Auge um Auge 2013 Out of the Furnace
© Tobis Film

Auge um Auge (2013)

Kritik

Auge um Auge 2013 Out of the Furnace
„Auge um Auge“ // Deutschland-Start: 3. April 2014 (Kino) // 11. September 2014 (DVD/Blu-ray)

Bei Familie Blaze läuft es schon seit einer Weile nicht mehr wirklich. Der Vater liegt im Sterben, Sohn Rodney (Casey Affleck) hat Spielschulden, die sein Bruder Russell (Christian Bale) mühsam abbezahlt. Als Russell in der Nacht betrunken nach Hause fährt und dabei zwei Menschen tötet, bricht ohnehin alles zusammen. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis soll endlich wieder Ruhe einkehren, doch der gerade aus dem Irak zurückgekehrte Rodney bereitet schon den neuesten Ärger, indem er an illegalen Kämpfen teilnimmt. Immerhin, das könnte die Chance sein, die alten Schulden zu begleichen. Und so lässt sich Rodney darauf ein, vermittelt über den Buchmacher John Petty (Willem Dafoe), in einem Kampf zu verlieren. Es geht um jede Menge Geld, hat doch der Drogendealer Curtis DeGroat (Woody Harrelson) seine Hände im Spiel. Aber es kommt anders …

Bei dem Titel Auge um Auge ist eigentlich bereits klar, worum sich der Film drehen muss. Jeder kennt den im Neuen Testament verwendeten Ausdruck „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, der im Allgemeinen für das Motiv der Rache verwendet wird – auch wenn es bei der Auslegung unterschiedliche Auffassungen gibt. Ob sich der deutsche Verleih einen Gefallen damit getan hat, dem englischen Originaltitel Out of the Furnace die Racheformel voranzustellen, auch da kann man geteilter Meinung sein. Auf der einen Seite ist es nicht falsch, den Film unter dieser Thematik einzuordnen, wird Rache doch eine große Rolle spielen. Gleichzeitig weckt dies aber falsche Erwartungen.

Die Hoffnungslosigkeit des ländlichen Amerikas
Anders als der Titel suggeriert, gibt es hier nicht gleich zu Beginn das Unrecht, das einen Film lang gesühnt werden muss. Tatsächlich ist lange nicht klar, worauf sich dieses „Auge um Auge“ überhaupt beziehen soll. Geht es um Rodney, der seine Spielsucht nicht in den Griff bekommt und dadurch Schulden anhäuft? Oder hat es etwas mit dem Autounfall zu tun, den Russell verursacht und so zwei Menschen das Leben kostet? Die Antwort kommt erst deutlich später. Regisseur und Co-Autor Scott Cooper (Crazy Heart, Feinde – Hostiles) ist sehr viel mehr daran interessiert, ein grundsätzliches Bild des ländlichen Amerikas und der Menschen dort zu zeichnen, als sich mit der Handlung zu beschäftigen.

Wer einen adrenalingeladenen Rachethriller sucht, wie man ihn gerade aus dem B-Movie-Segment kennt, der ist hier deshalb an der falschen Adresse. Manch einer wird seinerzeit vermutlich ziemlich gelangweilt aus dem Kino gegangen sein. Auge um Auge ist über weite Strecken eher ein Sozialdrama über abgehängte Bevölkerungsschichten, verbunden mit Soldaten, denen nach dem Einsatz auf die Schulter geklopft wird, bevor man sie mit ihren Kriegstraumata alleine lässt. Jahre bevor das Thema in den Mittelpunkt rückte, dass Millionen von Menschen in den USA keine Perspektive mehr haben und in einer sich immer schneller drehenden Welt an den Rand gedrückt wurden, da gibt uns Cooper einen Einblick in diese ländlichen Parallelgesellschaften.

Starke Atmosphäre, geringes Tempo
Wobei Auge um Auge kein politischer Film ist. Abgesehen von Forest Whitaker, der einige Auftritte als Polizeichef hat, gibt es hier keine Verbindung zu einem öffentlichen Leben. Entscheidungsmacher, politische Eliten – sie sind hier weiter weg als der Irak, der Rodney verfolgt. Vielmehr stehen die persönlichen Schicksale im Mittelpunkt, Männer, denen nur wenig Optionen bleiben: Arbeit in einem Stahlwerk, was Blaze sr. kaputt gemacht hat oder die Kriminalität. Dieser Fatalismus ist Teil einer starken düsteren Atmosphäre, gebunden an einen Ort, der auch ohne Gitter einem Gefängnis gleicht. Cooper und sein Ensemble vermitteln ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit, wenn der Ausgang von Kämpfen nicht nur im Rahmen illegaler Wetten schon vorentschieden ist.

Allerdings muss man sich dabei auf die sehr gemächliche Erzählweise einlassen können. Während es am Anfang noch sehr schnell geht und in wenigen Minuten sehr viele Informationen auf das Publikum einprasseln, nimmt der Film im Anschluss das Tempo raus, kommt zeitweise fast zum Stillstand. Schade ist zudem, dass ausgerechnet die Figur des Russell nicht so wahnsinnig viel hergibt, er über längere Strecken als selbstloser Held inmitten des Sumpfes gezeigt wird. Das ist zwar gewohnt intensiv von Christian Bale dargestellt, tatsächlich interessant ist die Figur aber nicht. Allgemein holt Auge um Auge aus seinen mit Stars gespickten Ensemble nicht so viel heraus, wie es wünschenswert gewesen wäre. Trotz dieser etwas verpassten Chance, sehenswert ist der Film aber schon, auch das Ende wird diejenigen belohnen, die sich zu gedulden wussten.

Credits

OT: „Out of the Furnace“
Land: USA
Jahr: 2013
Regie: Scott Cooper
Drehbuch: Brad Ingelsby, Scott Cooper
Musik: Dickon Hinchliffe
Kamera: Masanobu Takayanagi
Besetzung: Christian Bale, Woody Harrelson, Casey Affleck, Forest Whitaker, Willem Dafoe, Zoë Saldana, Sam Shepard

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„Auge um Auge“ nimmt uns mit ins ländliche Amerika, das von harter Arbeit, Kriminalität und Perspektivlosigkeit gezeichnet ist. Anders als der Titel suggeriert, ist der Film nur bedingt ein Rachethriller. Vielmehr mischt er einen solchen mit einem Sozialdrama, lässt sich viel Zeit, um Land und Leute zu zeigen. Das Tempo wird deshalb für viele zu gering sein, doch die starke Atmosphäre und das prominente Ensemble entschädigen für vieles.
7
von 10