Ein Mann und eine Frau Un homme et une femme A woman and a man

Ein Mann und eine Frau

Kritik

Ein Mann und eine Frau Un homme et une femme A woman and a man
„Ein Mann und eine Frau“ // Deutschland-Start: 25. Oktober 1966 (Kino)

Es war reiner Zufall, der Anne (Anouk Aimée) und Jean-Louis (Jean-Louis Trintignant) zusammengeführt hat. Und ihre Kinder natürlich, gehen die doch auf dasselbe Internat in Deauville. Sie genießen den Tag, den sie gemeinsam verbringen, am Strand spazieren gehen, dem Nachwuchs beim Spielen zusehen. Als Anne den letzten Zug nach Paris verpasst, bietet ihr Jean-Louis an, sie im Auto mitzunehmen. Während der langen Fahrt kommen sie sich näher, erzählen viel aus ihrem Leben und beschließen, sich auch in Zukunft zu sehen. Dabei haben beide noch mit ihrer jeweiligen Vergangenheit zu kämpfen, die ihnen immer wieder in die Quere kommt …

Mehrere Dutzend Filme hat Claude Lelouch (Es lebe das Leben, Die Entführer lassen grüßen) im Laufe seiner Karriere inszeniert, bei den meisten auch das Drehbuch geschrieben. Doch der bekannteste Titel des französischen Regisseurs dürfte immer noch Ein Mann und eine Frau aus dem Jahr 1966 sein. Mehr als vier Millionen Besucher lockte er seinerzeit mit seiner Liebesgeschichte in die heimischen Kinos, in Cannes gab es die Goldene Palme. Aber auch im Ausland sah man das Drama um zwei, die sich lieben lernen, gerne. So wurde der Film seinerzeit mit einem Oscar und einem Golden Globe als bester fremdsprachiger Film ausgezeichnet, auch das Drehbuch erhielt einen Oscar, Lelouch wurde für seine Regiearbeit nominiert, Hauptdarstellerin Anouk Aimée war als beste Hauptdarstellerin im Rennen, durfte sich über einen Golden Globe und einen BAFTA Award freuen.

Nur ein bisschen reden

Dabei zeigte Lelouch hier viel Freude am Minimalismus. Schon der Titel ist so einfach, dass man sich fragen durfte, ob da nicht versehentlich jemand den Arbeitstitel aufs Plakat gedruckt hat. Die Geschichte ist nicht wirklich ausgefeilter. In Ein Mann und eine Frau verbringt das werdende Paar viel Zeit im Auto, mal auch am Strand oder in einem Restaurant, unterhält sich einfach ein bisschen. Es ist nicht einmal so, dass die zwei so wahnsinnig tiefgehende Gespräche miteinander teilen würden. Man unterhält sich über die Kinder, das eigene Leben, was man so macht. Die Art Smalltalk, den man eben so betreibt, wenn man längere Zeit mit einer fremden Person verbringt und irgendwie die Stille füllen muss.

Doch gerade diese scheinbare Belanglosigkeit ist eine der Stärken von Ein Mann und eine Frau. Lelouch versucht gar nicht, hier das große Drama zu etablieren, ausgefeilte Liebesschwüre zu komponieren oder ungewöhnliche Geschichten zu entwerfen. Wie der Titel bereits ankündigt, geht es hier einfach nur um zwei Menschen, ganz beliebig, die voneinander angezogen werden und sich langsam annähern. Da wird dann schon mal im Kopf an Formulierungen gefeilt, allgemein sind sich die zwei nicht sicher: Wie viel sollte ich von mir preisgeben? Das führt dann auch zu einer der wenigen Konfliktsituationen im Laufe der etwa hundert Minuten, wenn die Zurückhaltung zu einem Missverständnis führt, welche das junge Glück zu zerstören droht.

Die Fesseln der Vergangenheit

Anders als bei so vielen Liebesfilmen, wo die mangelhafte Kommunikation sehr erzwungen wird, da ist das hier deutlich natürlicher. Denn so einfach lässt sich die Vergangenheit nicht ablegen. Diese Vergangenheit an sich ist dafür leider das große Manko des Films. Wo Lelouch an anderen Stellen sehr zurückhaltend agiert, da ist das Schicksal der zwei doch ziemlich konstruiert und übertrieben. Die Arbeit, die man hier in die Erschaffung sehr spezifischer Geschichten investiert hat, die wäre an anderer Stelle nützlicher gewesen. So erfährt man beispielsweise über den Charakter der beiden Hauptfiguren relativ wenig. Sie werden durch ihre Vergangenheit definiert und die Gefühle füreinander, nicht aber als Individuum.

Dennoch ist Ein Mann und eine Frau mehr als 50 Jahre später immer noch ein schöner Film, gerade weil Lelouch, der auch die Kamera bediente, viel mit der Inszenierung herumexperimentierte. Vor allem der Einsatz von Farben ist hier sehr auffällig: Mal ist das Drama naturalistisch, dann ist alles in Schwarzweiß gehalten oder in Sepia-Tönen, die Flashbacks und die aktuellen Szenen werden säuberlich voneinander getrennt. Der Film hat dabei oft eine sehr sinnliche Note, zeigt in den Bildern das Fühlen und Empfinden des Paares und bezieht dabei auch das Publikum mit ein. Hier darf man Teil werden einer Gefühlswelt, die sich auf zwei Menschen bezieht und doch universell ist.

Credits

OT: „Un homme et une femme“
IT: „A Man and a Woman“
Land: Frankreich
Jahr: 1966
Regie: Claude Lelouch
Drehbuch: Claude Lelouch, Pierre Uytterhoeven
Musik: Francis Lai
Kamera: Claude Lelouch
Besetzung: Anouk Aimée, Jean-Louis Trintignant

Filmpreise

Preis Jahr Kategorie Ergebnis
Academy Awards 1967 Beste Regie Claude Lelouch Nominierung
Bestes Drehbuch Claude Lelouch, Pierre Uytterhoeven Sieg
Beste Hauptdarstellerin Anouk Aimée Nominierung
Bester fremdsprachiger Film Sieg
BAFTA Awards 1968 Bester Film Nominierung
Beste ausländische Darstellerin Claude Lelouch Sieg
Cannes 1966 Goldene Palme Sieg
Golden Globe Awards 1967 Beste Regie Claude Lelouch Nominierung
Beste Hauptdarstellerin – Drama Anouk Aimée Sieg
Bester fremdsprachiger Film Sieg
Beste Musik Francis Lai Nominierung
Bestes Lied Francis Lai, Pierre Barouh Nominierung

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„Ein Mann und eine Frau“ bringt den Inhalt auf den Punkt, wenn sich eines Tages ein Mann und eine Frau begegnen, Zeit miteinander verbringen und dabei Gefühle füreinander entwickeln. Der Film ist dabei inhaltlich minimalistisch, sticht aber durch seine sinnliche Inszenierung hervor, die einen Teil einer (fast) alltäglichen Geschichte werden lässt, wie sie jeden Tag geschrieben werden könnte.
7
von 10