Der Gloeckner von Notre Dame
© Disney

Der Glöckner von Notre Dame

(„The Hunchback of Notre-Dame“ directed by Gary Trousdale, Kirk Wise, 1996)

Der Gloeckner von Notre DameEinmal im Jahr darf in Paris kräftig gefeiert werden. Dann nämlich findet das Fest der Narren statt, farbenfroh, fröhlich, ausgelassen. Und offen für alle. Fast alle. Nur Quasimodo, der aufgrund seiner vielen Missbildungen zurückgezogen in der Kathedrale Notre Dame lebt, soll auf Weisung seines Gönners Richter Claude Frollo den Feierlichkeiten fernbleiben. Nicht einmal von seinem Glockenturm aus darf er das aus Sicht des Geistlichen sündige Treiben auf den Straßen verfolgen. Als er sich eines Tages dieser Weisung widersetzt und doch dem Fest einen Besuch abstattet, wird er zur Zielscheibe des Spotts. Allein die schöne Zigeunerin Esmeralda begegnet dem entstellten Mann mit Respekt und Freundschaft, woraufhin Quasimodo sich unsterblich in sie verliebt.

Adaptionen von Victor Hugos 1831 erschienenen Roman „Der Glöckner von Notre Dame“ hatte es bereits einige gegeben, als Disney sich 1996 des bekannten Stoffs annahm. Das allein sprach jedoch noch nicht dagegen, das Thema auch einmal in animierter Form aufzugreifen. Schließlich verstanden sich die Mäusekünstler wie kaum jemand anderes, altbekannte Geschichten aufzugreifen und daraus neue Klassiker zu machen. Siehe etwa die Märchenverfilmungen Schneewittchen und die sieben Zwerge und Dornröschen oder auch Alice im Wunderland, das in der Hand von Disney eine der besten Adaptionen überhaupt erfahren durfte.

Und doch durfte man etwas skeptisch sein, ob das düstere Buch des großen französischen Romanciers wirklich für einen Zeichentrickfilm geeignet war. Nicht nur dass ein kleiner, buckliger, überaus hässlicher Mann ein unpraktischer Protagonist für das Merchandisinggeschäft ist – wer mag ein solches Motiv schon auf Bettdecken oder Schulmäppchen haben? Der Inhalt war darüber hinaus für Kinder, und die sollten bei Disney ja primär angesprochen werden, dann doch eine ganze Ecke zu düster: verhängnisvolle Leidenschaften, Folter, Entführung, Todesstrafen, das sind nicht unbedingt Themen, die man dem eigenen Nachwuchs zumuten möchte.

Das wollte Disney auch nicht, veränderte dann auch erwartungsgemäß das Buch an vielen Stellen. Diverse Figuren wurden komplett entfernt, andere etwas idealisiert: Quasimodo, der im Original nicht vor Mord zurückschreckt, ist hier deutlich netter und weichherziger, die schüchterne Esmeralda darf ihre Quasimodo gegenüber unterkühlte Art ein paar Grad erwärmen, die Zigeuner werden zu Nebenhelden aufgewertet. Und dann wären da noch die berühmten Steinfiguren, welche im Buch nur im übertragenen Sinne Freunde des Buckligen waren und hier zur komischen Auflockerung tatsächlich zu Leben erwachen dürfen. Doch trotz der unbestreitbaren Verwässerung und Verniedlichung der Vorlage, es ist bemerkenswert, wie viel von den dunklen Tendenzen auch in der farbenfrohen Disney-Variante noch durchschimmert. Und auch dass Religion, sonst ein No-Go bei dem legendären Zeichentrickstudio, hier so prominent ist, unterscheidet Der Glöckner von Notre Dame von den sonstigen Werken der Amerikaner.

Der Spagat, der hier versucht wird, ist gleichzeitig aber auch tückisch, der Film schafft es nicht so ganz, seine einzelnen Tendenzen und Stimmungen richtig zu vereinen. Mit seinem Debüt Die Schöne und das Biest kann das Regieduo Gary Trousdale und Kirk Wise bei der zweiten Zusammenarbeit dann auch nicht mithalten. Das liegt neben der Uneinheitlichkeit an den weniger interessanten Charakteren, gerade die Steinfiguren halten den Vergleich mit den verzauberten, charismatischen Dienern des Biests nicht stand, deren komische Funktion sie hier übernehmen. Zu guter Letzt ist auch die Musik nicht ganz so eingängig. Unterhaltsam ist die Adaption aber schon, mal witzig, mal spannend, fordert zudem wie das Erstlingswerk auf, hinter die Fassade zu blicken. Dabei ist gerade die hier wieder sehr ansehnlich geworden. An den Animationen gibt es nichts zu mäkeln, die eindrucksvolle Kamerafahrt zu Beginn sorgt gleich zu Beginn für einen ersten Höhepunkt. Auch danach verwöhnen immer wieder sehr dynamische Szenen und ausgefeilte Szenerien, welche maßgeblich dazu beitragen, dass Der Glöckner von Notre Dame trotz der inhaltlichen Fragezeichen immerhin ein gutes Niveau erreicht.



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Mit der literarischen Vorlage hat die Disney-Version von „Der Glöckner von Notre Dame“ nur einige Motive gemeinsam: Die Figuren wurden geändert, vieles vereinfacht und verharmlost. Spaßig ist der Film trotz seiner Unausgeglichenheit aber, was auch an der sehr guten Optik liegt.
7
von 10