Lieb mich 4
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Lieb mich! – Gay Shorts 4

(„Lieb mich! – Gay Shorts 4“ directed by various, 2014)

Lieb mich 4J eder fängt mal klein an: Was für Wissenschaftler, Sportler und Unternehmensberater gilt, das gilt natürlich auch für Regisseure. Kaum einer, der nicht mit Kurzfilmen seine ersten künstlerischen Versuche startete. Und warum auch nicht? Nicht nur, dass sie günstiger zu produzieren sind, sie bieten zudem den Raum für Experimente und neue Wege, was bei Spielfilmen aufgrund des Erfolgsdrucks so oft nicht geht.

Mehrere solcher Kurzfilme in einer DVD zu sammeln, kann für den Zuschauer dann sehr aufregend sein, sieht man hier doch im Idealfall eigenwillige Gehversuche und unterschiedliche Herangehensweisen. Manchmal aber auch wenig befriedigend, wenn den Nachwuchsregisseuren die zündenden Ideen fehlen. Lieb mich! – Gay Shorts 4 ist ein solcher Fall.

Dabei ist es nicht einmal so, dass den sieben Kurzfilmen an Abwechslung fehlt. Sie alle haben zwar im weitesten Sinn etwas mit homosexuellen Erfahrungen zu tun, könnten inhaltlich aber unterschiedlicher nicht sein. Scaffolding beispielsweise erzählt die Geschichte zweier Nachbarn, die der gemeinsame Blick auf ein Baugerüst zusammenführt. Das ist unspektakulär, für manche vermutlich sogar zu ereignislos, aber doch zumindest ein glaubwürdiger Beitrag über eine zufällige Alltagsbegegnung. Das lässt sich von Film Nummer zwei Total Reaction weniger behaupten. Von den Schwierigkeiten eines Coming-outs erzählen zu wollen, ist sicher legitim, aber doch im schwul-lesbischen Bereich von so vielen abgearbeitet worden, dass es einen derart zum Pathos und zur Übertreibung neigenden Beitrag einfach nicht mehr braucht.

Der zweite Totalausfall kommt zum Schluss, wenn Little Secrets von zwei Männern erzählt, die sich lange nach einer Affäre plötzlich auf einer Party wieder begegnen – und inzwischen längt mit Frauen liiert sind. Was normalerweise Stoff für einen Thriller abgeben könnte, ist eine schauspielerisch bescheidene Aneinanderreihung belangloser Szenen, die keine tatsächliche Geschichte ergeben. Deutlich besser ist der tatsächlich dem Thriller-Genre zuzuordnende Regrets – Reue, in dem ein Mann nach einem One-Night-Stand in einer fremden Wohnung ohne Erinnerung aufwacht. Und diese Wohnung ihre Geheimnisse bereit hält. Das ist streckenweise sehr atmosphärisch, ein wirkliches Ende wird uns jedoch vorenthalten. Gleiches gilt für die experimentell gehaltenen Beiträge Wandering Clouds – Ziehende Wolken und We Are Fine: Der erste philosophiert über Diskriminierungen, während wir jungen Männern beim Schwimmen zusehen, der zweite ist im Grunde ein schwarz-weißes Musikvideo. Das ist irgendwo interessant, sofort im Anschluss aber mehr oder weniger vergessen.

Der Höhepunkt nennt sich Chaser und begleitet einen jungen Lehrer, der sich in der Schwulenszene treiben lässt und dabei auch anonymem, ungeschütztem Sex nicht abgeneigt ist. Zu einer richtigen Pointe kommt es zwar auch hier nicht, immerhin aber experimentiert Regisseur Sal Bardo ein wenig mit der Kamera und fasziniert mit der ziellosen Suche seines Protagonisten, für den das konservative Leben seiner Familie keine wirkliche Identität darstellt. Mit seinem Tanz am Abgrund hinterlässt Bardo so den bleibendsten Eindruck und empfiehlt sich für weitere Filmversuche. Insgesamt enttäuscht Lieb mich! – Gay Shorts 4 jedoch, statt aufregender Inspiration ist hier oft Langeweile angesagt.



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Sieben Kurzfilme aus sechs Ländern, das verspricht einiges an Vielfalt. Tatsächlich sind die Werke insgesamt aber wenig überzeugend: zwei Ausfälle, ein Höhepunkt, der Rest irgendwo dazwischen. Manches davon hat Potenzial. Das wird jedoch kaum genutzt, das meiste ist eher langweilig als aufregend.
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von 10