Nomaden des Himmels
© Neue Visionen

Nomaden des Himmels

(„Sutak“ directed by Mirlan Abdykalykov, 2015)

nomaden-des-himmels-dvd
„Nomaden des Himmels“ ist seit 14. Oktober auf DVD erhältlich

Im Haus von Tabyldy (Tabyldy Aktanov) werden Traditionen noch groß geschrieben – sofern man denn von einem Haus reden kann. Als Nomaden leben er und seine Frau Karachach (Anar Nazarkulova) in den Bergschluchten des ländlichen Kirgisistan. Und auch Schwiegertochter Shaiyr (Taalaikan Abazova) sowie deren siebenjähriger Tochter Umsunai (Jibek Baktybekova) gehören seit dem tragischen Tod des Sohns zur Familie. Wenn es nach dem Oberhaupt ginge, es solle auch ruhig dabeibleiben. Es ist daher mit Sorge, dass die beiden beobachten, wie sich Shaiyr dem Meteorologen Ermek (Jenish Kangeldiev) nähert. Was wenn sie mit der Enkelin fortgeht? Als dann auch noch Ulan (Myrza Subanbekov), der älteste Sohn der Familie, zu Besuch ist und von dem Leben in der Stadt schwärmt, droht die Gemeinschaft endgültig auseinanderzubrechen.

Konflikte zwischen den ältesten Mitgliedern einer Familie und den jüngsten, ein Wettstreit zwischen überlieferten Traditionen und modernen Möglichkeiten – das sind Themen, die recht unabhängig von der konkreten Familiensituation gut funktionieren. Der kirgisische Film Nomaden des Himmels erzählt daher auch keine wirklich neue oder ungewöhnliche Geschichte, eigentlich dürfte sich fast jeder in den internen Rangeleien wiederfinden. Wer hat schließlich nicht schon mal gedacht, dass so manche Überzeugung von Papa und Mama von der Realität überholt wurde?

Interessanter ist daher, was das zentralasiatische Drama anders macht als die vielen thematisch ähnlichen Kollegen. Da wären zum einen die folkloristischen Elemente. So findet Umsunai beispielsweise Trost in dem Gedanken, dass ihr viel zu jung gestorbener Vater nun als Adler weiterlebt und hoch in den Lüften über sie wacht. Allgemein hat man den Eindruck, dass viele spirituelle Überzeugungen aus der Vorzeit noch immer in den Köpfen und Herzen der Menschen verwurzelt sind, teils ohne dass ihnen das bewusst ist.

Das zweite große Alleinstellungsmerkmal von Nomaden des Himmels sind die Bilder. Wie aus einer anderen Welt wirken sie manchmal, die Berglandschaften Kirgistans, unentdeckt von den Menschen. Ursprünglich. Und doch schleichen sich immer mal wieder Vorboten an den Rand der Aufnahmen, dass dieses Paradies keins von Dauer ist, dass die Baufahrzeuge längst angerückt sind, um Land und Vergangenheit unter sich zu begraben. Mit einer gewissen Wehmut ist das sicherlich verbunden, auch wenn es der Film vermeidet, allzu sehr auf das Überlieferte pochen zu wollen. Allein schon das nicht unbedingt immer freundliche Wesen von Karachach sorgt dafür, dass man jeglicher Verklärung ein wenig skeptisch gegenüber steht.

Ansonsten aber sind die Figuren relativ unauffällig. Sie erfüllen vielmehr Funktionen innerhalb der Geschichte, anstatt große Charaktere zu sein. Aber darum ging es hier offensichtlich auch nicht, ebenso wenig kann Nomaden des Himmels durch viel Handlung glänzen. Auf die Situation als solche und die Atmosphäre kommt es an, beides wird in einer stoischen Ruhe zelebriert, ohne dass dabei ein Höhepunkt anvisiert wäre. Streckenweise ist das dann tatsächlich sehr sehenswert, hin und wieder strapaziert der oft nur implizierte Konflikt aber auch die Geduld – trotz der überschaubaren Laufzeit von nicht einmal 80 Minuten. Ein Fall für die Massen ist das sicher nicht, dafür aber für die Freunde von Generationenkonflikten mit einem leicht exotischen Einschlag.



(Anzeige)

Traditionen bewahren oder Neues ausprobieren? Das ist bei „Nomaden des Himmels“ nicht ganz erkennbar, der Film begnügt sich mit dem Darstellen der Situation. Das ist streckenweise sehenswert, gerade auch der tollen Landschaftsaufnahmen und der exotischen Elemente wegen, streckenweise aber auch etwas arm an Inhalt.
6
von 10