dass er wertlos ist. Aber er nimmt das nicht auf. Du würdest erwarten, dass jemand, der ein solches Leben führt, irgendwann durchdreht. Stattdessen sagt er einfach nur „okay“ und geht weg. Mickey ist eine spannende, ganz eigene Figur, die mich ein wenig ein Zeichentrickfiguren erinnert, die immer wieder dasselbe machen und erwarten, dass etwas anderes geschieht oder vielleicht auch keine Vorstellung davon haben, was geschehen wird. Die Herausforderung war, diesen Charakterzug zu nehmen, und etwas daraus zu machen, das tatsächlich glaubwürdig ist. Aber es hat auch eine Menge Spaß gemacht.

Wie sah deine Vorbereitung auf diese Rolle aus, gerade auch weil Komik ein wichtiger Faktor darin ist?

Robert Pattinson: Als wir mit dem Dreh begonnen haben, habe ich einige Referenzen aus dem Bereich Anime genommen, wenn es um diese plötzlichen Stimmungswechsel geht. Gerade Mickey 18 kann von einem Moment zum nächsten von null auf hundert gehen. Ich mochte das immer in Animes, wenn du jemand hast, der ganz still ist und aus heiterem Himmel explodiert. Ich habe versucht, etwas in diese Richtung zu machen.

Auch wenn Mickey 17 oft lustig sind, gibt es eine Reihe ernster Themen. Eines davon ist der Tod. Hat die Arbeit an dem Film eure Einstellung zum Tod geändert?

Bong Joon Ho: Es ist immer erschreckend, an den Tod zu denken, obwohl er für uns unausweichlich ist und niemand ihm entkommen kann. Also versuchen wir, nicht an ihn zu denken und uns stattdessen nur um unseren Alltag zu kümmern. Das ist bei mir auch nicht anders, obwohl ich mich in vielen meiner Filme mit dem Tod beschäftigt habe. Mickey 17 stellt das Thema nun in den Mittelpunkt, Mickey wird auch die ganze Zeit gefragt, wie es für ihn ist zu sterben. Deswegen dachte ich, dass das meine Chance wäre, mich endlich dem Tod zu stellen. Stattdessen überspringe ich den Tod und erzähle, wie es ist, nach dem Tod wieder weiterzumachen. Du siehst also, dass ich dem Thema noch immer aus dem Weg gehe.

Robert Pattinson: Ich weiß nicht, ob ich wirklich meine Einstellung geändert habe. Was ich aber interessant finde, ist wie die Beschäftigung mit dem Tod gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit dem Leben ist und was wir daraus machen. Wenn Mickey die ganze Zeit gefragt wird, wie es ist zu sterben, dann wird damit auch gefragt, was es heißt, lebendig zu sein. Wenn du geboren wirst und man dir sagt, dass du aus Hühnchenknochen, Abfall, Leichen und menschlichen Exkrementen bestehst, dann klingt das grauenvoll. Aber wenn du darüber nachdenkst, dann bestehst du wirklich daraus. Wir alle bestehen aus solchen Dingen, ohne dass wir uns dessen bewusst werden. Mickey, so einfach gestrickt er auch ist, hat ein viel tieferes Verständnis davon, was es heißt, lebendig zu sein. Du lebst, du stirbst, wirst ausgedruckt und fängst von vorne an – so ist das Leben.

Vielen Dank für das Interview!



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