Swimming Home
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Simming Home
„Swimming Home“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Joe (Christopher Abbott) und Isabel (Mackenzie Davis) versuchen beim Urlaub in ihrer Villa in Griechenland, ein wenig ihre Ehe- und persönlichen Probleme zu vergessen. Doch dieser Plan gerät schnell in Schieflage als die mysteriöse Kitti (Ariane Labed) eines Tages nackt in ihrem Pool auftaucht. Schnell zeigt sich, dass Kitti sich nicht viel aus Konventionen macht, womit sie nicht nur Joe und Isabels Tochter Nina (Freya Hannan-Mills) imponiert, sondern die beiden vor unbequeme Eingeständnisse stellt.

Ein Hauch von Home Invasion

Das Home-Invasion-Genre, gerade im Horror, ist klassischerweise ein immanent konservatives. Es gilt, das Eigentum und die vorherrschenden Machthierarchien gegen eine von außen kommende Bedrohung zu verteidigen und den Status Quo wiederherzustellen. Wenn wir den Genrefilm verlassen und uns den Kunstfilm bzw. die, die sich anschicken es zu sein, anschauen, sehen wir oft, in Teilen sicherlich auch als intertextlichen Bezug zum Genrefilm, die Umkehr dieser Prämisse. Der zu verteidigende Status Quo ist hier das Objekt von Gesellschaftskritik, meist unter dem Gesichtspunkt Klassenkampf. Eine Person aus der Mittel- oder Unterschicht schleicht sich in das Leben der Oberschicht, manipuliert diese zu ihrem eigenen Vorteil oder scheitert beim Versuch. Pier Paolo Pasolinis Teorema, Yorgos Lanthimos’ The Killing of a Sacred Deer oder zuletzt Emerald Fennells Saltburn; Umsetzungen dieses Grundmaterials gibt es viele, mal mehr, mal weniger gut. Doch so oder so haben sich auch hier wie auch im Genrefilm gewisse Sehmuster entwickelt, die überall wiederzufinden sind.

Entsprechend ist es zunächst einmal interessant, wenn ein Film mit einer ähnlichen Prämisse startet, diesen Konventionen dann aber nicht wirklich folgt. Swimming Home würden die meisten Leute vermutlich recht eindeutig als Kunstfilm einordnen, zu kryptisch und non-linaer ist er dafür erzählt und zu schwer lässt er sich in ein Genre pressen. Doch trotzdem fühlt sich eine Einreihung mit den oben genannten auch nicht vollständig und irgendwie unpassend an. Zu wenig geht es dem Film um den Aspekt eindringen, um den Aspekt Kampf um den Status Quo. Dafür ist letzterer von Beginn an zu unbequem für unsere sozioökonomisch privilegierten Protagonist*innen. Sie wissen, dass sie etwas ändern müssen, sind nur zu bequem, zu feige dazu. Die von außen kommende Gewalt, in diesem Fall die von Ariane Labed herausragend gespielte Kitti, fungiert weniger als Repräsentantin der Mittel- oder Unterschicht, sondern eher als Katalysator und Manifestierung der bereits vorhandenen Probleme Joe und Isabels. Das liegt auch daran, dass wir Kittis Motive quasi nicht erfahren, ebenso wenig wie ihre Reflexion über das, was sie bewirkt. Weiß sie, was sie tut? Ist sie von einer bestimmten Moral getrieben? Was ist ihr Hintergrund? Ist sie nur ein Rachegeist?

Ein filmischer Sonnenstich

Wo genau man die Figur einordnen soll, lässt der Film offen und präsentiert sie als eine Art Formenwandlerin mit verschiedenen Motiven und Gelüsten, je nachdem, was sich welches Familienmitglied wünscht bzw. wovor es sich fürchtet. Und entsprechend stehen auch nicht Kitti und ihre eventuellen Motive im Vordergrund, sondern eben Joe, Isabel und in abgeschwächter Form auch Nina und deren Ängste und Gelüste. Inhaltlich erleben wir hierbei eine Vielzahl an Motiven und Diskursanschlüssen, die Dinge wie Versagen und Minderwertigkeitskomplexe, Gender und Identität, Sex und Familie thematisieren und irgendwo auch verknüpfen. Das Ganze geschieht dabei in vielem aber so vage und uneindeutig, dass es schwer ist, hier eine Art Fazit oder „Kernaussage“ zu identifizieren. Stattdessen geht es dem Film mehr um Stimmung, ein Gefühl der Desorientierung. Die Figuren sind verloren in der griechischen Hitze, kurz vor einem Sonnenstich, aber wissen drinnen im Kühlen, im Klaren auch nichts mit sich anzufangen. Zu sehr fürchten sie die Konfrontation mit sich selbst.

