Die Geschichte einer Familie
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Die Geschichte einer Familie

„Die Geschichte einer Familie“ // Deutschland-Start: 15. Juni 2023 (Kino)

Inhalt / Kritik

Am Steuer macht Christina (Anna Maria Mühe) so schnell niemand etwas vor, seit Jahren ist sie als Stuntfahrerin gefragt. Doch das ist schlagartig vorbei, als sie einen Unfall baut und schwer verletzt. Nun sitzt sie im Rollstuhl, die Karriere ist am Ende. Und so bleibt ihr nichts anderes übrig, als in ihre alte Heimat zurückzukehren, aus der sie damals nicht schnell genug wegkommen konnte. Dort zieht sie bei ihrem Vater Werner (Michael Wittenborn) wieder ein, auch wenn das Verhältnis gestört ist. Grund ist ein Vorfall, der alles in ihrem Leben verändert hat. Ihre Familie wurde auseinandergerissen, auch die Beziehung zu Sascha (Anton Spieker) scheiterte. Gesprochen wurde nicht darüber. Doch in der aktuellen Situation sind sie gezwungen, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen …

Der Schmerz der Vergangenheit

Es ist schon ein recht interessanter Lebenslauf, den Karsten Dahlem da vorzuweisen hat. Er machte zunächst eine Polizeiausbildung, studierte später Jura, nur um dann Schauspieler zu werden. Irgendwann ging er dazu über, sich stärker filmisch einzubringen, schrieb das Drehbuch von Freier Fall mit und inszenierte 2017 einen Kurzfilm mit dem Titel Princess. Im Anschluss dauerte es ein wenig, bis der nächste größere Schritt gemacht wurde: sein erster Spielfilm als Regisseur und Drehbuchautor. Nachdem Die Geschichte einer Familie auf Festivals zu sehen war, unter anderem den Hofer Filmtagen, wo Dahlem den Hofer Goldpreis für das beste Regiedebüt erhielt, läuft das Drama ganz regulär in unseren Kinos an. Ob der Film dort viel Aufmerksamkeit bekommen wird, bleibt abzuwarten. Immerhin konnte Dahlem für sein Debüt eine Reihe namhafter Schauspieler und Schauspielerinnen gewinnen.

Und auch inhaltlich bietet er viel Anknüpfungspunkte für das Publikum. Sicherlich ist das zentrale Unglück, welches die Familie auseinandergerissen hat, keines, das ganz alltäglich ist. Man muss auch die Reaktionen der Figuren nicht bis ins Letzte nachvollziehen können. Das Grundthema des Films ist dafür umso universeller. Die Geschichte einer Familie erzählt, wie mehrere Menschen an einer gemeinsamen Krise scheitern. Sie scheitern vor allem daran, sich mit dieser auseinanderzusetzen und miteinander offen darüber zu reden. Auf die eine oder andere Weise fliehen sie alle vor dieser Aufgabe, sei es indem sie wie Christina oder auch deren Mutter Karin (Therese Hämer) fortgehen. Werner hingegen wurde zum Alkoholiker und versucht, den Schmerz einfach zu betäuben. Was genau dieses Unglück ist, wird dabei zunächst nicht verraten. So dreht sich der Film gar nicht so sehr um den Unfall zu Beginne. Der ist nur der Anlass, um in die Vergangenheit zurückzukehren.

Schwierigkeiten mit der Balance

Zu diesem Zweck wechselt Dahlem regelmäßig zwischen zwei Zeitebenen hin und her. Die eine betrifft die Gegenwart, wenn die Familie wegen Christinas Verletzung einiges zu regeln hat. Die andere besteht in Flashbacks, welche die Ereignisse vor sieben Jahren beleuchten. Erst nach und nach wird klar, was genau da geschehen ist. Ob sich Die Geschichte einer Familie mit dieser zweigeteilten Erzählung einen Gefallen getan hat, darüber kann man sich streiten. Auf der einen Seite passt es natürlich zu einem Film, bei dem es darum geht, sich langsam mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Auf der anderen Seite weiß man schon früh, was los ist und wartet nur auf die „Auflösung“. Anstatt diesen Aspekt so sehr in die Länge zu ziehen, wäre es spannender gewesen, mehr Zeit in die eigentliche Auseinandersetzung zu investieren. Denn die fällt recht kurz aus.

Ein weiteres Manko ist, dass man dazu neigt, das Melodram schon sehr zu betonen. Da gibt es aufdringliche Musik und emotionale Exzesse, anstatt auch einfach mal die Stille für sich reden zu lassen. Das ist schade, weil der Film diese Übertreibungen gar nicht nötig hätte und in anderer Hinsicht schön zurückhaltend ist. So widersteht Dahlem der Versuchung, alles in Dialogen erklären zu müssen. Vieles ergibt sich doch mehr aus den Kontexten und dem Verhalten der Figuren. Insgesamt ist Die Geschichte einer Familie damit ein sehr solider Einstieg für den Nachwuchsregisseur, der sich durch einige Balanceschwierigkeiten aber selbst im Weg steht.

Credits

OT: „Die Geschichte einer Familie“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Karsten Dahlem
Drehbuch: Karsten Dahlem
Musik: Hajo Wiesemann
Kamera: Martin Farkas
Besetzung: Anna Maria Mühe, Michael Wittenborn, Anton Spieker, Walid Al-Atiyat, Therese Hämer, Casper von Bülow

Bilder

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Die Geschichte einer Familie
fazit
„Die Geschichte einer Familie“ erzählt von mehreren Menschen, die durch ein Unglück auseinandergerissen wurden und sich durch ein zweites Unglück wieder mit der Vergangenheit auseinandersetzen müssen. Das ist insgesamt solide, hat aber mit Balanceschwierigkeiten zu kämpfen, wenn beispielsweise Exzesse und Zurückhaltung Hand in Hand gehen.
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