Quintett

Quintett

(„Quintet“ directed by Robert Altman, 1979)

“The game is all that’s important. The only intelligent expression left is the game of Quintet. All the elements of life are contained in it; our art, our philosophy, all things of value fit the game. The game is the only thing of value.“

Es gibt nur wenige Sachen, die wir Menschen mehr fürchten als Dunkelheit. Keinen klaren Blick auf Dinge bekommen zu können ist die Vorstufe dieser Grundangst und Robert Altman spielt in seinem Science-Fiction Film „Quintett“ geschickt mit dieser Neurose, die sich herausbildet, wenn man nicht alles sofort durchschaut, wenn der Blick auf die wesentlichen Dinge nie frei wird und man sich in einem Raum bewegt, indem an jeder Ecke Gefahren lauern können, derer man zu erspähen unfähig ist. Dieses unangenehme Gefühl der Hilflosigkeit erzeugt Altman, der große amerikanische Regisseur, der schon für M.A.S.H., 3 Women oder McCabe & Mrs. Miller verantwortlich war, indem er die Ränder der Kameralinsen mit Vaseline einschmierte.

Ein großer Teil der nicht selten hämischen Kritik an dem hier rezensierten Streifen rührt, wie Kritiker unverblümt zugeben, eben daher, dass ein verklärter Blick auf die Szenerie über zwei Stunden Laufzeit zur Geduldsprobe wird, bei der nicht selten die Nerven reißen. Allein mit dieser Begründung greift man jedoch zu kurz, denn der Trick mit dem Verschmieren der Linse erweist sich – gerade im Zusammenhang mit dem Konzept der Geschichte – als durchaus geschickt.

Das macht aus Quintett zwar noch lange keinen guten Film, verleiht ihm aber zumindest das Potential eine wahrhaft dystopische Vision abzubilden, denn die Tatsache, nur den Teil eines Gesamtbildes sehen zu können, ruft zusätzlich zum originellen Set-Design und Dekor Unbehagen aus. Dieser Trick des eingeschränkten Sehvermögens, als stolpere man fortwährend mit verschmierter Brille durch die Szenerie, verlangt vom Zuschauer zwar viel Geduld ab, macht das Studium dieser dunklen Zukunftsaussicht passenderweise genau dadurch aber angemessen anstrengend. Sollte ein Blick in die Zukunft, indem Menschen als Spielfiguren missbraucht und brutal abgestochen werden, angenehmes Popcorn-Kino sein?

So kalt wie diese Vision selbst ist auch die Optik. Minutenlang schwebt die Kamera über einer grellweißen Schneelandschaft, in der sich langsam Essex (Paul Newman) und seine schwangere Begleiterin herausbilden, die erschöpft durch die Kälte irren in dieser postapokalyptischen Welt, in der gefrorene Leichname einen ganzen Rudel Hunde anlocken, die sich von den Gedärmen ernähren. Essex ist auf der Suche nach seinem Bruder, den er schließlich in einem kleinen Dorf findet, in dem die Menschen das machen, was sie überall hauptberuflich machen: sie spielen. Denn ein Spiel vereint alle Künste, die ihnen noch geblieben sind, ein Spiel ist essentiell, ein Spiel verleiht ihrer Existenz einen Sinn.

Die Regeln dieses Spiels sind dabei wohl nicht mal den Spielern selber klar und Regisseur sowie Drehbuchautor Altman macht keine Anstalten, dem Zuschauer zu erklären, was dieser auf der Leinwand verfolgt. Gespielt wird mit fünf Leuten, weil fünf in dieser Welt die magische Zahl ist. Sind vier Personen ausgeschieden, hat also der fünfte Spieler die höchste Punktzahl, d.h. alle seine Gegenspieler auf dem Brett getötet, schaltet sich der sechste ein, der nun gegen den Gewinner antritt. Dass das Töten im Spiel eigentlich nur im übertragenen Sinne angewandt wird, erweist sich bald als fataler Trugschluss, denn als Essex von einem Rundgang aus dem Dorf zurückkehrt, muss er herausfinden, dass sein Bruder mitsamt seinen Mitbewohnern durch einen Bombenanschlag umgebracht wurde.

Der einsame Rächer macht sich unter falschem Namen auf die Suche nach dem Täter und stößt bald auf eine Liste, auf der fünf Namen eingetragen sind – einer davon, sein Bruder, ist bereits tot. Es braucht nicht lange für Essex, herauszufinden, dass diese Liste nun abgearbeitet wird und so ist sein Weg, auf dem Quintett mit Menschen als Spielfiguren gespielt wird, mit Leichen gepflastert. Es wird für ihn eine gefährliche Reise, denn auch sein Name steht auf der Liste…

Quintett gehört seit seinem Kinostart zu den umstrittensten Filmen Robert Altmans und glaubt man den Gerüchten, so wollte Hauptdarsteller Paul Newman an diesem Werk nicht mitwirken, musste sich aber geschlagen geben, da er zu jener Zeit beim Studio unter Vertrag stand und so dem Zwang nachgeben musste. Trotz dieser wenig freiwilligen Mitwirkung erweist sich Quintett als erstklassig besetzt – ungeachtet der schauspielerischen Leistungen, denn nicht nur Newman schlüpfte als blauäugiger Held, der für Gerechtigkeit kämpft, in seine Paraderolle, sondern auch Fernando Rey und Vittorio Gassmann erweisen sich allein optisch als überzeugende undurchsichtige Gegenspieler, wobei ersterer enttäuschender Weise recht hölzern und nur wenig überzeugend chargiert, als hätte der Spanier Schwierigkeiten mit der englischen Sprache, die hier gefordert war im düsteren Kammerspiel, in dem nahezu ein jeder Charakter eine andere Sprachfärbung und Herkunft zu haben scheint.

Warum funktioniert Quintett trotz des im Kontext zur Filmhandlung passenden optischen Tricks und der ausgefeilten Besetzung nicht? Warum kann die hervorragende Kameraarbeit, welche in gleichzeitig schönen und bedrohlichen Bildern herunterfallende Schneeflocken aus den ungewöhnlichsten Winkeln einfängt, so wenig retten? Der Grund ist nicht, dass Altmans Film passenderweise gefühlskalt ist wie sonst keines seiner Werke, was die emotionale Beziehung vom Zuschauer zu den Charakteren unmöglich macht (was auch der Motivation abträglich ist), sondern vielmehr, dass Altman, der auch am Drehbuch beteiligt war, in seine freudlose Dystopie immer wieder deplatziert und unfreiwillig komisch wirkende Szenen eingebaut hat, welche die Story nicht weiterbringen, sondern scheinbar lediglich eingepflegt wurden, um das Gefühl der Gefahr und des Mystizismus beim Zuschauer zu erhöhen. Das funktioniert nicht. Das funktioniert mit den klischeehaften Monologen genauso wenig wie die süffig-kitschigen Liebesschwüre, die man versuchte einzupflegen und die ihren Platz eher in einer Fernseh-Seifenoper als in einem post-apokalyptischen Spielfilm haben. Dass man den Film dadurch kaputt macht, ist schade, denn die Originalität ist ihm nicht abzusprechen, doch so ist der Science-Fiction Film weder mystisches Autoren-, noch leicht zugänglich Popcornkino, sondern eine erfolglose Zwischenlösung.

Quintett erscheint am 8. März auf DVD



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von 10