Akira

Kritik Lorenz Mutschlechner

AkiraEndlich lief das Kult-Anime aus den 80ern auch auf meinem DVD-Player. Ich kannte bereits das Manga von Katsuhiro Ôtomo und wusste von daher auf was ich mich einlasse. Ebenfalls war mir von Anfang an klar, dass es unmöglich sein dürfte, das gesamte Manga in nur 120 Minuten Laufzeit auf die Leinwand zu bringen. Da der Regisseur und Autor aber dieselbe Person sind, sah ich da keine größeren Probleme und das hat sich jetzt auch bestätigt.

Der japanische Film kommt mit vielen Farben, tollen Animationen und fetten Sound daher. Wegweisend für die jetzigen Animationsfilme aus Fernost soll dieser Streifen gewesen sein, was man ihm auch in jeder Sekunde anmerkt. Die Story ist dabei nicht unbedingt leicht wiederzugeben.

Angesiedelt im neu erbauten Neo Tokyo des Jahres 2019 – nachdem das Alte im 3. Weltkrieg komplett zerstört wurde – erzählt der Streifen von einer Bande jugendlicher Motorradfahrer. Kaneda, ihr Anführer, und Tetsuo, sein jüngerer Schützling, geraten bei einem Straßenrennen mit der gegnerischen Bande, den Clowns, in die Off-Limit-Zone der japanischen Hauptstadt. Das Militär hat nämlich rund um das olympische Stadion die Gegend abgeriegelt. Als dann Tetsuo von den Behörden sofort verschleppt wird und der Rest der Gang bei der Polizei landet, betritt die hübsche Kei die Bühne. Sie ist Anhängerin einer revolutionären Gruppe, die die Geheimnisse der Regierung aufdecken will. In der Tat sind sich mehrere Leute einig, dass die Führungselite etwas verschweigt und sich hinter dem mysteriösen Namen Akira, etwas Mächtiges verbirgt. Aus diesem Mysterium bildeten sich sogar schon Akira-Sekten, die auf ihren Messias und den unweigerlichen Weltuntergang warten. Kaneda versucht in der Zwischenzeit mit Kei den armen Tetsuo wiederzufinden, doch als sie in einen geheimen, unterirdischen Militärkomplex vordringen, erfahren sie was es mit Akira wirklich auf sich hat…

Es ist sinnlos lange drumherum zu reden: Der Film ist einfach ein Muss, vor allem für Animation-Fans. Ein Meilenstein der bewegten Zeichnungen, bei dem sogar schon Computereffekte verwendet wurden. Der Film ist durch und durch Science Fiction, doch auch Anhänger anderer Genres werden ihren Spaß daran haben.

Katsuhiro Ôtomo greift diverse gesellschaftliche Probleme auf und gibt in einem Interview zu, vor allem von amerikanischen Filmen aus den 70er Jahren inspiriert worden zu sein. Wer gefallen am Anime findet, sollte mit dem Gedanken spielen sich die Manga-Reihe zu besorgen, da diese mehr Details und Charaktere bietet.

Kritik Oliver Armknecht

Akira Blu-ray31 Jahre sind vergangen seit Tokio in einer gewaltigen Explosion zerstört wurde und damit der dritte Weltkrieg eingeleitet wurde. Jetzt, 2019, wurde die Stadt zwar längst wieder aufgebaut, doch für die Bewohner von Neo-Tokio ist damit keine Normalität eingekehrt. Unruhen, gewalttätige Aufstände, eine gewisse Sehnsucht nach dem Weltuntergang – die Metropole ist zu einem finsteren Ort geworden. Wenn es für Shôtarô Kaneda und Tetsuo Shima Zerstreuung gibt, dann in Form von Kämpfen mit befeindeten Gangs, Motorradrennen und Frauen. Als sie eines Nachts auf einen weißhaarigen Jungen mit übernatürlichen Kräften stoßen, der vom Militär gesucht wird, nimmt das Schicksal seinen Lauf. Denn auch Tetsuo entwickelt daraufhin seltsame Kräfte und wird nun selbst zu einer Bedrohung für die Menschen.

Noch bevor Studio Ghibli zum Inbegriff anspruchsvoller Anime wurde, zeigte Akira, dass japanische Zeichentrickfilme sich nicht zwangsweise um Schulmädchen mit Kulleraugen, knuffige Monster und grenzdebilen Humor drehen müssen. Zu lachen gibt es bei Katsuhiro Ôtomos Langfilmdebüt nämlich kaum etwas. Vielmehr zeigt er eine dystopische Version Japans, die abgesehen von den allgegenwärtigen Neonschildern kaum mehr wiederzuerkennen ist. Alles ist verkommen, düster, eine Mischung aus High-Tech und Slums. Unterstützt wird die beklemmende Stimmung, indem Akira überwiegend in Gebäuden oder nachts spielt. Sonnenschein? Natur? Beides scheint es in Ôtomos Welt nicht mehr zu geben.

