Branko Tomovic
Regissuer Branko Tomovic

Branko Tomović [Interview]

Branko Tomović ist ein deutscher Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor. Kinozuschauern ist  Tomović bekannt durch seine Rollen in nationalen wie internationalen Produktionen, beispielsweise Die Päpstin, Das Bourne Ultimatum, Herz aus Stahl oder zuletzt Deus. Zudem spielte er in Serien wie Ein Fall für zwei und Dogs of Berlin mit. Seit dem Thriller Red (2016) ist der Schauspieler mit serbischen Wurzeln zudem als Regisseur und Drehbuchautor tätig. Für seinen zweiten Kurzfilm The Smell of Petrol wurde er auf dem Jahorina Film Festival, dem Unrestricted View Film Festival sowie dem Winchester Film Festival ausgezeichnet.

Mit Vampir, der derzeit auf den Internationalen Hofer Filmtagen gezeigt wird, legt Tomović sein Langfilmdebüt vor, welches bereits auf dem Sitges International Film Festival gezeigt wurde. Zu diesem Anlass spricht Tomović im Interview über die Dreharbeiten in Serbien, seine Passion für den Horrorfilm und die Filmmusik von Vampir.

Dein Spielfilm Vampir erinnerte mich des Titels wegen an Carl Theodor Dreyers Vampyr, einer der ersten Filme über diese Thematik und bis heute einer seiner schönsten. War dies auch eine Inspiration für deinen Film?

Des Titels wegen nicht, aber generell ist das schon so. Doch es ist nicht nur Dreyers Film, sondern eine Vielzahl von Einflüssen, die bei Vampir zusammenkommen, von Herk Harveys Tanz der toten Seelen bis hin zu den ersten Episoden der Serie The Twilight Zone. Mir ging es darum, eine Geschichte – nicht nur des geringen Budgets wegen – ohne viele Effekte zu erzählen. Bei dem Wort „Vampir“ denken die meisten natürlich sofort an Transsylvanien und an Graf Dracula, jedoch stammen die ersten Vampirberichte, welche von österreichischen Ärzten aufgeschrieben worden sind, aus Serbien. Auch das Wort stammt aus dem Serbischen und ist der einzige Begriff dieser Sprache, der international bekannt ist.

Das Dorf, das du in Vampir siehst, ist eines, in dem ich jeden Urlaub als Kind verbrachte und welches mir daher sehr bekannt war. Mein Großvater, der in den 1970er Jahren nach Deutschland auswanderte, stammt ursprünglich von dort, weshalb meine Familie jeden Sommer dort verbrachten. Das Haus im Film ist übrigen das meines Opas, in dem er lebte, bis er nach Deutschland immigrierte.

Einer der ersten Vampir-Vorfälle aus dem 17. Jahrhundert fand in einem der Nachbardörfer statt und eines der Opfer wohnte in einem der Häuser, sodass ich schon sehr früh mit diesen Geschichten konfrontiert wurde.

Viele der Orte sind für einen Film wie Vampir ja mehr als passend und könnten atmosphärischer nicht sein, vor allem der Friedhof direkt neben dem Haus, in dem der Protagonist wohnt.

Der Friedhof, wie man ihn in Vampir sieht, existiert so wie er ist und wurde von uns nicht für den Film verändert. Meine Eltern haben übrigens schon ihren Grabstein dort gemietet und es muss nur noch das Sterbedatum eingemeißelt werden, was das Ganze irgendwie grotesk macht, dort zu drehen. Das war dann aber der Grund, warum wir auf dem Friedhof drehen durften.

Wir drehten im September, noch mitten in der Pandemie und es waren Temperaturen um die 30 Grad. Während der Post-Produktion mussten wir viel tricksen, um das saftige Grün der Wiesen noch zu reduzieren, weil ich einen verdorrten, fast verstorbenen Look für den Film und die Aufnahmen im Freien haben wollte. Generell mussten wir aber nicht viel tun, weil vieles schon vor Ort vorhanden war.

Szenenbild aus „Vampir“ von und mit Branko Tomović (© Reel Suspects)

Gab es eigentlich mal eine Fassung von Vampir, die als Stummfilm ausgelegt war? Viele der Szenen erinnern von ihrer Optik und von ihrer Struktur her an Szenen eines Stummfilms, wie sie beispielsweise der schon erwähnte Carl Louis Dreyer machte.

