Die Braut trug Schwarz

Die Braut trug schwarz

(„La mariée etait en noire“, directed by Francois Truffaut, 1967)

„Je suis Julie Kohler!“

Die Braut trug schwarz ist näher an Hollywood, als irgendein anderer Film von Francois Truffaut, der zusammen mit Jean-Luc Godard und Claude Chabrol die Nouvelle Vague begründete. Truffaut hatte kurz vor dem Dreh seines neuen Films ein Buch mit ausführlichen Interviews mit Alfred Hitchcock veröffentlicht („Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?“) und zollte mit Die Braut trug schwarz nun seinem großen Vorbild eifrig Tribut – als logische Konsequenz nach Fahrenheit 451, der bereits ein Jahr zuvor in einigen Szenen den Geist des Vorbilds hat spürbar werden lassen. Wiederum etliche Jahre später nahm sich Quentin Tarantino dem Film von Francois Truffaut an und drehte Kill Bill – ein Remake des Thrillers, der auf einer Geschichte von Cornell Woolrich basiert. Mit Kill Bill verbeugte sich Tarantino nicht nur vor asiatischen Kampffilmen, sondern auch vor Truffaut, der mit seinem Original das französische Kino – die „Nouvelle Vague“ – mit traditionellem Hollywood verschmolz.

Statt Uma Thurman schlüpfte Jeanne Moreau in die Rolle des kaltblütigen Racheengels und es ist bedauerlich, dass mittlerweile der Hintergrund für ihre Taten allgemein bekannt ist. Noch ungeschickter war zur damaligen Zeit die Tatsache, dass der Trailer zum Film den Hintergrund ihrer Morde sofort aufdeckt, während im eigentlichen Film von Truffaut ihre Motivation lange Zeit im Dunkeln bleibt. Aufgrund dessen ist der Film zu Beginn – weiß man nicht, worum es letztendlich geht – von einer Aura des mystischen und mysteriösen durchzogen. Man sieht die ganz in Schwarz gekleidete Jeanne Moreau als Julie Kohler, die verzweifelt aus dem Fenster springen und sich das Leben nehmen will. Doch sie wird rechtzeitig an dieser Tat gehindert – statt sich selber das Leben zu nehmen beginnt sie ihren Streifzug durch ein Märchenland. Es sind Orte, die an jedem Ort der Welt stehen könnten, Plätze ohne Namen, doch alle demonstrieren ein anderes Milieu. Es sind fünf Männer, die Julie umbringen muss. So hat sie es sich geschworen. Sie hat ein Gelübde abgelegt. Nicht eher wird sie ruhen, bis sie all diese Männer ins Grab gebracht hat.

Auf diese Weise ist Die Braut trug schwarz eine Milieuschilderung. Ein Episodenfilm, der sich als Charakterstudie entpuppt, denn innerhalb von nur kurzer Zeit wird der Zuschauer zum Voyeur, wenn er in die Leben der fünf verschiedenen Männer eindringt und in ihre Umgebung, die so verschiedenartig ist, dass diese Personen augenscheinlich nichts verbinden kann. Und doch gibt es etwas. Julie Kohler kennt das Geheimnis. Während der Zuschauer in nur wenigen Minuten scheinbar alles über die Opfer weiß – oder zu wissen glaubt – erfährt man im Verlauf des Films verhältnismäßig wenig über die Mörderin; eine Antithese gegenüber zahlreichen Krimis und Thrillern, in denen man wie auch hier dem Täter folgt, seine Absichten und sein Seelenleben aber genauestens vom Regisseur seziert bekommt. Nicht so in diesem Fall. Trotz dieses interessanten, ungewöhnlichen Ansatzes wendet Truffaut einige Tricks an, wechselt in die subjektive Sicht, durch die sich der Zuschauer mit der Mörderin identifiziert – identifizieren muss! Der Zuschauer wird auf diese Weise nicht nur zum Voyeur, der die Opfer genauestens studiert, sondern er wird zum Mittäter oder mindestens zum heimlichen Mitwisser, der eine gewisse Befriedigung empfindet, wenn Julie Kohler ihr nächstes Opfer umgebracht hat, da der Zuschauer sich dieser Person derart nahe fühlt.

Als episodenhafte Charakterstudie funktioniert Francois Truffauts Film ganz prächtig, doch wer als Hommage an Alfred Hitchcock eine Aneinanderreihung von schweißtreibenden Suspense-Passagen erwartet, der kann nur enttäuscht werden. Um als eben solches überzeugen zu können, verschenkt der Regisseure, der gleichzeitig auch am Drehbuch schrieb, zu viele Chancen und Gelegenheiten, welche die Spannungskurve an diversen Stellen in die Höhe hätte treiben können. Aus diesem Grund ist The Bride Wore Black als Hommage an Hitchcock weniger überzeugend, als an die Nouvelle Vague angelehnten Charakterbeschreibungen mit teils hervorragenden Schauspielern und einer von Bernard Herrmanns besten Filmmusiken. Vor allem Charles Denner als begabter und verliebter Maler sowie Michel Bouquet als schüchterner Junggeselle überzeugen in ihren Rollen als hilflose Opfer, die sich von einer großartig unterkühlten Jeanne Moreau um den Finger wickeln und schließlich umbringen lassen.



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8
von 10