
Marty Anderson (Chiwetel Ejiofor) unterrichtet gerade seine Klasse an der Middle School, als die Nachricht eines Erdbebens für Unruhe sorgt. Es wird nicht die letzte Katastrophe bleiben, es kommt in Folge weltweit zu zahlreichen weiteren. Und auch der plötzliche Wegfall des Internets stellt die Gesellschaft auf eine harte Probe. Wie es zu diesen seltsamen Ereignissen kommen konnte, weiß niemand so genau. Klar ist nur, dass die Menschen mit diesen Veränderungen überfordert sind. Das sieht Martys Ex-Frau Felicia (Karen Gillan) jeden Tag: Als Krankenschwester in einer Klinik muss sie mitansehen, wie immer mehr Leute sich das Leben nehmen. Während die übrigen versuchen, irgendwie von Tag zu Tag zu kommen und immer größere Teile der Technik verrücktspielen, tauchen überall Bilder von einem gewissen Chuck (Tom Hiddleston) auf, dem für 39 großartige Jahre gedankt wird – den aber niemand zu kennen scheint …
Ein Rätsel über mehrere Genres hinweg
Dass Mike Flanagan eine Vorliebe für die Geschichten von Stephen King hat, ist kein Geheimnis. Mit Das Spiel (2017) und Doctor Sleeps Erwachen (2019) hat der Regisseur bereits zwei Filme gedreht, die auf Vorlagen des legendären Horrorautors basieren. Mit The Life of Chuck kommt nun eine dritte Adaption des US-Amerikaners zu uns. Wer deshalb aber ein Werk im Stil der beiden obigen erwartet, sieht sich getäuscht. Zwar gibt es auch hier vereinzelt Horror-Elemente. Tatsächlich streift die Verfilmung der 2020 veröffentlichten Novelle sogar mehrere Genres, weshalb man die unterschiedlichsten Angaben zur Kategorie findet. Doch wenn man eines aussuchen müsste, das am besten passt, dann ist es letztendlich das des Dramas.
Dabei sieht es zunächst danach aus, als handele es sich um eine Mischung aus Mystery und Science-Fiction. Wie kommt es zu den ganzen Katastrophen? Warum funktioniert das Internet nicht mehr? Weshalb spielt die Technik allgemein verrückt? Doch je weiter die Geschichte voranschreitet, umso stärker rückt das Geheimnis um Chuck in den Mittelgrund, dem alle danken, den aber niemand kennt. Was hat er mit diesen unerklärlichen Ereignissen zu tun? Dabei nimmt der Titel The Life of Chuck schon einen Teil der Lösung vorweg: King erzählt Lebensgeschichte des mysteriösen Fremden. Nur tut er das nicht auf die übliche Weise, sondern wählt eine andere Erzählstruktur, die das Ergebnis vorwegnimmt, bevor die Erklärung kommt.
Wunderbar, lebensbejahend und tieftraurig
Viel mehr sollte man deshalb besser nicht wissen. Zwar ist es nicht so, dass King die ganz großen Überraschungen in seine Geschichte gepackt hat. Einiges lässt sich dann doch vorhersehen. Aber da sind einige Szenen, die ihre emotionale Wirkung vor allem dann zeigen, wenn man die Querverbindungen hergestellt hat und erkennt, was diese kurzen Ausschnitte zu bedeuten hatten. Dabei ist jedes der drei Kapitel, in die der Film unterteilt ist, für sich sehenswert. Aber es ist das Zusammenspiel des Trios, der The Life of Chuck so stark macht, wenn sich nach dem düster-mysteriösen Einstieg die Stimmung aufhellt, bevor das lebensbejahend-beschwingte Mittelstück zu einem Finale übergeht, das alles zusammenbringt, schön und optimistisch ist, tieftraurig und tröstlich.
„I am wonderful, I deserve to be wonderful, and I contain multitudes.“ heißt es kurz vor Schluss, wenn das Leben des Mannes gefeiert wird. Wenn das Leben an sich gefeiert wird, so schrecklich und brutal es manchmal auch sein kann. Getragen von einer herausragenden Besetzung, zu der sich später unter anderem Jacob Tremblay und Mark Hamill gesellen, lässt uns The Life of Chuck durch die Zeit tanzen, prägende Wunden davontragen und am Ende mit einem Staunen für das Wunder Leben danken. Das Drama, das 2024 auf dem Toronto International Film Festival Weltpremiere hatte, ist nicht nur eine der besten Verfilmungen von Stephen King. Es ist auch eines der bewegendsten Werke, die dieses Jahr auf deutschen Leinwänden zu sehen sein werden.
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