Hercules
© Disney

(OT: „Hercules“, Regie: Ron Clements/John Musker, USA, 1997)

HerculesZeus mag der mächtigste aller griechischen Götter sein, doch beim Anblick seines neugeborenen Sohnes Hercules wird auch er ganz schwach. Sein Bruder Hades ist von dem Knirps jedoch sehr viel weniger angetan. Schließlich wurde ihm prophezeit, dass der Bengel in 18 Jahren seinen Plan zunichtemachen wird, die Herrschaft an sich zu reißen. Also tut der Herr der Unterwelt, was er tun muss: Er lässt den Jungen beseitigen. So ganz geht dieser Plan aber leider nicht auf. Zwar wird dem frisch entführten Kind mithilfe eines Tranks die Unsterblichkeit genommen, Hercules selbst überlebt den Angriff jedoch und wächst fortan bei menschlichen Adoptiveltern auf. Erst als junger Mann erfährt er von seiner wahren Herkunft und auch seiner Bestimmung: Wenn er es schafft, ein wahrer Held zu werden, dann darf er ins Land der Götter zurückkehren.

Das Problem bei großen Künstlern: Sie werden immer an dem gemessen, was sie zuvor getan haben, müssen sich oft mit hohen Erwartungen herumplagen. Und hoch durften die Erwartungen an das Regieduo Ron Clements und John Musker ja auch sein. Mit Arielle, die Meerjungfrau inszenierten sie den Film, der für die meisten die sogenannte Disney-Renaissance einleitete. Mit Aladdin schufen sie drei Jahre später einen der Höhepunkte dieser goldenen Periode. Da ihr gemeinsames Regiedebüt Basil, der große Mäusedetektiv zudem einer der unterschätzten Geheimtipps im Katalog des Mäuseimperiums war, durfte man schon gespannt sein, was sie für ihr viertes Werk bereithalten würden.

Geschichtsstunde ohne Geschichtsbezug
Das Ergebnis war schon ein klein wenig ernüchternd, obwohl es sich als Beschreibung gut anhörte. Nachdem Disney schon auf der ganzen Welt Sagen und Märchen geplündert hatte, war es aber auch wirklich an der Zeit gewesen, dass die Griechen mal an der Reihe waren. Dass die eigentliche Legende um den Halbgott Hercules mit der Vorlage nur noch wenig zu tun hatte, war keine wirkliche Überraschung. Schließlich hatte man sich bei den beiden vorangegangenen Zeichentrickfilmen Pocahontas und Der Glöckner von Notre Dame auch nicht zimperlich beim Umgang mit klassischen Stoffen gezeigt. Und auch die Entscheidung, lustige Sidekicks einzubauen sowie diverse Gesangseinlagen, dürfte niemanden erstaunt haben.

Aber das ist auch das Problem von Hercules: Es fehlt über das Szenario hinaus die zündende Idee, wie man den Film von den vielen anderen im Disney-Kanon hervorstechen lassen könnte. Am ehesten war es noch der Humor, der sich von dem der anderen Filme unterschied. Das alte Griechenland kombiniert aktuellen Popzitaten? Das kann man durchaus mal probieren. Allerdings hatte Aladdin das auch schon getan, mit deutlich besseren Witzen. Und das einige Jahre später veröffentlichte Ein Königreich für ein Lama trieb die Gaglastigkeit auf die Spitze – im Vergleich dazu sind die Versuche hier noch zu zaghaft, zu harmlos schäkernd. Schwierig ist zudem, dass zeitgenössische Anspielungen schnell veralten.

In die Jahre gekommen
Es ist aber nicht nur der Humor, der Hercules heute etwas altbacken aussehen lässt. Auch optisch sind die letzten zwanzig Jahre nicht sehr gnädig mit dem Animationsfilm umgegangen. Gerade die Computergrafiken, die hier sehr verstärkt zum Einsatz kamen, sind einfach nicht mehr zeitgemäß. Aber auch sonst glänzt der Film nicht unbedingt mit visuellen Leckerbissen. Der britische Cartoonist Gerald Scarfe wurde von Clements und Musker angeheuert, um den Designs seinen Stempel aufzudrücken. Letzten Endes ist es aber nur der aufbrausende Hades mit seinem eigenwilligen Haar, der zwar nicht sonderlich einschüchternd ist, aber doch tatsächlich in Erinnerung bleibt.

Das liegt auch an der guten Besetzung – zumindest im englischen Original. Schon vorher hatte Disney immer mal wieder auf prominente Sprecher vertraut, um die Figuren zum Leben zu erwecken. Das war manchmal verschwendet, siehe etwa Oliver & Co. Hier ging der Plan jedoch auf. James Woods als verschlagener Hades macht eine Menge Spaß, Danny DeVito als grummeliger Satyr Phil ebenso. Ansonsten sind Höhepunkte eher rar gesät. Selbst die Musik von dem üblichen Verdächtigen Alan Menken plätschert vor sich hin, ohne große Ohrwürmer hervorzubringen – trotz der ständigen Versuche, „Go the Distance“ als einen solchen zu verkleiden. Nett ist Hercules sicher, der eine oder andere witzige Einfall ist auch dabei. Pegasus hat beispielsweise einige unterhaltsame Auftritte. Angesichts des versammelten Talents und des hohen Tempos ist der Film dann aber doch überraschend langweilig.



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„Hercules“ halt sich eng an die bewährte Disney-Formel, versuchte dies durch mehr Humor und Computergrafiken jedoch zu verbergen. Beide sind inzwischen aber ziemlich veraltet und im Vergleich zu anderen Filmen der Ahnenreihe nur zweite Wahl. Was bleibt, ist ein netter Film, der in erster Linie von den prominenten Sprechern lebt.
6
von 10