Und in dieser Stimmung liegt auch die große Stärke des Films. Getragen von vielen lakonischen und gleichzeitig bedeutungsschwangeren Bildern, dem langsamen Tempo und einem Soundtrack, der beim Zuschauen die Fingernägel aufrollt, fühlt sich Swimming Home wirklich so an, als würde man mit den Figuren in der Sonne sitzen, zu träge, etwas zu aktiv zu entscheiden, nur ein Stück Fleisch, das vor sich hin brutzelt. Unterstützt wird dieses Gefühl von den vielen Bildern wenig bis gar nicht bekleideter Leute, die irgendwo an einem faszinierenden Zwischenschritt von erotisch und bedrohlich sitzen. Allgemein ist das Einfangen des menschlichen Körpers etwas, das nochmal hervorzuheben gilt. Seien es die eben beschriebenen Aufnahmen von Haut oder auch der Einsatz von Tanz. Alles wirkt wahnsinnig befremdlich und ohne klar zugeordnet werden zu können. Ist das Ganze nur eine Art Machtdemonstration der entsprechenden Personen? Ist es das Aufzeigen menschlicher Fragilität?

Alles nur Spielerei?

Doch bei all dem Lob und den großen Worten muss man am Ende doch eine recht ernüchternde Frage stellen: Was bleibt vom Film? Ja, Swimming Home hat eindeutig seine Momente, doch seine Segmentiertheit ist auch sein größtes Problem. Dadurch, dass wir keine stringente Erzählung haben, keine klaren Analogien und wir nicht an bekannte Klassenkampfdiskurse anschließen, bleiben inhaltlich letztlich nur die inneren Kämpfe der Figuren. Und für Freund*innen des Melodrams mag das vielleicht ausreichen, alle anderen werden sich, grob gesagt, aber fragen, warum sollte ich mich für das Unglück dieser reichen Arschlöcher interessieren? Für reinen Misery Porn ist Swimming Home bei weitem nicht kathartisch genug, tritt für deutlich mehr aber viel zu sehr auf einer Stelle.

David Lynch hat in einem Interview mal gesagt: „To me, a story can be both concrete and abstract, or a concrete story can hold abstractions. And abstractions are things that really can’t be said so well with words.” Und bei Swimming Home hat man so ein bisschen da Gefühl, dass die Geschichte nicht gleichzeitig konkret und abstrakt ist, sondern eher abwechselnd. Immer wieder gibt es Momente, die sich zu sehr nach Vagheit der Vagheit wegen anfühlen, während die eigentliche Handlung nebenher existiert.

Credits

OT: „Swimming Home“
Land: UK, Griechenland, Niederlande, Brasilien
Jahr: 2024
Regie: Justin Anderson
Drehbuch: Justin Anderson
Musik: Coti K.
Kamera: Simos Sarketzis
Besetzung: Mackenzie Davis, Christopher Abbott, Ariane Labed, Nadine Labaki, Freya Hannan-Mills, Tzef Montana, Michalis Goumas

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Swimming Home
fazit
„Swimming Home“ ist ein Film, der sich Großes vornimmt. Ein stimmiger Soundtrack, betörende Bilder und tolle Performances ebnen den Weg für einen surrealen Fiebertraum. Doch leider ruht er sich zu sehr auf seiner Stimmung aus und verpasst es daher inhaltlich irgendetwas wirklich Beständiges beizutragen. Zu egal ist die Handlung, zu egal sind die Figuren, sodass „Swimming Home“ zwar ein sinnliches, aber nur wenig nahrhaftes Erlebnis ist.
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