Il Sorpasso Verliebt in scharfe Kurven TV Fernsehen arte
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Verliebt in scharfe Kurven

Inhalt / Kritik

Il Sorpasso Verliebt in scharfe Kurven TV Fernsehen arte
„Verliebt in scharfe Kurven“ // Deutschland-Start: 18. Oktober 1963 (Kino)

Richtig viel gemeinsam haben der impulsive 40-jährige Bruno (Vittorio Gassman) und der schüchterne Student Roberto Student (Jean-Louis Trintignant) nicht gerade. Es ist zudem reiner Zufall, dass die beiden sich überhaupt über den Weg laufen. Aber eben auch ein Glücksfall: Brunos Verabredung ist geplatzt, Roberto wiederum hat genug davon, die ganze Zeit für die Uni zu lernen. Und so beschließen die beiden, eine Runde zu fahren und etwas trinken zu gehen. Die Suche nach einer geeigneten Bar gestaltet sich dabei etwas schwieriger als ursprünglich geplant, da ganz Rom aufgrund der Ferienzeit wie ausgestorben ist. Aus der kurzen Unterbrechung wird so eine Autofahrt durchs Land, während der sie sich besser kennenlernen, aber sich auch über einiges aus dem eigenen Leben bewusst werden …

Ein Film mit falscher Wirkung

Deutsche Filmtitel sind oft so eine Sache, da wird gerne mal bei der Lokalisierung ein bisschen dicker aufgetragen und zum Teil völlig falsche Erwartungen geweckt. Ein bekanntes Beispiel für eine solche fragwürdige „Übersetzung“ ist Verliebt in scharfe Kurven. Klar, ein wenig ist noch der Bezug zum italienischen Original Il Sorpasso vorhanden, der sich auf Brunos Vorliebe bezieht, auf teils abenteuerliche Weise andere auf der Straße überholen zu wollen. Aber ganz ehrlich: Die meisten werden bei dem Titel eher anatomische Assoziationen haben und hier eine plumpe Erotikklamotte erwarten, wie man sie nicht nur in Italien früher gern produzierte. Und auch wenn Bruno immer so wirkt, als würde er gern in einem solchen Film mitspielen: Dieser hier ist es nicht.

Stattdessen handelt es sich um einen Buddy-Roadmovie, der ganz klassisch ist – und gleichzeitig wieder nicht. Das Prinzip, dass zwei komplett unterschiedliche Leute zusammen eine Reise starten und dabei nach und nach ihre Differenzen überwinden und sich näherkommen, das ist Genrealltag. Oft sind es entfremdete Familienangehörige, die während der langen Fahrt lernen, sich gegenseitig wieder zuzuhören und sich zu verstehen. Bei Verliebt in scharfe Kurven wird dieser Kontrast aber nicht als Mittel des Konfliktes genutzt. So versucht Bruno zwar die ganze Zeit, Roberto anzutreiben und zu irgendwelchen Sachen zu überreden. Doch das geschieht aus einem Gefühl der Zuneigung heraus. Umgekehrt ist auch der junge Student von dem Älteren fasziniert, selbst wenn dieser ihn an der einen oder anderen Stelle überfordert.

Abseits aller Regeln

Tatsächlich ist Bruno ein recht anstrengender Mensch, der sechzig Jahre später erst recht nicht mehr zeitgemäß wirkt. Er ist übergriffig, sowohl bei Roberto wie auch bei den Leuten, denen er begegnet. Frauen werden schon gerne mal zu einem Sexobjekt reduziert, das nur darauf wartet, von ihm ausgesucht zu werden. An anderen Stellen demonstriert er seine Ablehnung von Verkehrsregeln, als er wie selbstverständlich einen Strafzettel umplatziert. Überhaupt: Regeln interessieren ihn nicht. Verliebt in scharfe Kurven beschreibt ihn dabei jedoch nicht als einen Rebellen, der ganz grundsätzlich gegen alles ist, was vorgeschrieben wird. Es interessiert ihn nur nicht, was andere sagen. Das kann man als faszinierend empfinden oder eben unmöglich. Bruno ist jemand, der so viel Raum einnimmt, wo auch immer er auftaucht, dass neben ihm nicht viel Platz ist.

Dass man ihm das trotz allem nicht so übel nimmt, ist sicher auch der Darstellung von Vittorio Gassman (Quintett) geschuldet, der seiner Figur viel Schwung und Charme mitgibt. Wenn er durch die Gegend tänzelt und einem das Gefühl gibt, das Leben könne ihm nichts anhaben, lässt man sich schon ganz gern davon anstecken. Ein betont verhuscht auftretender Jean-Louis Trintignant (Ein Mann und eine Frau) wiederum verkörpert jemanden, der sich in keiner Situation traut, aus sich herauszugehen – sei es eine verklemmte Toilette oder eine Liebe auf der anderen Straßenseite. Da kann er ein bisschen Aufmunterung von dem lebenserfahrenen Bruno gut gebrauchen. So könnte man zumindest meinen. Verliebt in scharfe Kurven wirkt zwischenzeitlich wie eine inspirierende Feel-Good-Komödie.

Zwischen stiller Beobachtung und Übertreibung

Regisseur und Co-Autor Dino Risi will diese Liebeserklärung an das Leben aber auch mit weniger tollen Lebenserfahrungen verbinden. Tatsächlich ist der Film sehr viel nachdenklicher, als es die frühen unbeschwerten Szenen vermuten lassen. Beide Männer haben es sich auf ihre Weise in Traumwelten gemütlich gemacht, die sie nicht verlassen wollen. Verliebt in scharfe Kurven handelt maßgeblich davon, dass vieles nicht so ist, wie es erscheint. Das ist mit einigen sehr starken Szenen verbunden, wenn der Film zu einem stillen Beobachter wird und vieles für sich sprechen lässt. Er neigt aber auch dazu, hier mehr zu machen, als notwendig gewesen wäre. Die gelegentlichen Voiceovers, die Roberto plötzlich eine Stimme geben, stören die ansonsten zurückhaltende Atmosphäre. Und auch wenn ein finaler Wendepunkt erneut zu einer Erkenntnis führt, dass man sich gerne etwas vormacht, das ist schon ein ziemlicher Fremdkörper, der ein bisschen billig reingepresst wurde. Die leisere Melancholie um zwei im Grunde unerfüllte Männer hat dem Film besser gestanden.

Credits

OT: „Il Sorpasso“
IT: „The Easy Life“
Land: Italien, Frankreich
Jahr: 1962
Regie: Dino Risi
Drehbuch: Dino Risi, Ettore Scola, Ruggero Maccari
Musik: Riz Ortolani
Kamera: Dan Laustsen
Besetzung: Vittorio Gassman, Jean-Louis Trintignant, Catherine Spaak, Claudio Gora, Luciana Angiolillo, Linda Sini

Bilder

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„Verliebt in scharfe Kurven“ folgt zum Teil dem Muster von Roadmovies, wenn zwei ungleiche Männer zusammen verreisen und sich mit der Zeit annähern. Gleichzeitig ist der Film aber auch etwas ganz anderes, wenn er zeigt, wie beide in einer Traumwelt leben und dabei im Grunde nicht glücklich ist. Das ist mit starken rein beobachtenden Szenen verbunden, aber auch schwächeren, weil übertriebenen Szenen.
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