The New God

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Inhalt / Kritik

The New God
„The New God“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Musik ist eine Kunstform, die wie wahrscheinlich keine andere angetrieben ist von einer steten Veränderung, einem Fortschritt, wenn man so will, auch wenn gewisse Themen gleich bleiben. Vielleicht ist es auch gerade deswegen, dass Popstars eine gewisse Aura der Intensität haben, die sie für viele Menschen, egal, ob jung oder alt, Mann oder Frau, begehrlich und attraktiv machen. Andererseits bietet Musik aber auch eine Form der Gemeinschaft und Orientierung, die viele Menschen in ihrem Umfeld vermissen, welches sie entweder ablehnt oder dem sie sich verweigern, weil sie einfach keinen Zugang zu dieser Welt finden.

Blickt man auf die Biografie von Rockstars bemerkt man schnell, wie auch ihr Leben und ihre Karriere eng mit der Musik anderer verknüpft ist, mit den Gefühlen, die diese bei ihnen auslöste. Musik wird so zu einer Identifikation, zu einem Schlüssel für eine Gemeinschaft und zuletzt auch einer Form der Ablehnung jener Werte, welche das Establishment, das politische System oder die Wirtschaft als gegeben, normal oder akzeptabel voraussetzt. Gerade in einer konformistischen und von jeher streng homogenen Gesellschaft wie der Japans ist es daher interessant zu beobachten, welche Rolle Musik einnimmt für die Jugend, welche Trends sie widerspiegelt und welche Menschen sich hinter den Persönlichkeiten auf der Bühne verbergen.

Während die beschriebenen Themen bei anderen Regisseuren oder Künstlern eher als Hintergrund für eine Geschichte eine Rolle spielen, sind sie für Dokumentarfilmer Tsuchiya Yutaka das zentrale Thema seiner Arbeit. Bereits in seiner frühen Arbeit What Do You Think About the War Responsibility of Emperor Hirohito? (1997) machte er seine politische Haltung mehr als deutlich, die sich gegen die japanische Politik, den Hang zum Nationalismus und erzkonservative Werte richtete. Von daher war es schon ungewöhnlich, dass er sich für sein nächstes Projekt ausgerechnet die ultra-rechte, nationalistisch eingestellte Punkband „The Revolutionary Truth“ aussuchte, deren Mitglieder zunächst wenig erfreut waren über das Vorhaben oder generell das Zusammenarbeiten mit einem Menschen, der für sie alles repräsentierte, was sie verachteten. Jedoch ließ der Filmemacher nicht locker, überzeugte sie durch seine Leidenschaft für sein Thema und die Bereitschaft zum Dialog, was schließlich zu der sehr eigenwilligen Dokumentation The New God führte, die auf dem Yamagata International Documentary Film Festival speziell wegen ihrer innovativen Herangehensweise gelobt und ausgezeichnet wurde.

Eine Antwort in 100 Minuten

Eine Dokumentation wie The New God muss man auf zwei Ebenen betrachten, da in diesem Falle Form und Inhalt nicht nur einander ergänzen, sondern gerade den Reiz ausmachen. Augenscheinlich passen Sujet und Künstler gar nicht miteinander zusammen, was von der ersten Minute, in der man einen Live-Auftritt der Band sieht, zeigt, in der Lead-Sängerin Karin Amamiya programmatisch das Versagen der Regierung anklagt, Kriegshelden angemessen zu ehren und der heutigen Jugend als Orientierung lediglich Konsum zu bieten hat. Es sind starke Positionen, die Amamyia wie auch die übrigen Mitglieder der Band vertreten und mit Tsuchiya vor laufender Kamera diskutieren, vertiefen und über die man sich bisweilen aus streitet. Was eigentlich als Kennzeichen für das Versagen eines Projekts gesehen werden kann, wird im Falle von The New God zu einem inhaltlichen wie auch formalen Gestaltungsmittel, denn in der Annäherung ist auch der Streit vorhanden und der Disput.

Letztlich verbindet Regisseur und Musiker jene Suche nach Orientierung, finden sie doch in der Ablehnung von Aspekten wie Konsumgesellschaft und dem Vergessen der Vergangenheit innerhalb der Politik Ideen, denen sie sich beide auf ihre Weise anschließen können. So begleitet Tsuchiyas Film, auch indem er die Kamera abgibt, jenen Findungsprozess der Bandmitglieder, wobei insbesondere Amamiya hervorsticht, welche die Kamera als ständigen Begleiter bei einer Reise nach Nordkorea mitbringt, während der sich Theorie und Wunsch mit der Realität verbinden, was zu einigen sehr erhellenden Momenten führt.

Credits

OT: „Atarashii kamisama“
Land: Japan
Jahr: 1999
Regie: Tsuchiya Yutaka
Drehbuch: Tsuchiya Yutaka
Musik: Kato Takeshi
Kamera: Tsuchiya Yutaka

Trailer

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„The New God“ ist eine ungewöhnliche Dokumentation über das Finden nach Orientierung im Leben. Regisseur Tsuchiya Yutaka hat sich ein interessantes, aber sehr schwieriges Thema ausgesucht, nämlich die Begegnung mit jemandem, dessen Denkweise nicht der eigenen entspricht. Der Dialog, der dabei entsteht, macht „The New God“ einzigartig.
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