The Monster
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The Monster

(„The Monster“ directed by Bryan Bertino, 2016)

„The Monster“ ist seit 23. März 2017 auf DVD und Blu-ray erhältlich

Von Anfang an stand diese Fahrt unter keinem besonders guten Stern. Die alleinerziehende Mutter Kathy (Zoe Kazan) hat ihre liebe Mühe mit dem Aufstehen. Zu viel Alkohol. Mal wieder. Und dann geht es auch noch darum, ihre frühreife Tochter Lizzy (Ella Ballentine) zu deren Vater zu fahren, von dem sich Kathy hat scheiden lassen. Die ständigen Konflikte spielen bald aber schon keine wirklich Rolle mehr, als die beiden während des nächtlichen Trips einen Wolf anfahren. Das Auto ist kaputt, Kathy selbst hat sich an der Hand verletzt. Es hilft nichts, sie müssen auf Rettungsdienst und Abschleppwagen warten. Doch je mehr Zeit sie in dem Wald verbringen, umso stärker wird die Gewissheit, dass die zwei nicht die einzigen dort sind. Dass da etwas Böses umhergeht.

Kaum ein Ort bietet sich wohl mehr an für ein Spiel mit Angst und Terror als ein Wald. Abgelegen, dunkel, geheimnisvoll, unübersichtlich, das sind ideale Voraussetzungen, um unsere Urängste vor dem Unbekannten hervorzuholen. Entsprechend viele Beispiele von Horrorfilmen gibt es dann auch, die uns ins Dickicht ziehen und dort mit Ungeheuern allein lassen: vom Found-Footage-Klassiker The Blair Witch Project bis zum historischen Familienalptraum The Witch, von der launigen Werwolfmetzelei Howl bis zum schwedischen Serientipp Jordskott – Die Rache des Waldes. The Monster reiht sich da nahtlos ein, auch wenn wir vom Wald nicht wirklich viel zu sehen bekommen. So wie wir allgemein nicht viel zu sehen bekommen.

Von Streit und verstecktem Horror
Rund eine halbe Stunde dauert es, bis Regisseur und Drehbuchautor Bryan Bertino ein bisschen Gas gibt. Zuvor? Da wird eigentlich nur gestritten. Mal tun Mutter und Tochter das in der Gegenwart, mal mittels Flashbacks in der Vergangenheit. So manch einer wird sich bei den Fantasy Filmfest White Nights 2017, wo der Film das erste Mal gezeigt wurde, gefragt haben, wo denn nun das titelgebende Monster bleibt. Dass es da ist, daran besteht kein wirklicher Zweifel, der zerfleischte Wolf spricht Bände. Und ganz kurz sehen wir da auch etwas im Hintergrund, das im Schatten außerhalb des Blickwinkels herumschleicht. Lauert. Die Zähne fletscht. Und doch nichts macht.

Dass Bertino darauf verzichtet, seinen neuen Film gleich zu einem Duell mit dem Ungeheuer zu machen und stattdessen viel über die Figuren spricht, ist dabei Teil des Konzepts. The Monster kombiniert Creature Horror mit Familienhorror, die Abgründe im dunklen Wald gehen mit denen menschlicher Natur einher. An der Stelle erinnert der Film mitunter an seinen Verwandten Der Babadook, wo ebenfalls persönliche Tragik in grausamen Vorkommnissen endet. So wie dort ist hier nicht einmal wirklich klar, ob die blutige Begegnung real oder psychologisch ist. „Monster gibt es wirklich“, sagt Lizzy in einem gespenstischen Moment der Stille. Und lässt doch offen, ob sie sich auf die Waldkreatur oder das Familienleben bezieht, das von Alkohol und Gewalt geprägt war.

Langeweile durch Stillstand
Das ist grundsätzlich eine nette Variation eins bekannten Horrorzweigs, die zudem aus dem Zusammenspiel von Kazan (The F-Word – Von wegen nur gute Freunde!) und Ballentine viel Kraft gewinnt. Überforderte Mutter und unglückliche Tochter, voneinander entfremdet, im ständigen Streit, aber eben doch auch in echter Zuneigung zueinander, wie sich immer wieder zeigt. Wirklich spannend ist The Monster jedoch nicht. Stillstand wird zum Ziel erklärt, der Schauplatz versteift sich etwas gekünstelt auf das stehengebliebene Autowrack, lässt das Monster näherkommen, verschwinden, ohne dass dabei ein echtes Konzept zu erkennen wäre. Auch später, wenn der Film sich sein blutiges Herz packt und das Psychologische zugunsten der Körperlichkeit einmottet, scheint Bertino die Willkürlichkeit geradezu zu zelebrieren. Nichts ergibt hier mehr Sinn, nicht das Verhalten der Figuren, nicht deren räumliche Position. Der Alptraum geht weiter, ohne dass einem richtig einleuchten würde warum. Wird billiger. Plump. Und das ist schade. Schade um den gelungenen persönlichen Teil. Schade um eine Reihe schön stimmungsvoll-unheimlicher Einstellungen im regnerisch-dunklen Wald, die ausgerechnet mit dem Auftritt des Gegenspielers ihren Reiz verlieren.



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„The Monster“ kombiniert das persönliche Drama einer kaputten Familie mit Creature Horror. Das ist kraftvoll gespielt, teils schön bebildert, baut aber ausgerechnet dann stärker ab, wenn das Monster in Erscheinung tritt.
6
von 10