Tommaso und der Tanz der Geister
© Peter Zeitlinger

Tommaso und der Tanz der Geister

Kritik

Tommaso und der Tanz der Geister
„Tommaso und der Tanz der Geister“ // Deutschland-Start: 13. Februar 2020 (Kino) // 16. Juli 2020 (DVD)

Um an seinem neuen Film zu arbeiten und endlich Ruhe in sein Leben zu bringen, ist der US-Regisseur Tommaso (Willem Dafoe) mit seiner Frau Nikki (Cristina Chiriac) nach Rom gezogen. Neben einem guten Arbeitsrhythmus hat sich Tommaso zudem eine Routine aufgebaut, nimmt sich Zeit für seine Familie, nimmt Sprachunterricht in Italienisch und unterrichtet Schauspielkurse. Darüber hinaus besucht er regelmäßig Treffen der anonymen Alkoholiker aufgrund seiner Sucht, spricht dort über seine vergangenen Entgleisungen und findet Halt darin, dass die anderen ihm zuhören. Trotz allem bemerkt Tommaso eine wachsende Unruhe in sich selbst. Was zunächst nur scheinbar harmlose Streitigkeiten über Banales sind, gerät zunehmend außer Kontrolle und beginnt seine Ehe ernsthaft zu gefährden.

Nah am Leben gebaut
Vor ungefähr sieben Jahren verschlug es den US-amerikanischen Regisseur Abel Ferrara (Driller Killer, Bad Lieutenant, Pasolini) nach Italien. Die Charaktere am Abgrund, die Ferrara in seinen Filmen zeigte, waren auch immer in gewisser Weise Spiegelbilder seiner eigenen Sucht, die immer mehr Platz in seinem Leben einnahm. Mit dem Umzug nach Europa begann für den Filmemacher nicht nur ein neuer Lebensabschnitt mit Cristina Chiriac an seiner Seite, sondern auch zugleich ein neues Arbeiten, was man an Projekten wie Pasolini oder Willkommen in New York sehen kann. Sein neuer Film Tommaso macht keinen Hehl aus seiner Nähe zum Leben des Regisseurs, seinem Kampf mit der Sucht, seiner Beziehung und den täglichen Herausforderungen, die damit einhergehen.

In dem von William Dafoe gespielten Tommaso zeigt sich das Lebensthema Ferraras, der Kampf eines Mannes gegen die Dunkelheit in ihm selbst. Das ohnehin stetig ambivalente Spiel eines Darstellers wie Dafoe, der bereits mehrfach mit Ferraras kollaborierte, hinterlässt selbst in den alltägliche Szenen beim Kaffeetrinken in der Eisdiele oder dem Spaziergang im Park eine unbestimmte Dunkelheit ahnen. Diese Figur bewegt sich auf dünnem Eis, scheint in einem nicht abreißenden, inneren Monolog mit sich selbst gefangen zu sein. Jene Routine, so meint man, ist eine dünne Schicht, deren Zerbrechlichkeit sich vor allem in den Beichten Tommasos bei den Treffen der Alkoholiker offenbart.

Bemerkenswert ehrlich gerät nicht zuletzt das Bild des Künstlers, welches Ferraras Skript zeichnet. Die Offenheit und Authentizität, die er von seinen Schauspielschülern verlangt, fehlen in seinem eigenen Umgang, seiner Ehe, in welcher selbst eine kaputte Lampe zur Chiffre für tiefergehendes Unwohlsein oder Konflikte sein kann. In den Szenen mit Chiriac beweist diese ein Gespür dafür sich zurückzunehmen, es gegenüber dem Zuschauer offenzuhalten, ob Tommasos Beschuldigungen Teil einer Wahrheit sind oder einer selbstgerechten Einbildung, eines egoistischen Opfermythos.

Räume des Lebens, Räume der Kunst
Formal ist Tommaso und der Tanz der Geister in erster Linie ein Kammerspiel. Gerade in den zahlreichen Innenszenen inszenieren Ferrara und Kameramann Peter Zeitlinger, der bei vielen Filmen Werner Herzogs hinter der Kamera stand, den inneren Konflikt des Hauptcharakters als Wechselspiel von hell und dunkel. Die Verfremdung des Raums lassen die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit zerfließen und betonen jenes nimmersatte Gespür des Künstlers, jeden Konflikt, egal ob ausgesprochen oder nicht, als Fundament für eine Szene, ein Bild oder eine Einstellung zu nutzen, die sogleich notiert wird.

Diese immerwährende Berührung von Kunst und Leben definiert den Film, umfasst den Konflikt des Charakters den Dafoe spielt. Sieht man die Übertragung in eine Kunstform auch als einen Verstehensprozess, eine Möglichkeit des Verstehens, an, stellt ein Film wie Tomasso nicht zuletzt die Frage, wohin dieser Prozess führen kann, ob er einem Ruhe verschafft oder das eigene Ego massiert.

Credits

OT: „Tommaso“
Land: Italien, UK, USA
Jahr: 2019
Regie: Abel Ferrara
Drehbuch: Abel Ferrara
Musik: Joe Delia
Kamera: Peter Zeitlinger
Besetzung: Willem Dafoe, Anna Ferrara, Cristina Chiriac, Stella Mastrantonio, Alessandro Prato

Bilder

Interviews

Interview mit Regisseur Abel Ferrara
Interview mit Schauspielerin Cristina Chiriac

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„Tommaso und der Tanz der Geister“ ist ein schwieriger, weil ambivalenter Film über das Zusammenspiel von Kunst und Leben, das Ego des Künstlers und dessen Stellung innerhalb einer Beziehung, einer Familie und einer Gemeinschaft. Sensibel gespielt und inszeniert wird „Tommaso und der Tanz der Geister“ ohne Zweifel seine Bewunderer finden, aber auch viele Fragen im Kopf des Zuschauers zurücklassen, auf die scheinbar auch sein Macher keine Antworten weiß. Aber vielleicht ist es auch nicht Abel Ferraras Aufgabe, diese zu liefern.
8
von 10