Das Messer

Das Messer

(„Jagged Edge“, directed by Richard Marquand, 1986)

Justizthriller gibt es viele. Grund genug, die Besten herauszufiltern und ausdrücklich zu empfehlen. Das Messer ist zweifellos einer davon. Es ist nicht nur ein Krimi über Schuld oder Nichtschuld, es ist vielmehr über den Kampf mit sich selbst, über Moral und Verantwortung, ob Gefühle in einem Strafprozess zwischen Angeklagtem und Verteidiger zugelassen werden dürfen und vor allem ist es eine kritische Auseinandersetzung mit dem Rechtssystem, welches nie genug hinterfragt wurde. Kann ich es als Verteidiger mit meinem Gewissen und der Moral verantworten, jemandem zu verteidigen, von dem ich denke, dass er schuldig ist?

Der Charakter, der sich diese Frage stellt ist Glenn Close als Teddy Barnes in einer ihrer besten Darstellungen. Zunächst übernimmt sie nur widerwillig die Verteidigung von Jack Forrester (Jeff Bridges), der laut Anklage seine Frau und die Hausangestellte brutal erstochen haben soll. Trotz ihrer Widerstrebungen erliegt die geschiedene und allein erziehende Anwältin dem Charme ihres Mandanten und sieht sich bald – wie der Zuschauer – hin- und hergerissen zwischen Momenten der Überzeugung, dass ihr Mandant unschuldig ist und starken Zweifeln an dessen Glaubwürdigkeit.

Das Messer ist ein unglaublich cleverer Justizthriller, bei dem alles funktioniert. Das ausgezeichnete Drehbuch, die ausgefeilten Charaktere, die unerwarteten Wendungen, die großartigen schauspielerischen Leistungen und die sich aufbauende Spannung. Der Plot um den undurchschaubaren Ehemann, der nach dem Tod seiner reichen Frau ein Vermögen erbt und deshalb sofort verdächtigt wird, ist zwar unspektakulär, doch umso bewundernswerter ist es, was Regisseur Marquand und Drehbuchautor Eszterhas aus diesem Stoff gemacht haben. Man nimmt sich Zeit für die Charaktere, man lässt sie sich entfalten, damit der Zuschauer ihre Handlungen und ihre Emotionen verstehen kann, damit man in der Lage ist, mit ihnen mitzufühlen oder sie zu verabscheuen, um dann festzustellen, wie ausgewogen und gut durchdacht die Charaktere sind.

Alle Charaktere, die in diesem Film eine Rolle spielen, sind rund, niemand ist nur schlecht oder nur gut, jeder von ihnen hat Stärken und Schwächen. Wir lernen Teddy Barnes kennen, eine starke, allein erziehende Mutter mit Idealen, aber schwach und doch so menschlich in Bezug auf ihre Gefühle, gegen die sie sich nicht wehren kann. Der Staatsanwalt als schmieriger und unsympathischer Gegenspieler als jemand, der seine Gefühle niemals öffentlich bekennen würde, aber in einem schwachen Augenblick seine Gefühle für Teddy Barnes preisgibt und Barnes Berater Sam, ein heruntergekommener Alkoholiker, der aber scheinbar als einziger einen kühlen Kopf bewahrt und sich als äußerst intelligent erweist.

Der Film steht und fällt mit der Figur des potenziellen Mörders und Jeff Bridges bzw. die Rolle, die er verkörpert, ist ein großer Gewinn für dieses Werk, denn er ist derart undurchschaubar, dass man sich als Zuschauer in einem wellenartigen Zustand wieder findet. Man pendelt stets zwischen der Überzeugung, dass dieser charmante Playboy unschuldig ist, ehe belastende Zeugenaussagen kommen, die einen zweifeln lassen, gefolgt von Gesten oder Taten – seien es auch nur Blicke Bridges’, die einen nur zu der Überzeugung kommen lassen, dass dieser Mann unmöglich ein derart brutales Verbrechen begehen kann.

Man pendelt von Szene zu Szene und durch dieses stete Zweifeln gewinnt der Film an Spannung, um schließlich mit einem unerwarteten und bösen Ende aufzuwarten. Das Messer spielt gekonnt mit Identifikationen der Zuschauer mit Teddy Barnes und mit den Emotionen, die man ihr mitfühlt, es ist eine kluge Reflexion über das Rechtssystem und über Moral und das Gewissen des Einzelnen, ein Film über Verrat und Vertrauen. Marquand und Eszterhas spielen mit dem Zuschauer wie auf einer Klaviatur, sie verunsichern ihn, drängen ihn in Richtungen, von denen er nicht weiß, ob diese Richtung ins Gute oder ins Verderben führt. Das macht diesen Film aufregend, man versucht bis zuletzt den Verdächtigen zu durchschauen – wird man ihn durchschauen oder wird man enttäuscht?

Diese Frage zu beantworten ist es wert, den Film zu sehen.

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von 10