Es sind aber nicht nur die Schauplätze, auch der Zuschauer bleibt hier überwiegend im Dunkeln. Das Szenario wird nur knapp angerissen, wer anschließend nach Erklärungen sucht, muss das selbst tun. Teils ist diese Undurchdringlichkeit beabsichtigt – hier wird vieles für eine mysteriöse Grundstimmung getan –, teils eher notwendiges Übel. Als Ôtomo 1988 seinen gleichnamigen Manga verfilmte, war dieser bereits sehr umfangreich und auch bei weitem noch nicht abgeschlossen. Mehr als ein Streifzug durch sein Magnum Opus war deshalb bei einer Laufzeit von zwei Stunden auch nicht möglich.

Und das merkt man: An vielen Stellen hat man das Gefühl, nicht wirklich alles erfahren zu haben und nur ein bisschen an der Oberfläche gekratzt zu haben. Statt zwischendurch mal in die Tiefe zu gehen und Hintergründe zu verraten, besteht Akira zum Großteil aus Szenen, die mal actionlastig, dann wieder bizwarr-surreal sind. Das ist atmosphärisch großartig, inhaltlich des Öfteren aber auch unbefriedigend.

Von der Inszenierung lässt sich Letzteres aber zu keiner Zeit behaupten. Die Optik setzt Ende der 80er Jahre Maßstäbe und muss sich mehr als 25 Jahre später kaum hinter aktuellen Produktionen verstecken. Die Animationen sich absolut geschmeidig, das Art Design brillant, selbst die gelegentlichen Computereffekte wurden sehr geschickt integriert. Und doch wäre die Inszenierung nur halb so eindrucksvoll ohne den legendären Soundtrack von Shoji Yamashiro, der futuristische Synthesizerklänge mit traditionellen Instrumenten wie Trommeln und Glocken kombinierte, dazu wortlose Choräle. Wenn Akira heute neben Ghost in the Shell und Neon Genesis Evangelion zu den größten Meilensteinen im Bereich Science-Fiction-Anime gezählt wird, dann auch für seine außergewöhnliche audio-visuelle Umsetzung. Wer diese noch nicht selbst erlebt hat, sollte die kürzlich veröffentliche Blu-ray zum Anlass nehmen, diese Wissenslücke zu schließen und den Beitrag vom Fantasy Filmfest 1991 näher kennenzulernen.

Ähnlich einflussreich waren Ôtomos andere Ausflüge in die Welt der bewegten Bilder nicht, was aber auch mit dem überschaubaren Output zusammenhängt. Sein anderer großer Mangaklassiker „Das Selbstmordparadies“ wurde nie verfilmt, lange Zeit beschränkte sich das Angebot auf diverse Kurzfilmsammlungen, von denen mit Manie Manie und Memories auch nur zwei ihren Weg nach Deutschland fanden. Lediglich ein weiteres Mal wagte sich der Japaner an einen animierten Langfilm, und der fiel mit Steamboy auch noch recht ernüchternd aus.

Deutlich gelungener sind seine Beiträge als Drehbuchautor, sowohl Roujin Z als auch Robotic Angel sind absolut empfehlenswert. Wer will und nicht vor Importen zurückschreckt, kann sich auch an seinen beiden Ausflügen in die Realfilmwelt versuchen, denn die können immerhin mit großen Namen aufwarten: World Apartment Horror basiert auf einer Geschichte von Satoshi Kon, Mushi-Shi hat wie die gleichnamige Kultserie den Manga von Yuki Urushibara zur Grundlage. Und wer weiß, vielleicht finden ja auch die Pläne zu einer Realversion von Akira doch noch ein glückliches Ende – auch wenn sich diese schon sehr anstrengen müsste, um dem Anime gerecht zu werden.

Credits

OT: „Akira“
Land: Japan
Jahr: 1988
Regie: Katsuhiro Otomo
Drehbuch: Katsuhiro Otomo, Izo Hashimoto
Vorlage: Katsuhiro Otomo
Musik: Shōji Yamashiro
Animation: Tokyo Movie Shinsha

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Der Science-Fiction-Klassiker "Akira" ist bis heute ein Beispiel herausragender Animationskunst. Inhaltlich musste die Mangaverfilmung zwar deutlich Federn lassen und ist auch nicht immer befriedigend. Doch allein für die audiovisuelle Umsetzung lohnt sich der Animemeilenstein noch immer.
8
von 10