Es gab durchaus die Idee, den Film in Schwarz-Weiß zu drehen, doch ich habe mich dann dagegen entschieden, weil es so viele Farbelemente gibt, auf die ich nicht verzichten wollte, beispielsweise die Farbe des Blutes oder das Rot in der Kleidung der Maklerin, die Arnaut in sein Haus bringt. Letztlich wollte ich in Vampir einen typisch osteuropäischen Look, wie man ihn in vielen Filmen von Andrei Tarkowsky vorfindet, haben. Vampir sollte so aussehen wie ein Horrorfilm, den Tarkowsky hätte gedreht haben können.

Was Vampir jedoch auch mit den Filmen, die du ansprichst, verbindet, ist ein Rhythmus und seine Atmosphäre. Heutzutage wird sehr viel mit jump-cuts und Spezialeffekten gearbeitet, was mich bisweilen als Zuschauer rausbringt aus der Geschichte, die der Film erzählen will. In Vampir wollte ich eine klaustrophobische, fast schon kafkaeske Stimmung erzeugen, in der ein Mensch in einer Situation gefangen ist und in der die Wände seiner Wohnung in zu erdrücken scheinen.

Hätten wir ein größeres Budget gehabt, hätte Vampir sicherlich in der Zeit gespielt, in der auch die von mir eingangs erwähnten Vampir-Berichte geschrieben worden sind. So war es mir wichtig, dass sich der Film zeitlos anfühlt, weshalb du im Film keine Handys oder Laptops siehst.

Wie lange hast du denn die Idee zu Vampir mit dir herumgetragen?

Ich habe vor Vampir schon ein paar Kurzfilme gemacht, die in erster Linie sehr düstere Themen wie Organ- oder Menschenhandel behandeln. Eigentlich hatte ich noch ein anderes Projekt in der Planung, einen Thriller, der sich gerade um diese Themen dreht und der zudem noch Horrorelemente enthält, doch gerade in Deutschland ist es leider sehr schwierig, besonders für Genrefilme, eine Förderung zu erhalten.

Im Falle von Vampir lief alles jedoch sehr schnell, denn zwischen dem finalen Drehbuch und dem ersten Drehtag waren nur wenige Monate dazwischen. Da ich die Location und die Geschichte schon fertig hatte und diese vorhanden waren, hätten wir schon sehr viel früher, nämlich im März 2020 drehen können, doch da machte uns die Pandemie einen Strich durch die Rechnung. Letztlich hatten wir nur ein Zeitfenster von drei Wochen, in denen wir alles drehen mussten.

Wie hast du die Besetzung für Vampir gefunden und wie kam es dazu, dass du die Titelrolle übernommen hast, denn ich meine gehört zu haben, dass die eigentlich nicht die ursprüngliche Idee gewesen war?

Dass ich die Rolle des Arnaut übernommen habe, hat mehrere Gründe gehabt, aber du hast recht, es war nicht so geplant. Letztlich hatten wir nur wenig Zeit für die eigentlichen Dreharbeiten und es war einfach nicht möglich, in der kurzen Vorbereitungszeit jemanden zu finden, der für ein paar Wochen nach Serbien flieht, um sich dort für eine Rolle lebendig begraben und mit Blut bespritzen zu lassen. (lacht)

Letztlich war ich aber auch derjenige, der die Geschichte geschrieben hat und der diese Rollen kannte, sodass es einfacher war, Arnaut selbst zu spielen. In den drei Wochen haben wir wirklich sechs Tage die Woche gedreht und ich habe, glaube ich, wenn es hochkommt, vielleicht drei Stunden jede Nacht geschlafen, bevor ich den Dreh für den nächsten Tag vorbereiten musste. Trotz dieses anstrengenden Ablaufs, findet man die Kraft, all dies zu stemmen, auch das Spielen der Hauptrolle.

