Beast
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Beast

„Beast“ // Deutschland-Start: 25. Oktober 2019 (DVD/Blu-ray)

Inhalt / Kritik

Viele Jahre sind vergangen seit dem unschönen Vorfall an der Schule. Aber noch immer wirft Hilary (Geraldine James) ein wachsames Auge auf ihre Tochter Moll (Jessie Buckley), will um jeden Preis verhindern, dass etwas Ähnliches noch einmal passieren könnte. Unterricht zu Hause, strenge Regeln – all dem fügt sich Moll. Aber auch ihr reicht es irgendwann einmal. Und so verlässt sie ihre eigene Geburtstagsparty, schleicht sich klammheimlich davon, um lieber in einem Club die Nacht durchzutanzen. Als sie am nächsten Morgen der mysteriöse Pascal (Johnny Flynn) aus einer brenzligen Situation rettet, scheint endlich auch für sie einmal ein Traum wahr zu werden. Ihre Familie hat jedoch nur wenig übrig für den rauen Fremden, umso mehr, da gerade ein Serienmörder sein Unwesen treibt und Pascal dabei in Verdacht gerät.

Mit seinem Titel erinnert Michael Pearce sicherlich nicht zufällig an Die Schöne und das Biest, jenes oft verfilmte französische Märchen um eine hübsche junge Frau, die sich in ein vermeintliches Monster verliebt. Auch hier gibt es eine hübsche junge Frau. Eine aus gutem Haus. Dem gegenüber steht Pascal, der so aussieht, als würde er in einer Höhle wohnen, mit seinen dreckigen Fingernägeln und dem zotteligen Bart. Der in seiner Freizeit Kaninchen schießt, höchst illegal versteht sich, und als raue Naturgewalt einen ziemlichen Kontrast zu Molls piekfeiner Familie darstellt.

Der Abgrund hinter dem Klischee

Das Mädchen aus gutem Haus, das sich in den gutaussehenden, aber gefährlichen Rebell verliebt, das ist nicht gerade ein neues Szenario. Es kann sogar schnell altmodisch werden, wenn es die Protagonistin zu einer unbedarften Prinzessin reduziert, die als einzige – neben dem Publikum versteht sich – hinter die Fassade blicken kann. Liebe kennt schließlich keine sozialen Schranken, nur ein reines Herz sieht den Menschen für das, was er ist, nicht das, wo er herkommt. Dass die beiden Liebenden, die gegen alle Widerstände ankämpfen müssen, dabei in der Regel sehr gut aussehen, ist eine Ironie, die der romantisch veranlagten Zielgruppe meist recht egal ist.

Zumindest streckenweise scheint Beast, das letztes Jahr auf dem Toronto International Film Festival Weltpremiere feierte, dann auch all diese schönen Klischees zu bestätigen. Moll ist unterdrückt, Pascal unverstanden, Molls Familie ein hübsch zurecht gemachter Albtraum, der es sich in Konventionen, Heuchelei und jeder Menge Verachtung für das einfache Volk gemütlich gemacht hat. Und doch ist der Film anders, hat über die diversen Klischees hinaus jede Menge zu bieten, die ihn absolut sehenswert machen und noch auf viel hoffen lassen – sowohl für Pearce wie auch seine beiden Hauptdarsteller.

Von Zweifeln und brodelnder Wut

Zunächst wäre da die Frage: Was wenn Pascal wirklich der Mörder ist? Das scheint natürlich erst einmal undenkbar. Passend zu den Vorurteilen gegenüber dem Außenseiter wird ihm auch diese Geschichte nur angedichtet sein, Beast ist ein Film über eine Hetzjagd, die rein emotionale Gründe hat, keine empirischen – vergleichbar zu dem Missbrauchsdrama Die Jagd. Pearce streut aber immer wieder Zweifel, ob der Film hier den Normen folgt oder ob da nicht doch mehr dran ist an den Vorwürfen. Anzeichen für Grausamkeit und Brutalität, die zeigt der junge Mann schließlich von Anfang an. Spannung generiert der Beitrag vom Filmfest München 2018 aber nicht nur durch die Frage, wer der Mörder ist, sondern auch, wie Moll im Ernstfall reagieren würde. Schmutzige Fingernägel und einfache Klamotten zu akzeptieren ist das eine. Wenn Blut dran klebt, dem anderer junger Frauen zudem, das ist was anderes.

Und das ist der zweite interessante Punkt: Beast verzichtet nicht ohne Grund auf die „Beauty“ im Titel. Moll ist eben nicht das durch und durch liebreizende Engelchen, dessen blütenweißes Kleid jeglichen Schmutz von sich weist. Da ist Schmutz. Mehr noch, sie sucht den Schmutz sogar. Immer wieder suhlt sich das zwischen Genre und Thriller wechselnde Werk sogar darin, sucht die Abgründe, im übertragenen wie im wörtlichen Sinn. Beast gewinnt eine Sinnlichkeit, jenseits idyllischer Blumenwiesen und wärmender Sonnenstrahlen. Rau, erdig, dreckig – der ungeschönte Film erinnert an die der Kollegin Andrea Arnold (Wuthering Heights, American Honey). Nur dass hier eben kein Sozialporträt draus wird, sondern ein Genrebeitrag, der in seelischen Verliesen spielt. Ein Verlies jedoch, das nicht auf Dauer halten wird: Auch durch die intensiven Darstellungen von Buckley und insbesondere Flynn ist die Geschichte um ein junges Paar eine, unter deren Oberfläche es kräftig brodelt. Wo es nur eine Frage der Zeit ist, bevor die mühsam unterdrückte Wut sich ihren Weg nach draußen bahnt – mit unvorhersehbaren Folgen.

Credits

OT: „Beast“
Land: UK
Jahr: 2017
Regie: Michael Pearce
Drehbuch: Michael Pearce
Musik: Jim Williams
Besetzung: Johnny Flynn, Jessie Buckley, Geraldine James, Trystan Gravelle

Bilder

Trailer

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Beast
Fazit
Ein Mädchen aus gutem Haus verliebt sich in einen ausgestoßenen Rebellen mit Gewehr und schmutzigen Fingernägeln, da sollte alles klar sein. Ist es aber nicht. „Beast“ bezieht seine Spannung aus der Frage, ob der Außenseiter der gesuchte Serienmörder ist und ob ihre Liebe selbst dafür stark genug ist. Der zwischen Drama und Thriller wechselnde Film überzeugt dabei durch seine sinnlich-schmutzige Erdung und zwei intensive Darsteller, hinter deren schönen Fassaden eine unheimliche Wut brodelt.
7
von 10