Performer
© FILMFEST MÜNCHEN 2022

Performer

Performer
„Performer“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Tim (Tilmann Vellguth) ist einerseits ein ganz normaler Teenager. Er hängt mit Freunden ab, geht in Clubs, steht kurz vor dem Abitur. Mit seinen Eltern redet er nicht besonders viel, doch das allein ist noch nichts Besonderes. Äußerst besorgniserregend ist aber, dass er immer wieder alleine in seinem Zimmer Videos aufnimmt, in denen er mit einer Schusswaffe posiert und hasserfüllte Monologe in die Kamera spricht. In seinem Weltbild sind Frauen böse und „sensible“ Männer schuld daran, dass er so vieles unterdrücken muss und es ihm schlecht geht. Er scheint eine Bluttat begehen und sich so für vermeintliche Ungerechtigkeiten rächen zu wollen.

Der Druck der Männlichkeit

Performer handelt also von toxischer Männlichkeit und einem (geplanten) Amoklauf – Themen, die auch hierzulande hitzig diskutiert werden. Dabei kann der Film von Autor und Regisseur Oliver Grüttner natürlich keine abschließenden Antworten liefern, gibt aber durchaus einige Denkanstöße. In nur 55 Minuten und stets langen, statischen Einstellungen werden verschiedene Aspekte von Tims Alltag gezeigt. Wenn er mit seinen Kumpels zusammen ist, prahlt er mit den sexuellen Erfahrungen, die er angeblich mit Mädchen schon gemacht hat. Der Druck, von seinen männlichen Altersgenossen anerkannt zu werden, lässt ihn zum „Performer“ werden. Imponiergehabe und Bullying sind dabei an der Tagesordnung.

Dann wieder gibt es Szenen zuhause, wo etwa Tims Vater (Jan Henrik Stahlberg) versucht, zu seinem Sohn durchzudringen und eine Verbindung herzustellen. Denn obwohl Tim seine Gewaltfantasien natürlich für sich behält, ist die Beziehung zu Vater und Mutter alles andere als eng und gefühlsbetont. Das ist wie gesagt für einen 18-Jährigen nicht unbedingt ungewöhnlich. Aus Sicht der Eltern ist es aber verständlich, dass diese ihrem Sohn gerne wieder näher sein möchten – genauso wie es verständlich ist, dass Tims Interessen momentan anderen Dingen gelten als einer intensiven Beziehung zu seinen Eltern. Was also ist schiefgelaufen? Warum hat Tim nicht nur die für einen Teenager üblichen Stimmungsschwankungen, sondern plant Gewalttaten?

Wohin mit den Gefühlen?

Eindeutige Antworten auf Fragen wie diese gibt der Film nicht. Als Tim mit ein paar Freunden einen Club besucht, um sich dort an Mädchen heranzumachen, sieht man die Beteiligten minutenlang nur herumsitzen. Tim weiß nicht, wie er auf Menschen zugehen und Verbindungen aufbauen soll. Allein in seinem Zimmer kann er vor der Laptop-Kamera seinen Hass herauslassen, vor anderen Menschen positive Gefühle zu zeigen scheint ihm jedoch schwer zu fallen. Er versucht, zu „performen“, wirkt dabei aber manchmal wie eine leere Hülle. Dass es Männern schwerfällt, über Gefühle zu reden, ist ein altbekanntes Klischee, in dem sicher auch etwas Wahrheit steckt. Wie aber kommt man heraus aus diesem Dilemma? Was muss sich ändern in unserer Gesellschaft, damit allen die entsprechenden Kompetenzen vermittelt werden? Auch darauf kann ein einziger Film keine Antworten geben. Performer legt aber immer wieder den Finger in die Wunde.

Als Tim mit einem Mädchen ein Date in einem Freizeitpark hat, zeigt sich, dass er nicht nur eine dunkle Seite hat – zumindest für eine Weile, bis die Situation wieder umschlägt und in ein klassisches Beispiel toxischer Männlichkeit ausartet. Erneut wird klar, dass Tim noch nicht gelernt hat, auf andere einzugehen. Es scheint ihm nur darum zu gehen, sexuelle Eroberungen zu machen, mit denen er nachher prahlen kann. Während seine Eltern zwar auch Probleme haben und heftig miteinander streiten, weiß Tim nicht, wie und wo er seine Gefühle herauslassen soll. Für den Zuschauer schwingt den ganzen Film über die Angst vor der Tat mit, die Tim plant. Aufgrund der kurzen Laufzeit des Films kann man sich nach dem Filmende fragen, ob man nur einen „halben“ Film gesehen hat. Hätte Performer noch mehr zeigen und noch eindeutiger werden können? Sicherlich. Doch gleichzeitig sorgt das Ende des Films auch dafür, dass dieser im Kopf des Zuschauers weitergeht und man die Geschichte weiterspinnt. Es zeigt zudem, dass es auch in den Köpfen der Protagonisten noch arbeitet und die Überlegungen darüber, was schiefgelaufen ist oder was sich in Zukunft ändern könnte, noch lange nicht beendet sind.

Credits

OT: „Performer“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Oliver Grüttner
Drehbuch: Oliver Grüttner
Kamera: Moritz Friese, Giulia Schelhas
Besetzung: Tilmann Vellguth, Linda Rohrer, Jan Henrik Stahlberg, Ursula Renneke, Laurin Kaiser

Bilder

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Performer
Fazit
„Performer“ ist eine fragmentarisch wirkende Studie über toxische Männlichkeit, Gewaltfantasien und deren Hintergründe. Der Film kann und will keine eindeutigen Antworten geben und lässt den Zuschauer beunruhigt, aber auch nachdenklich zurück.
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