Ein besonderer Glücksfall bei der Besetzung war die von Eva Ras. Beim Dreh war sie 81 und auf dem Balkan ist sie eine Leinwandlegende, die international bekannt ist. Als sie zu den Dreharbeiten kam, gestand sie mir, dass sie das Drehbuch nie gelesen hat, nur wenige Stunden vor ihrer ersten Szene, dem Albtraum des Protagonisten, in dem sie mir Blut in den Rachen spuckt. Letztlich aber musste ich ihr nicht sehr viel erklären oder ihr Anweisungen geben, ganz im Gegenteil, denn ich musste sie vielmehr zurückhalten. Die Idee, dass sich ihre Figur noch das Blut von den Fingern leckt, war ihre und nicht meine, aber sie ist hervorragend.

Gab es irgendwelche Absprachen oder Vorgaben, die du mit Mark Ashworth, dem Komponist der Filmmusik von Vampir, getroffen hast?

Mark kenne ich schon eine ganze Weile und habe mit ihm schon bei der Musik zu meinen Kurzfilmen zusammengearbeitet. In Vampir benutzten wir nur ein Instrument, die Gusle, welches typisch für Serbien ist und man als eine Mischung zwischen Violine und Cello verstehen kann. Der Klang jedoch ist alles andere als harmonisch oder angenehm, doch für einen Horrorfilm, wie ich ihn drehen wollte, ist er perfekt.

Die Idee war, dass wir eine Musik haben wollten, die zu dieser Region, diesem Ort passt. Es sollte dem Zuschauer das Gefühl geben, dass Arnaut von etwas heimgesucht wird. Man sollte, wie der Charakter, nicht genau wissen, ob das, was ihm widerfährt, seine Einbildung ist oder ob es real ist.

Du hast eben schon über die Schwierigkeit gesprochen, für einen Genrefilm in Deutschland Förderung zu erhalten. Wie siehst du vor diesem Hintergrund die Situation des deutschen Genrefilms?

Das ist leider wahr und auch der Grund, warum man deutsche Horrorfilme, unabhängig von der Qualität, an einer Hand abzählen kann. Ich meine jedoch, dass sich in dieser Hinsicht etwas ändert, wenn man alleine sieht, dass bei einem Festival wie dem in Hof, wo auch Vampir gezeigt wird, es mittlerweile einen Genrepreis gibt.

Ich finde es schade, dass die Förderstelle anscheinend Vorurteile gegenüber Genreproduktionen haben. Wenn man beispielsweise nach Spanien oder Frankreich schaut, sieht man derlei Vorurteile nicht und hat konsequenterweise eine sehr vielfältige Genrelandschaft. Alleine Spanien hat eine spannende Bandbreite an sehr unterschiedlichen Produktionen im Horrorgenre. Viele denken bei Horrorfilmen noch an irgendwelche B-Movies, doch ignorieren dabei, wie künstlerisch anspruchsvoll und intelligent dieses Genre sein kann.

Ich las irgendwo, dass du als Nächstes an einer Mischung aus Slasherfilm und Komödie bastelst. Kannst du etwas mehr zu diesem Projekt sagen?

Das wäre tatsächlich mein nächstes Projekt. Die Geschichte spielt in einem Dorf in Deutschland und derzeit bin ich auf der Suche nach einer Produktion. Natürlich hoffe ich, dass wir eine Förderung erhalten, denn Vampir war komplett selbstfinanziert und dies sollte aus wirtschaftlichen Gründen natürlich nicht bei jedem meiner Projekte so sein.

Wenn du ein entsprechendes Budget hättest, gäbe es eine Geschichte, abgesehen von der, von der wir gerade gesprochen haben, die du als Filmemacher gerne auf die Leinwand bringen würdest?

Ich bin jemand, der sich meist mit düsteren Themen befasst, was man an meinen bisherigen Filmen sieht, und ich würde diesen treu bleiben. Es gibt in der deutschen Geschichte noch so viele Themen, wie beispielsweise die Hexenverfolgung, die sich sehr spannend finde und die mich als Drehbuchautor und Regisseur reizen würden. Allein für Vampir habe ich mich mit europäischer Kunst befasst, mit Geschichten um Folter und mit alten Mythen und habe dabei entdeckt, wie viel noch eigentlich völlig unangetastet ist, was mich aber sehr reizen würde als Filmemacher.

Dann gibt es noch so viele Märchen aus Deutschland, die sich für einen Filme eignen würden. Ich stelle mir vor, wie düster zum  Beispiel eine Verfilmung von Struwwelpeter sein könnte. (lacht)

Vielen Dank für das nette Gespräch.



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