Censor

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Inhalt / Kritik

Censor
„Censor“ // Deutschland-Start: 29. Juli 2021 (Kino)

Enid Baines (Niamh Algar) hat eine ebenso wichtige wie unangenehme Aufgabe: Ihre Arbeit besteht darin, sich Horrorfilme anzusehen und zu entscheiden, welche Szenen drin bleiben und welche herausgeschnitten werden sollen. Schließlich gilt es das Publikum vor allzu brutalen Anblicken zu schützen. Zuletzt hat der Druck auf sie und die anderen jedoch stark zugenommen. Vor allem der Fall eines Mannes, der nach dem Vorbild eines der von ihnen beurteilten Filme Morde begangen hat, führte dazu, dass die Behörde in die Kritik geraten ist. Und noch etwas andere beschäftigt Enid: Immer wieder meint sie ihre jüngere Schwester Nina wiederzuerkennen, die vor zwanzig Jahren im Wald spurlos verschwunden ist. Denn während ihre Eltern darauf drängen, Nina endlich für tot erklären zu lassen, hält Enid an dem Glauben fest, dass sie irgendwo da draußen ist. Als sie bei einem besonders brutalen Film über zwei Mädchen im Wald meint, eine der Schauspielerinnen sei ihre Schwester, macht sie sich auf die Suche nach dieser …

Zu brutal, darf niemand sehen

Ältere Horrorfans werden sich noch daran erinnern: Besonders in den 80ern und 90ern wurden hierzulande Filme ohne Ende aus dem Verkehr gezogen oder so stark geschnitten, bis sie kaum noch wiederzuerkennen waren. Selbst Genreklassiker wie The Texas Chain Saw Massacre, Maniac oder Tanz der Teufel wurden verboten. Dahinter steckte die Annahme, dass es Dinge gibt, die kein Film zeigen darf, aus Sorge, was dies mit den Zuschauern und Zuschauerinnen anstellen wird. Inzwischen sieht man das alles etwas lockerer. Heutzutage sind Schnitte eher eine Seltenheit geworden, einstmals verbotene Filme sind wieder frei erhältlich. Man überlässt es dann doch eher dem Publikum, was es aus dem Ganzen macht.

Censor spielt zwar nicht in Deutschland, sondern in Großbritannien. Doch auch dort waren in den 80ern Zensoren und Zensorinnen eifrig damit beschäftigt, für die Massen unangemessene Filme aufzuspüren und zu entschärfen. Die Waliserin Prano Bailey-Bond, die hiermit ihr Langfilmdebüt vorlegt, ist jedoch nur zum Teil daran interessiert, den Alltag dieser doch recht speziellen Arbeit vorzustellen. Vielmehr stellt sie die berufliche Beschäftigung mit Horrorfilmen selbst in einen Horrorkontext, wenn die Protagonistin sich in zunehmend unheimlichen Träumen verliert. Die Frage hinter dem Film der Regisseurin und Co-Autorin: Was macht das mit einem Menschen, wenn er sich täglich solche Sachen anschaut? Wie geht jemand damit um, wenn er ständig Szenen sieht, die als zu gefährlich gelten?

Zwischen Trauma und Wahn

Sonderlich viel Handlung hat das zunächst nicht. Stattdessen erinnert Censor an Berberian Sound Studio. Dort war es ein Toningenieur, der bei der Arbeit an einem Horrorfilm nach und nach den Zugang zur Realität verliert, weil diese und Fiktion sich überschneiden. Hier kommt noch hinzu, dass Enid schon vorher psychisch angeknackst war. Zumindest die tragische Vorgeschichte um die verschwundene Schwester hat sie nie hinter sich lassen können, wird bis heute von dieser verfolgt. Wenn sie beim Anschauen der Horrorfilme langsam dem Wahn verfällt, ist daher gar nicht so klar, wie viel auf den konkreten Horrorfilm zurückzuführen ist, wie viel ihrem psychischen Zustand geschuldet ist.

Ohnehin sollte man sich keine zu konkreten Antworten erhoffen. Auch wenn Censor mit starken Mystery-Elementen spielt, die sich um die Frage drehen, was damals wirklich mit der Schwester geschehen ist: In dem Film geht es nicht darum das herauszufinden. Überhaupt zeigt Bailey-Bond eine Vorliebe für das Vage, kreiert rätselhafte Bilder, die sie dem Publikum kommentarlos überlässt. Dieses darf bzw. muss dann selbst entscheiden, was es mit diesen anfangen will. Das könnte für manche zu wenig sein, könnte sie frustrieren oder auch langweilen. Bis die Suche von Enid mal den nächsten Gang einlegt, kann es schon etwas dauern.

Stimmungsvolle Zeitreise

Damit muss man sich abfinden können, ebenso mit der insgesamt eher sparsamen Geschichte. Dafür ist der Film, der auf dem Sundance Film Festival 2021 Weltpremiere hatte, atmosphärisch stark. Die alptraumhaften Bilder, begleitet von einem Synthie-Score, der einen ganz nostalgisch werden lässt, nehmen einen mit auf eine Reise, die gleichzeitig sehr bekannt und fremd ist. Außerdem merkt man Censor natürlich an, dass ein Horrorfan den Film gedreht hat: Bailey-Bond verweist auf die damalige Zeit und Werke, ohne sich auf billiges Namedropping zurückziehen zu müssen. Interessant ist dann natürlich vor allem für ein Publikum, das selbst in diesem Bereich zu Hause ist. Der Rest darf immerhin eine rätselhaft-unheimliche Stimmung genießen, die neugierig auf die nächsten Titel der Nachwuchsregisseurin machen.

Credits

OT: „Censor“
Land: UK
Jahr: 2021
Regie: Prano Bailey-Bond
Drehbuch: Prano Bailey-Bond, Anthony Fletcher
Musik: Emilie Levienaise-Farrouch
Kamera: Annika Summerson
Besetzung: Niamh Algar, Nicholas Burns, Vincent Franklin, Sophia La Porta, Adrian Schiller, Michael Smiley

Bilder

Trailer

Interview

Prano Bailey BondWie steht sie selbst zum Thema Zensur in Filmen? Und wie hat sich das Horrorgenre seit den 1980ern verändert? Diese und weitere Fragen haben wir Regisseurin und Autorin Prano Bailey-Bond in unserem Interview zu Censor gestellt.

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In „Censor“ meint eine Frau, die Horrorfilme zensiert, in einem Werk ihre verschwundene Schwester wiederzuerkennen und macht sich auf die Suche nach ihr. Der Film ist eine Hommage an die Horrorwerke der 1980er und überzeugt auch durch die rätselhaft-unheimliche Stimmung. Die Geschichte selbst ist jedoch recht sparsam und gibt auf vieles keine Antworten.
7
von 10