Summer Wars
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(„Summer Wars“ directed by Mamoru Hosoda, 2009)Summer Wars

Nachdem wir letzte Woche in A Cat in Paris ein wenig nostalgischer werden durften, geht es in Teil 88 unseres fortlaufenden Animationsspecials futuristischer zu. Wobei die Zukunft vielleicht schon viel näher ist, als wir es in dem Fall gerne hätten.

Alles würde Kenji für seine Schulfreundin Natsuki tun. Oder besser: fast alles. Was sich zunächst wie ein Traum anhört – mit seinem Schwarm im Sommer aufs Land fahren, um für sie irgendeine Arbeit zu erledigen –, ist am Ende dann doch ein bisschen viel für ihn. Als ihr fester Freund soll er sich ausgeben, auch noch einer mit einem beeindruckenden Lebenslauf, um die Großfamilie von Natsuki zu beeindrucken, die sich anlässlich des 90. Geburtstages der Großmutter dort trifft. Für einen schüchternen Jungen wie Kenji keine einfache Aufgabe, zumal er dabei mitten in einen fetten Familienstreit platzt. Doch all das wird sowieso bald nebensächlich, als ein Unbekannter anfängt, in der virtuellen Welt Oz immer mehr Avatare in sich aufzunehmen und auf diese Weise auch Macht über die reale Welt gewinnt.

Dass in High-Tech-Land Japan viele Technikskeptiker daheim sind, ist Animefans längst bekannt, einige der größten Titel aus dem Bereich der japanischen Zeichentrickkunst (Akira, Ghost in the Shell) konfrontierten uns mit düsteren Bildern aus der Zukunft. Summer Wars schielte 2009 nicht ganz so weit voraus, nahm sich vielmehr eines deutlich aktuelleren Themas an: das Internet. Auch da gab es zuvor bereits Vorreiter, allen voran Serial Experiments Lain, in dem ein Schulmädchen die virtuelle Welt des Wired erkundete. Während es dort jedoch um ein langsames Abtauchen in eine gefährliche Parallelexistenz ging, ist das hier alles bunter, schneller und nicht grundsätzlich verkehrt.

Zunächst einmal zeigen uns Regisseur Mamoru Hosoda und Drehbuchautor Satoko Okudera, die zuvor schon in Das Mädchen, das durch die Zeit sprang zusammengearbeitet hatten, dass so ein virtuelles Leben durchaus seine praktischen Seiten hat. Hier ist alles mit jedem verknüpft, über das Netz lässt sich jeder Bereich des Alltags regeln. Aber eben auch manipulieren. Die Warnung vor den weitreichenden Möglichkeiten einer alles durchdringenden Technik wird noch verstärkt durch den Kontrast mit Natsukis ahnenreicher Familie, die trotz ständiger Streitereien im entscheidenden Moment zusammenhält. So schön die neue Welt der virtuellen Vernetzung ist, entscheidend sind dann doch die im realen Leben – so die Moral von Summer Wars.

Das ist zwar eine recht konventionelle Nachricht, die der Anime seiner eher im jüngeren Bereich angesiedelten Zielgruppe mit auf den Weg gibt. Aber sie ist gut erzählt, gerade auch weil der parallele Handlungsstrang um die Familienfeier völlig losgelöst von den Ereignissen im Internet funktioniert. Man hätte auch einen ganzen Film nur über die Beziehungen der einzelnen Charaktere drehen können. Und der wäre vermutlich nicht minder sehenswert ausgefallen, da hier schön die Balance zwischen komischen und tragischen Momenten gehalten wird. Manchmal wünscht man sich sogar, noch mehr über die Leute zu erfahren: Hier laufen so viele herum, dass man die einzelnen Zugehörigkeiten bis zum Schluss kaum verstanden hat. Außerdem werden die Konflikte ein bisschen sehr schnell gelöst, da hatte es Summer Wars dann doch ziemlich eilig.

Andererseits: Wirklich missen mag man auch die zahlreichen Ausflüge ins Internet nicht, gerade auch der dort gezeigten visuellen Kreativität wegen. Während die reale Welt von dem Traditionsstudio Madhouse (Robotic Angel, Millennium Actress) auf einem gewohnt guten Niveau gestaltet wurde, sind es das von Digital Frontier (Appleseed, Tekken: Blood Vengeance) kreierte Oz und dessen Avatare, die einem mit abwechslungsreichen Designs und knalligen Farben ins Auge springen. Nachteil der psychedelischen Comicbilder ist, dass die Bedrohung, die von dieser Welt ausgeht, teilweise kaum spürbar ist, auch hier wollte man wohl dem jüngeren Publikum entgegenkommen. Richtig spannend ist der Beitrag der Fantasy Filmfest Nights 2010 dann auch weniger, unterhaltsam dafür schon, bietet eine kurzweilige, sehr ungewöhnliche Mischung verschiedener Genres, die zum Schluss auch zu Herzen geht.



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In „Summer Wars“ prallt eine ahnenreiche Großfamilie auf Gefahren aus der virtuellen Welt. Der Kontrast ist reizvoll, der Film insgesamt auch kurzweilig, auch wenn die zugrundeliegende Nachricht dann doch recht konventionell ist und durch die beiden Parallelhandlungen manches ein bisschen schnell gehen muss.
7
von 10