A Pure Place
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A Pure Place

Inhalt / Kritik

A Pure Place
„A Pure Place“ // Deutschland-Start: 25. November 2021 (Kino) // 28. April 2022 (DVD/Blu-ray)

Die 14-jährige Irina (Greta Bohacek) und ihr kleiner Bruder Paul (Claude Heinrich) können ihr Glück kaum fassen, als sie von Fust (Sam Louwyck) aufgenommen werden. Die beiden, die im Dreck der Stadt lebten, sind nun auf der Insel zu Hause, so wie viele andere Kinder auch. Dort lernen sie die Geschichte von Hygeia, die dem Schmutz der Welt trotzte. Und sie stellen, verborgen in den dunklen Kellern des Anwesens, die spezielle Seife her, welche den Menschen die absolute Reinheit bringen soll – zumindest den Menschen, die ihrer würdig sind. Nun soll auch Irina auserwählt werden, mit Fust, dessen rechter Hand Siegfried (Daniel Sträßer) und anderen oben in der hellen Welt zu leben. Paul muss sie dabei zurücklassen, dieser soll auch weiterhin in der Unterwelt arbeiten. Doch der will sich nicht ohne Weiteres von seiner Schwester trennen lassen …

Gewohnt anders

Als Der Bunker 2015 Premiere hatte und anschließend von einem Filmfest zum nächsten gereicht wurde, dürften sich nicht wenige verwundert die Augen gerieben haben. Die Geschichte um einen Studenten, der bei einer unterirdisch lebenden Familie als Privatlehrer arbeitete, war so sonderbar, dass man sich fragen durfte: Wie konnte ein solches Werk nur in Deutschland entstehen? Lange hat es gedauert, bis sich dessen Regisseur Nikias Chryssos endlich mit einem neuen Werk zurückmeldet. Nun ist es da und die Neugierde war groß, in welche Richtung A Pure Place gehen würde. Die Antwort darauf ist nicht ganz einfach. Denn das Reinheitsabenteuer der beiden Geschwister erinnert zum Teil sehr an das gefeierte Debüt, geht gleichzeitig aber auch neue Wege.

Gemeinsam ist, dass beide Filme an abgelegenen, in sich geschlossenen Orten spielen. Erneut geht es um wahnhafte Selbstoptimierung und die Dekonstruktion von Familienkonstellationen. Und auch wenn Chryssos sich zur Beobachtung von der Zivilisation entfernt, so hat er diese doch immer noch im Blick. A Pure Place nutzt aber weniger die Mittel des Humors, um die Gesellschaft zu zerlegen. Zwar ist hier vieles seltsam, teils auf eine derart groteske Weise, dass man sich an der einen oder anderen Stelle doch zu einem Schmunzeln oder kurzen Lachen animiert fühlt. Aber es ist zugleich sehr tragisch, wenn wir hier einer Reihe von Figuren folgen, die auf ihre Weise kaputt sind. Wo Der Bunker eine Mischung aus Komödie und Genrekino war, da sind wir dieses Mal einem Drama näher.

Surrealer Besuch einer zweigeteilten Hölle

Gleichzeitig ist A Pure Place deutlich heller als der Vorgänger. Dessen düstere Bilder finden zwar eine Entsprechung in der Unterwelt der Sekteninsel, werden aber mit den Aufnahmen der Oberwelt kontrastiert. Die strenge Trennung zwischen den Auserwählten und der Unterschicht ist natürlich nicht sonderlich subtil. Auf der einen Seite weite, weiße Gewänder, erlesene Speisen und die Freiheit des Inselsettings, auf der anderen Seite die engen Räume, in denen sich die versklavten, in Lumpen gekleideten Kinder mühsam ihr Essen erarbeiten müssen. Aber es sind tolle Bilder, die Chryssos und sein Kameramann Yoshi Heimrath (Berlin Alexanderplatz) aus der zweigeteilten Hölle mitgebracht haben und die oft von surrealer Qualität sind.

Dass eine solche Zweiteilung auf Dauer nicht gut geht, nicht gut gehen kann, das ist dabei klar. Zumindest in Filmen müssen solche Konstrukte unweigerlich scheitern oder zumindest brüchig werden, sonst gäbe es schließlich keine Geschichte zu erzählen. Zumindest phasenweise ist A Pure Place daher berechenbarer als das irrlichternde Erstlingswerk, bei dem deutlich mehr Fragen offen blieben als hier. Stoff zum Nachdenken gibt es bei dem Drama, welches auf dem Filmfest München 2021 Premiere feierte, aber auch so mehr als genug. Der Film verbindet auf interessante Weise Kommentare zur realen Welt mit diversen religiösen Motiven, die Fust zu einer eigenen verqueren Legende zusammenbaut.

Getrieben von unerlösten Sehnsüchten

A Pure Place erzählt dabei nicht nur von einer ideellen Reinheit, nach der alle streben, sondern auch von Sehnsüchten. Da ist die Sehnsucht nach einer Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit. Aber auch eine nach Erlösung und Befreiung. Das fasziniert, verstört teilweise, geht manchmal zu Herzen. Im Mittelpunkt steht dabei der von Sam Louwyck (The Wild Boys) verkörperte Sektenführer, der zwar – wie praktisch alle Sektenführer – ein äußerst fragwürdiges Menschenbild hat, verbunden mit einer narzisstischen Selbstüberhöhung. Ein Mann, der so widerlich ist, dass man schon aus dem Grund die überfällige Rebellion einfordert. Ein Mann aber auch, der zum Gefangenen seiner selbst wurde und in einer Welt, die für ihn nicht mehr funktioniert, nach einem Ausweg sucht. Und so bizarr seine Schlussfolgerungen und Forderungen auch sind, so sehr blitzt hinter diesem Antlitz doch das Menschliche auf und der Wunsch, dass alles doch wieder einen Sinn ergeben könnte und aus den Trümmern etwas Neues entsteht.

Credits

OT: „A Pure Place“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Nikias Chryssos
Drehbuch: Nikias Chryssos, Lars Henning Jung
Musik: John Gürtler, Jan Miserre
Kamera: Yoshi Heimrath
Besetzung: Sam Louwyck, Greta Bohacek, Claude  Heinrich, Daniel Sträßer, Daniel Fripan, Lena Lauzemis

Bilder

Trailer

Interviews

Wem nach dem Film noch viele Fragen im Kopf herumschwirren, für den haben wir noch zwei Tipps: In unseren Interviews zu A Pure Place standen uns Regisseur und Autor Nikias Chryssos sowie Hauptdarsteller Sam Louwyck Rede und Antwort.

Nikias Chryssos [Interview 2021]

Sam Louwyck [Interview]

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A Pure Place
Fazit
„A Pure Place“ folgt zwei Kindern, die bei einer bizarren Reinlichkeitssekte auf einer Insel leben. Der Film erzählt dabei einerseits von dystopischen Klassenunterschieden, ist gleichzeitig aber auch das Porträt von Menschen, die von ihren Sehnsüchten bis aufs Äußerste getrieben werden. Das ist faszinierend, verstörend – und manchmal nur sehr traurig.
Leserwertung19 Bewertungen
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von 10