Mein Heimatland Japan
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Mein Heimatland Japan

(„Furusato Japan“ directed by Akio Nishizawa, 2007)

mein-heimatland-japanZehn Jahre sind seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bereits vergangen, aber noch immer sind die Folgen zu spüren. Auf der einen Seite erholt sich das Land spürbar, immer mehr Menschen können an den neuen technischen Errungenschaften und dem Wohlstand teilhaben. Ebenso vielen bleibt dies jedoch noch verwehrt. Die Yanagisawas beispielsweise sparen eisern auf ein eigenes Telefon, schaffen es mit der Arbeit als Schreiner gerade mal, über die Runden zu kommen. Und auch die Freunde von Sohn Akira sind nicht wirklich üppig mit Geld ausgestattet, weshalb sie immer mal wieder bei den Läden in ihrer Umgebung Sachen mitgehen lassen. Währenddessen tut die neue Lehrerin Rieko Sakamoto alles dafür, den Wunsch ihres verstorbenen Bruders zu erfüllen und mit ihrer Klasse bei einem Chorwettbewerb aufzutreten.

Japanische Dramen neigen zuweilen ja ein wenig dazu, ein bisschen dick aufzutragen, besonders solche im Animebereich. Da wird lieber noch eine tragische Wendung eingebaut oder eine traumatische Vergangenheit, damit auch ja kein Zuschauer ohne Träne nach Hause geht. Mein Heimatland Japan ist da eine wohltuende Ausnahme. Nicht dass man hier nicht auch zwischendurch ein klein wenig überflüssig die Daumenschrauben anzieht, insgesamt ist der Anime aber so zurückhaltend und betont alltäglich, dass es ein bisschen schade ist, wenn er in Foren so selten genannt wird.

Das dürfte nicht zuletzt auch daran liegen, dass der Film mit keinen bekannten Namen protzen kann. Regisseur und Drehbuchautor Akio Nishizawa hat außer an Mein Heimatland Japan nur zwei weitere Animes inszeniert, die außerhalb Japans fast gar nicht zu bekommen sind. Und auch wenn das Animationsstudio Wao World bei sehr sehr vielen Produktionen beteiligt war, darunter beispielsweise Puella Magi Madoka Magica, Bleach und Fullmetal Alchemist, so doch immer nur als Unterstützer, ohne jemandem dadurch also auffallen zu können. Dass sie selbst nicht talentlos sind, das stellen sie dann hier unter Beweis. Sonderlich viele Effekte sollte man nicht erwarten, auch die Animationen sind eher unauffällig. Dafür gelingt es ihnen ganz gut, das Nachkriegsjapan abzubilden: Die Hintergründe gefallen ebenso wie die realistisch gehaltenen Designs der Figuren.

Um Realismus geht es Nishizawa dann auch hier, der bei Mein Heimatland Japan eigene Erfahrungen aus dieser Zeit verarbeitet. Eine spannende Zeit, in der Japan noch dabei ist, sich selbst zu finden, nach Wegen zu suchen, die neue Realität mit alten Traditionen in Einklang zu bringen. Am schönsten findet sich das in einer Rede zum Ende hin wieder, in der zwischen „Nihon“, dem eigenen Namen für das Land, und „Japan“, dem Namen im Rest der Welt unterschieden wird. Aber auch vorher spürt man immer wieder diese Sehnsucht nach Identität und wendet sich dafür der Vergangenheit zu: Sünden werden am Altar der Vorfahren gebeichtet, der Chor singt ausschließlich alte japanische Volkslieder.

Der Musikteil nimmt zum Ende hin auch ein wenig Überhand, sobald wir uns dem besagten Wettbewerb nähern. Dass dort gesungen würde, ist klar. Dass die Handlung aber weitestgehend für einen beträchtlichen Zeitraum eingestellt wird, macht den Film für Menschen, die den sehr gefühlsbetonten Liedern nicht viel abgewinnen können, jedoch auf den letzten Metern zu einem ziemlichen Geduldsspiel. Sehr viel interessanter sind da die universellen Momente, die während der vorangegangenen 90 Minuten zur Genüge vorhanden sind. Momente, die von dem Alltag damals handeln, aber auch dem Aufwachsen grundsätzlich. An diesen Stellen ähnelt Mein Heimatland Japan dann auch Der Mohnblumenberg, der ebenfalls Coming-of-Age-Geschichten im Japan der 50er erzählt. Ganz kann es Nishizawas Version nicht damit aufnehmen, da war die der Kollegen von Studio Ghibli doch in sich balancierter und stärker charakterbezogen, von der umwerfenden Optik ganz zu schweigen. Für sich genommen ist aber auch Mein Heimatland Japan ein empfehlenswerter Titel für die Freunde leiser Geschichten, vor allem aber Zuschauer, die sich ein wenig für die Geschichte Japans interessieren.



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Das alte Japan ist vorbei, was wird aber das neue bringen? „Mein Heimatland Japan“ erzählt aus dem Alltag mehrerer Schüler und ihrer Lehrerin in den 50ern, die noch hin und her gerissen sind zwischen Tradition und Moderne. Das ist gerade für geschichtlich Interessierte empfehlenswert, aber auch Freunde leiser Geschichten werden an dem optisch gelungenen Werk ihre Freude haben. Zum Ende hin verliert sich der Film jedoch in einem etwas ausufernden Musikteil voller Volkslieder.
7
von 10