Killer Joe
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Killer Joe

(„Killer Joe“ directed by William Friedkin, 2011)

Killer JoeDie ganz großen Gefühle einen den 22-jährigen Chris (Emile Hirsch) und seine Mutter sicher nicht. Als diese ihm auch noch Drogen klaut und er beim örtlichen Gangster in der Kreide steht, greift er zu verzweifelten Mitteln: Er heuert den Auftragsmörder Joe (Matthew McConaughey) an, um sie umzubringen und so an deren Lebensversicherung zu kommen. Problem nur: Er hat das notwendige Geld für die Voranzahlung nicht. Doch der Killer macht eine Ausnahme, wenn ihm Chris seine ebenso hübsche wie naive Schwester Dottie (Juno Temple) als Pfand lässt, will er auf seine üblichen Konditionen verzichten. Ganz wohl ist Chris nicht bei der Sache, lässt sich aber wohl oder übel auf den Deal ein.

Ob er nun als Wissenschaftler durchs All düst (Interstellar), als Stripclubbesitzer die Hüllen fallen lässt (Magic Mike), den abgehalfterten Expolizisten gibt (True Detective) oder sich für die Rolle eines Aidskranken bis zur Unkenntlichkeit runterhungert (Dallas Buyers Club), kaum ein Schauspieler zeigt derzeit eine ähnlich große Wandelbarkeit wie Matthew McConaughey. Doch mit keinem Film rüttelte er wohl mehr an seinem Image als hübsch anzusehendes Schauspielleichtgewicht als mit Killer Joe, 2011 einer seiner ersten Versuche, sich als Charakterdarsteller zu beweisen. Denn hinter der ansprechenden Fassade wartet ein brutaler, eiskalter und zuweilen sadistischer Alptraum.

Sicher zählen Auftragsmörder allgemein eher selten zu den Sympathieträgern eines Films, doch auch innerhalb dieses Metiers gehört er – gerade zum Ende hin – zu den verstörendsten Vertretern. „Dein Blick tut weh“, sagt Dottie irgendwann zu ihm, die einzige Figur in Killer Joe, der eine positive Zeichnung vergönnt ist. Der Rest der Sippe? Weltfremd, schwach, egoistisch, rücksichtlos, gierig. Dass der Umgang hier nicht besonders liebevoll ist, wäre noch wohlwollend formuliert, streckenweise wird es so hart und abstoßend, dass man gar nicht weiß, für wen man hier eigentlich Partei ergreifen soll. Sofern man das hier überhaupt noch will. Die Grenzen verlaufen hier also nicht zwischen gut und böse, man hat hier höchstens die schwierige Aufgabe, das kleinste Übel zu suchen.

Während die Ausflüge in die Welt des White Trashs schauerlich-faszinierende Anblicke mit sich bringen, ist der eigentliche Inhalt weit weniger aufregend. Actionszenen gibt es fast keine, Handlung ebenso wenig, ein Großteil des Films besteht aus Dialogen – was sich auch daran erklärt, dass der Thriller auf einem Theaterstück basiert. Genauer verfilmte Regieurgestein William Friedkin (French Connection, Der Exorzist) das gleichnamige Werk von Tracy Letts. Und diese Quellen kann der Thriller kaum verbergen, dem es mehr auf seine Charaktere und dessen Interaktionen ankommt, als auf das Geschehen. Aus diesem Grund muss man beim Beitrag des 2012er Fantasy Filmfests auch schon ein wenig Geduld mitbringen, bis dieser einmal in die Gänge kommt; für einen Film, dessen Titelfigur ein Auftragsmörder ist, hält sich die Spannung dann doch etwas in Grenzen.

Überhaupt sind Erwartungen hier ein wenig dafür da, enttäuscht zu werden, denn ist Killer Joe ist allgemein recht uneinheitlich: Größtenteils im Thrillergenre angesiedelt, ist der Film auch Familientragödie und Unterschichtsatire – mal nacheinander, mal gleichzeitig. Das ist durchaus spaßig und wird durch die konsequent düstere und menschenverachtende Atmosphäre einigermaßen zusammengehalten. Dennoch wird man immer wieder etwas aus dem Fluss gerissen, weil man einige Zeit damit verbringt, sich zu fragen, was hier jetzt eigentlich ernst gemeint ist, die man eigentlich lieber fürs Mitfiebern aufbringen würde. Doch auch wenn Killer Joe vielleicht etwas unbefriedigend ist – angesichts der großartigen Darsteller und vereinzelt unglaublicher Einfälle –, gerade wer bei Filmen gerne einmal in den Abgrund schaut, der findet hier so einiges in der Finsternis funkeln. Zumindest für die deutschen Jugendschützer tummelte sich da auch etwas zu viel Abscheuliches, weshalb der Film nur wenige Monate nach Erscheinen bereits auf dem Index stand. Ganz so schlimm, wie es sich anhört, ist der Streifen jedoch gar nicht, da waren andere deutlich brutaler, allzu empfindlich sollte man dennoch nicht sein.



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Vorsicht, Familie! Die Geschichte um einen Auftragsmörder, der eine Mutter um die Ecke bringen soll, besticht durch seine vielen kaputten und großartig gespielten Figuren sowie die konsequent düstere Atmosphäre. Spannend ist „Killer Joe“ jedoch weniger, insgesamt auch etwas zu uneinheitlich.
7
von 10