Bori
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Bori

Inhalt / Kritik

Bori
„Bori“ // Deutschland-Start: 16. September 2021 (Kino)

An der Oberfläche wirkt die Familie der elfjährigen Bori (Kim Ah-song) ganz normal. Sie leben in einer kleinen Gemeinde an der Küste, sind sehr glücklich und gut integriert in die Dorfgemeinschaft. Ihre Eltern wie auch ihr jüngerer Bruder Jeong-woo (Lee Rin-ha) sind jedoch taubstumm und kommunizieren lediglich in der Gebärdensprache, was Bori eine besondere Verantwortung gibt, verfügt sie doch nicht über dieses Handicap. Besonders im Alltag muss die verschiedene Aufgaben übernehmen, vom Bestellen von Essen, den Gesprächen mit Fremden wie auch die Konversation mit ihrem Großvater, der nie die Zeichensprache gelernt hat. Während ihre Eltern sie genauso liebevoll umsorgen, wie ihren Bruder, fühlt sich Bori dennoch mit zunehmendem Alter irgendwie ausgeschlossen. Immer mehr denkt sie daran, wie es wäre, selbst auf einmal taubstumm zu werden. Doch da ihr Wunsch nicht in Erfüllung geht, wird sie von Tag zu Tag trauriger, was auch ihrem Bruder und ihrer besten Freundin (Hwang Yoo Rim) auffällt.

Als sie eines Tages im Fernsehen von einer Tiefseetaucherin hört, die aufgrund der langen und tiefen Tauchgänge taub geworden ist, beschließt, sie dies ebenfalls zu versuchen. Das lange Untertauchen des Kopfes im Wasserbecken hilft jedoch gar nicht, sodass sich Bori eines Tages beherzt ins Meer stürzt und beinahe ertrinkt. Im Krankenhaus stehen die Ärzte dann vor einem Rätsel, denn Bori hat nun tatsächlich kein Gehör mehr und beginnt nun auch ausschließlich in der Gebärdensprache zu kommunizieren. Was ihre Eltern und der Arzt nicht ahnen ist, dass Bori mit der Zeit wieder hören kann, doch, da sie ihren geheimen Wunsch nun in greifbarer Nähe wähnt, ihre Umwelt in dem Eindruck lässt, die sei weiterhin taubstumm. Doch diese Lüge aufrechtzuerhalten, stellt sich als sehr schwierig heraus.

Unter Wasser

In ihrem Regiedbüt Bori, welches auf dem Internationalen Filmfestival Schlingel den großen Preis der Jury entgegennehmen durfte, widmet sich Filmemacherin Kim Jin-yu Themen wie Fremdsein und Ausgrenzung, wobei ihre Biografie als Inspiration diente. Als Kind einer gehörlosen Mutter musste sie, wie auch die Protagonistin in Bori, immer bei alltäglichen Aufgaben helfen und hatte deswegen eine besonders innige Beziehung zu ihrer Mutter, erfuhr aber auch, was es hieß, sich fremd zu fühlen, wenn sie ihre Kindheit mit denen ihrer Klassenkameraden verglich.

Dabei stützt die Handlung ihres Filmes sehr auf die schauspielerische Leistung der jungen Kim Ah-Song, die als Bori in jeder Szene zu sehen ist. Ähnlich wie die jugendliche Protagonistin in Caroline Links Jenseits der Stille ist die Fremdheit eine Konstante in ihrem Leben geworden, wenn sie sich mit ihrer Freundin vergleicht oder einfach andere Familien auf einem Fest in der kleinen Gemeinde beobachtet. Die Sehnsucht, „unter Wasser“ zu sein und in den Augen ihrer Familie nicht mehr fremd zu sein, wird immer dringender, was sich nicht nur im Spiel der jugendlichen Darstellerin niederschlägt, sondern auch in der subtilen Inszenierung der Regisseurin, welche sich Zeit lässt, den Zusammenhalt der Familie auf der einen Seite zu etablieren, während andererseits das Gefühlsleben Bori sich mehr und mehr von dieser Gemeinschaft zu entfernen scheint.

Leben in zwei Welten

Interessant bei der Herangehensweise Kim Jin-yus ist, dass die Stellung Boris oder gar das Thema der Gehörlosigkeit nicht übermäßig problematisiert wird. Im Gegenteil wirkt die Familie harmonisch, gut integriert und insgesamt so heil wie die Dorfgemeinde, die sie umgibt, und welche von Kameramann Seo Jong-uk entsprechend hell und idyllisch in Szene gesetzt wird. Man ist als Zuschauer schon etwas irritiert, als sich auf einmal der Wunsch der kleinen Bori bemerkbar macht, auch taubstumm zu werden, scheint ihre Stellung als Außenseiterin alles andere als augenscheinlich. In den Dialogen mit ihrer besten Freundin zeigen sich dann aber jene zwei Welten, in denen Bori lebt, wie auch ihre Sehnsucht, noch mehr zu ihrer Familie zu gehören, was die Idylle trügerisch werden lässt.

Der Trend zum Familienfilm ist, spätestens seit der Oscarnominierung von Hirokazu Kore-edas Shoplifters – Familienbande, gerade im asiatischen Kino besonders ausgeprägt, wobei sich im Laufe der Zeit auch einige problematische Tendenzen bemerkbar gemacht haben, von den Bori leider einige bedient. So braucht Kim Jin-yus Film sehr lange, um endlich zum Punkt zu kommen, was zu einigen Redundanzen in der Geschichte führt. Auch die Darstellung der Dorfgemeinde wirkt bisweilen genauso unglaubwürdig wie die Familien in manchen Schulbüchern, wobei sogar ein Fußballspiel der Jugendmannschaft im Fernsehen übertragen wird (mit Live-Kommentar!).

Credits

OT: „Na-neun bo-ri“
Land: Südkorea
Jahr: 2018
Regie: Jin-yu Kim
Drehbuch: Jin-yu Kim
Musik: Man-sun Choi, Yong-chul Choi
Kamera: Jong-uk Seo
Besetzung: Ah-song Kim, Rin-ha Lee, Jin-seok Kwak, Ji-Na Heo, Yoo Rim Hwang

Bilder

Trailer

Filmfeste

Schlingel 2019

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"Bori" ist ein ganz unterhaltsamer, wenn auch etwas träger Familienfilm. Während Kim Jin-yus Regiedbüt besonders wegen seines Ensembles punkten kann, ergeben sich mit der Zeit einige ärgerliche Redundanzen, wobei dennoch der positive Eindruck überwiegt, vor allem dank der schauspielerischen Leistung Kim Ah-songs
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