Idol

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Inhalt / Kritik

Idol
„Idol“ // Deutschland-Start: 13. Januar 2022 (MUBI)

Stadtrat Koo Myung-hui (Han Suk-kyu) hat sich langsam aber sicher bis in die höheren Positionen hochgearbeitet und ist derzeit Vorsitzender eines Ausschusses, welcher über die Zukunft der Kernkraft in Südkorea bestimmt. Eines Abends wird sein Leben jedoch völlig umgekrempelt: Sein Sohn hat einen Unfall mit Fahrerflucht begangen und zu allem Überfluss das Opfer noch mit nach Hause gebracht hat, welches noch in der Garage stirbt. Als er, entgegen den Wünschen seiner Frau (Gang Mal-geum), seinen Sohn zur Polizei bringt, treffen sie dort schon bald auf die Eltern des Opfers, wobei insbesondere dessen Vater Joong-sik (Sol Kyung-gu) außer sich ist vor Wut und Trauer. Myung-gui kämpft dabei nicht nur mit den juristischen Folgen der Tat seines Sohnes, sondern auch um sein politisches Überleben. Immer mehr kommen dem Politiker nämlich Zweifel an der Geschichte seines Sohnes, weshalb er einen Privatdetektiv engagiert, der Nachforschungen anstellt. Gleichzeitig macht sich Joong-sik auf die Suche nach seiner Schwiegertochter Reon-hwa (Chun Woo-hee), die seit dem Unfall verschwunden ist. Als illegale Einwanderin könnte der Vorfall für sie und ihr ungeborenes Kind die Abschiebung bedeuten, weshalb die Zeit gegen den trauernden Vater ist.

Die Abgründe einer Gesellschaft

Wie viele andere Gesellschaften Asiens ist auch die südkoreanische eine, die von krassen Klassenunterschieden und dem Prinzip der Leistungsorientierung angetrieben ist. Dass diese Aspekte auch Gefahren mit sich bringen, ist ein Thema, welches der Regisseur Lee Su-jin in seinem Teenagerdrama Han Gong-ju sowie seinem zweiten Film Idol beschreibt. Die Mischung aus Politthriller und Familiendrama feierte auf der Berlinale 2019 Premiere und gewann auf dem Fantasia Film Festival die Auszeichnung in der Kategorie Bester Film, wobei Sol Kyung-gu wie auch Han Suk-kyu wegen ihrer Darstellung der beiden Familienväter in Idol geehrt wurden.

Innerhalb der Flut an Thrillern und Gangsterdramen wie The Beast oder The Gangster, the Cop, the Devil reiht sich auch Lee Su-jins zweiter Spielfilm Idol in jene Geschichten ein, die als Genrefilme funktionieren, doch sich zugleich anschicken, einen teils sozialkritischen Kommentar zu Themen wie Klassengesellschaft oder Korruption abzugeben. Wie schon in seinem vorherigen Film Han Gong-ju etabliert Lee Su-jin jene bürgerliche Fassade der beiden Familienväter, deren Welten nicht unterschiedlicher sein könnten, aber die sich nach außen hin als normal oder stabil zeigen. Die Kurzschlusshandlung eines Familienmitglieds löst dabei eine Kette von Ereignissen aus, die beide mit jenen Teilen der Gesellschaft konfrontieren, mit denen sie eigentlich gar nichts zu tun haben wollen oder die sie bislang eher ausgeblendet haben. Während der eine immer mehr in einen Strudel aus Lügen und Gewalt verstrickt wird, erhält der einen Einblick in das Schicksal der sozialen Außenseiter der Gesellschaft. Die Reise der beiden Männer stellen Regisseur Lee Su-jin und Kameramann Son Won-ho mit den Mitteln des Neo-Noir dar, was streckenweise spannend ist, jedoch an der Tendenz zur Überlänge und des Auserzählens im südkoreanischen Kino leidet.

Eine Spirale der Gewalt

Eine besondere Stärke von Lee Su-jins Filme sind seine Darsteller, wobei die beiden Hauptdarsteller mitnichten die einzigen sind, die bei diesem Ensemble eine Ehrung verdient hätten. Sowohl der aus Filmen wie The Berlin File bekannte Han Suk-kyu wie auch sein Kollege  Sol Kyung-gu, der wegen seiner Zusammenarbeiten mit Regisseur Lee Chang-dong (Peppermint Candy, Oasis) bekannt ist, spielen Familienväter, deren Schutz der Familie mit der eigenen Agenda, beispielsweise dem Bewahren der politischen Karriere, immer wieder kollidiert und die dadurch immer tiefer in eine Spirale der Gewalt rutschen, die keinen von ihnen unberührt lässt. Wie schon in ihrer Titelrolle in Han Gong-ju ist es aber in erster Linie Chun Woo-hee, welche den Zuschauer überrascht, durch ihre Wandlungsfähigkeit, die mehr als einmal gefordert ist bei der Figur, die sie in Idol spielt.

Ästhetisch wie auch schauspielerisch braucht sich Idol nichts vorwerfen zu lassen, jedoch ist es nicht nur die Laufzeit, welche gerade in puncto Spannung dem Film einiges nimmt. Lee Su-jin verzettelt sich in der Kombination der vielen Themen, die er ansprechen will, mehr als einmal, wobei vieles eher unnötig kompliziert wirkt als tatsächlich komplex.

Credits

OT: „Usang“
Land: Südkorea
Jahr: 2019
Regie: Su-jin Lee
Drehbuch: Su-jin Lee
Musik: Tae-song Kim
Kamera: Won-ho Son
Besetzung: Suk-kyu Han, Kyung-gu Sol, Woo-hee Chun, Seong-mok Yu, Bong-sik Hyun

Trailer

Filmfeste

Berlinale 2019
Fantasia Film Festival 2019
Sitges 2019

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„Idol“ ist eine Mischung aus Familiendrama und Politthriller, die sowohl darstellerisch wie auch ästhetisch überzeugt. Lee Su-jin zeigt auch als Genreregisseur sein Talent für Figuren und deren Verstrickungen, auch wenn seinem Film etwas mehr Mut zum Schnitt gut getan hätte sowie eine etwas stärkerer thematischer Fokus.
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