Make Mine Music
© Disney

Make Mine Music

(„Make Mine Music“ directed by Jack Kinney, Clyde Geronimi, Hamilton Luske, Joshua Meador, Robert Cormack, 1946)

Zu früh gefreut. 1946 war der Zweite Weltkrieg endlich vorbei, die Menschen kehrten nach Hause und konnten nach und nach ihr altes Leben wieder aufnehmen. Wer deshalb hoffte, die Mitarbeiter von Disney würden nun zu ihrer alten Größe zurückfinden, die sie in Meisterwerken wie Schneewittchen und die sieben Zwerge gezeigt hatten, der sah sich jedoch getäuscht. Nachdem schon Saludos Amigos und Drei Caballeros eher billig zusammengeschusterte Kurzfilmsammlungen waren, war Make Mine Music der dritte von sechs Episodenfilmen, welche die Amerikaner uns in den 40ern bescherten. Dieses Mal verzichtete man dann auch gleich ganz darauf, einen Rahmen wie die Südamerikareise mitzuliefern. Stattdessen besteht der achte abendfüllende Animationsfilm des Studios aus zehn mehr oder weniger modernen Musikstücken, die mit Zeichentricksequenzen visualisiert wurden.

Warum eigentlich nicht? Dass ein solches Unterfangen funktionieren kann, hatte Disney einige Jahre zuvor schon in Fantasia gezeigt, wo Musik und Bild zu einem atemberaubenden Kunstwerk fusionierten. Tatsächlich ist eine der zehn Sequenzen – Blue Bayou, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Lied von Roy Orbison – ein nicht genutztes Überbleibsel des Klassikers, welches jedoch für die Anthologie neu vertont wurde. Passend zu dem Titel sieht man einen Kranich, der nachts durch die Everglades fliegt. Das ist schön anzusehen, mit sentimentalen Klängen unterlegt und ein bisschen langweilig. So wie Make Mine Music insgesamt ein bisschen langweilig ist.

Ein paar kleinere Höhepunkte gibt es, beispielsweise eine Adaption von Sergei Prokofievs „Peter und der Wolf“. Dabei handelt es sich um eine der wenigen Sequenzen, in denen eine tatsächliche Geschichte erzählt wird. Die Optik ist ansprechend, die Figuren witzig nach Disney-Art gestaltet, die Musik ohnehin tadellos. Schade ist jedoch, dass man dem jungen Publikum nicht zu viel zumuten wollte und deshalb nicht nur die Geschichte etwas abänderte, sondern auch das dem Musikmärchen zugrundeliegende Konzept – einzelne Instrumente stehen für bestimmte Figuren – sowie den Verlauf etwas zu Tode erklären zu wollen.

Sehr viel tragischer ist hingegen die Schlussgeschichte, die für viele auch den krönenden Abschluss darstellt: In The Whale Who Wanted to Sing at the Met träumt ein musikalisch begabter Pottwal von einer Karriere bei der Oper. Tatsächlich macht sich auch ein Mann auf die Suche nach dem Tier, nachdem er von dessen Sangeskünsten gehört hat. Jedoch nicht aus den Gründen, die sich Wal Willie erhofft hatte. Sympathisch sind außerdem Johnnie Fedora and Alice Bluebonnet – die Geschichte zweier verliebter Hüte – und All the Cats Join in. In Letzterem wird erzählt, wie sich Teenager von ihrer Liebe zur Musik mitreißen lassen. Interessant dabei ist, dass Figuren, Objekte und Handlung in Echtzeit gezeichnet werden, ähnlich zu La Linea ein Bleistift das Sagen hat. Das ist schon sehr nett, auch wenn es nur schwer nachzuvollziehen ist, was genau an diesen Liedern die Teenager damals so begeistert haben soll.

Allgemein hat die Anthologie das Problem, dass die damals zeitgenössische Musik zu wenig für heutige Ohren zu bieten hat, was in Kombination mit den meist sehr sparsamen Handlungen für sehr viel Leerlauf sorgt – trotz bescheidener 75 Minuten Laufzeit. Da auch die surrealen Elemente, welche die beiden Vorgängeranthologien ausgezeichnet haben, sowie die beliebten Disney-Figuren fehlen, ist das Werk nicht zu Unrecht bei vielen in Vergessenheit geraten. Für die beiden oben genannten Segmente allein lohnt sich zumindest für Sammler der Episodenfilm. Die müssen dafür aber den Importhändler ihres Vertrauens bemühen: Make Mine Music ist bis heute nicht in Deutschland erhältlich. Immerhin ist der UK-Import relativ günstig und enthält im Gegensatz zur US-Fassung auch The Martins and the Coys, die Geschichte einer Familienfehde, die aufgrund der verwendeten Waffen amerikanischen Kindern wohl im Vergleich zum altmodischen Rest nicht mehr zumutbar wäre.



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Die dritte aufeinanderfolgende Anthologie von Disney verabschiedete sich zwar von dem verbrauchten Südamerika-Rahmen der beiden Vorgängerinnen, ist dadurch aber nicht wirklich besser. Einige wenige Höhepunkte sind auf „Make Mine Music“ zu finden, dazwischen aber auch aufgrund fehlender Geschichten und langweiliger Musik viel Leerlauf.
5
von 10