Wuthering Heights

Wuthering Heights

(„Wuthering Heights“, directed by Andrea Arnold, 2011)

WUH.DVD_Inlay_RZ.inddEin junger Mann – farbig, gut gekleidet – schlägt verzweifelt auf eine Wand ein. Niemand spricht ein Wort, nur der Wind rauscht unablässig am Fenster vorbei, der Boden knarzt, ein kleiner Ast schlägt kurz gegen die Scheibe. An der Wand diverse Kinderzeichnungen. Und zwei Namen, die über allem thronen: Catherine und Heathcliff. Mit dieser ersten Szene gibt Regisseurin Andrea Arnold die Richtung vor, die sie mit ihrer Neuverfilmung von Wuthering Heights einschlägt: unspektakulär, rau, trostlos.

Arnold ist nicht die erste, die sich an dem Stoff versucht: Über ein Dutzend Mal wurde der gleichnamige, 1847 veröffentlichte Roman von Emily Brontë bereits für Kino oder Fernsehen adaptiert. Wie die meisten Fassungen konzentriert sich auch diese hier auf den ersten Teil des Buches, die tragische Liebe zwischen Catherine und Heathcliff. Dabei beginnt die Geschichte der Earnshaws gar nicht so schlecht. Zwar hat die Familie nur wenig Geld, aber auf dem Hochmoor von Yorkshire braucht es davon auch nicht viel. Was sie zum Leben brauchen, erwirtschaften sie selbst. Doch eines Tages bringt der Vater ein Findelkind mit, das er auf der Reise nach Liverpool von der Straße aufgelesen hat. Berührt von dessen Schicksal, nimmt der gutherzige Mann den dunkelhäutigen Jungen bei sich auf und tauft ihn auf den Namen Heathcliff.

Wuthering Heights Szene 1

Die Begeisterung in „Wuthering Heights“, so der Name des Farmhauses, hält sich jedoch in Grenzen. Vor allem der junge Earnshaw, Hindley, macht keinen Hehl aus seinem Hass dem Neuankömmling gegenüber. Auch die Mutter und das Personal sind nicht wirklich glücklich darüber, sich noch um einen weiteren Bewohner kümmern zu müssen. Nur eine findet Gefallen an dem exotischen, verschlossenen Jungen: die wilde, unzähmbare Tochter Catherine. So wird aus der anfänglichen Neugierde schnell Freundschaft, bis die beiden quasi Seelenverwandte sind. Nur heiraten will ihn die langsam zur Frau heranwachsende Catherine nicht und entscheidet sich stattdessen für den Nachbarsjungen Edgar: hübsch, aus gutem Haus, gebildet, langweilig. Als Heathcliff zudem mitanhören muss, wie seine Angebetete sich über seine mangelnde Kultiviertheit beklagt, rennt er davon. Jahre später kehrt er als gemachter Mann (James Howson) zu seiner großen Liebe (Kaya Scodelario) zurück und stürzt damit alle Beteiligten ins Unglück.

An dieser Stelle setzt im Buch der zweite Teil ein und erzählt die Geschichte der nächsten Generation, der Kinder von Heathcliff, Catherine und Hindley. Für die Hauptliebesgeschichte ist die Fortsetzung zwar ohne Belang. Dennoch ist es bedauerlich, dass sie auch hier unter den Tisch fällt, gibt sie doch Einblicke in den Charakter von Heathcliff. Was sich in seiner Kindheit nur andeutet, wird dort umso stärker sichtbar, wenn der gealterte Heathcliff seiner Grausamkeit freien Lauf lässt und an allen bittere Rache ausüben will, selbst an den Kindern. Von dieser dunklen Seite ist in Arnolds Version nur wenig zu spüren. Stattdessen lässt sie ihren Protagonisten stärker als Opfer erscheinen und mildert eine Besonderheit des Buches ab: Im Gegensatz zu anderen Liebesromanen aus dem 19. Jahrhundert, etwa denen von Jane Austen, gibt es in Wuthering Heights keine Helden. Tatsächlich war eine der häufigsten Vorwürfe zeitgenössischer Kritiker, wie wenig sympathisch fast alle Charaktere von Brontë ausfallen. Arnolds Interpretation ist hier dann doch zahmer ausgefallen, vielleicht um das Publikum nicht ganz zu verschrecken.Wuthering Heights Szene 2

Dafür wählt die Regisseurin, die 2003 für ihren Kurzfilm Wasp einen Oscar erhielt, in anderer Hinsicht einen unbequemen Weg. Auffällig etwa, dass die Engländerin – abgesehen vom Abspann – fast völlig auf den Einsatz von Musik verzichtet. Und auch gesprochen wird nicht allzu viel. Dafür pfeift einem so beständig der Wind um die Ohren, dass man das Gefühl hat, selbst die hügeligen Wege entlangzuwandern. Dazu passt auch, dass oft mit einer Handkamera gearbeitet wird und viele Darsteller unbekannt wenn nicht sogar unerfahren sind. Fast möchte man meinen, da hätte jemand das alte Dogma-95-Manifest wieder ausgegraben und entsprechend versucht, jeden Schnörkel aus der Geschichte zu exorzieren. Und das ist Arnold auch tatsächlich gelungen. Eine schöne Liebesgeschichte vor pittoresken Landschaftsaufnahmen à la Rosemunde Pilcher braucht hier keiner zu erwarten. Stattdessen nimmt uns Wuthering Heights mit auf eine trostlose Reise in die Tiefe unausgesprochener, menschlicher Gefühle, bei der die Protagonisten ebenso ungeschönt und rau sind wie die nordenglischen Moorlandschaften. Das mag nicht immer unterhaltsam sein, faszinierend ist es aber auf jeden Fall.

Wuthering Heights erscheint am 14. Februar auf DVD



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Wem Liebesgeschichten sonst zu kitschig sind, findet hier einen erfrischend unromantischen Gegenentwurf. Nicht ganz so abgründig wie die literarische Vorlage, sticht diese Verfilmung des Klassikers durch eine eigenwillige, betont realistische Inszenierung hervor.
6
von 10