Cagefighter: Worlds Collide
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Cagefighter: Worlds Collide

Kritik

Cagefighter Worlds Collide
„Cagefighter: Worlds Collide“ // Deutschland-Start: 29. Januar 2021 (DVD/Blu-ray)

Nachdem Reiss Gibbons (Alex Montagnani) seinen Halbschwergewichtstitel in der MMA-Organisation Legends zum fünften Mal verteidigt hat, stehen ihm die Türen zu lukrativen Werbedeals und Hollywoodfilmen offen. Legends-Präsidentin Max Black (Gina Gershon) arbeitet derweil  schon an seinem nächsten Kampf: Der Pro-Wrestling-Champion Randy Stone (Jon Moxley) soll zu Promotionszwecken ins MMA wechseln und als Herausforderer antreten. Gibbons kann den Kampf verständlicherweise nicht ernst nehmen, doch schon bald beendet ein gezielter Uppercut nicht nur seine Siegesserie, sondern auch die Träume vom großen Geld, denn keine Firma möchte einen Verlierer für ihr Produkt werben lassen. Verzweifelt bemüht er sich um ein Rematch, doch Stone hat Blut geleckt und steht dafür nicht zur Verfügung, da er seine Augen nun auf den Schwergewichtstitel gerichtet hat. Wird Gibbons endgültig an der Niederlage zerbrechen oder kann er sich aufraffen und zu seinem alten Selbst zurückfinden?

Zwischen zwei Sportwelten

Während die Prämisse des Films für Unwissende auf den ersten Blick grotesk wirken mag, gibt es tatsächlich mehrere Präzendenzfälle von Pro-Wrestlern, welche ins MMA wechselten. Das bekannteste unrühmliche Beispiel ist sicherlich CM Punk mit seinen zwei UFC-Kämpfen, während Jake Hager bei Bellator schon eine bessere Figur abgibt. Der umgekehrte Fall ist vielleicht sogar üblicher, oder zumindest erfolgsgekrönter. Nachdem sie der UFC den Rücken kehrte, führte Ronda Rousey ihre Karriere bei der WWE weiter; Cain Velasquez hatte dort ebenfalls einen kurzen Auftritt – und bei Brock Lesnar könnten manche Leute heutzutage wohl gar nicht mehr sagen, ob er seine Ursprünge im MMA oder im Wrestling hat, so relevant wie er für beide war und ist. „Wrestling ist fake“ wird gerne gerufen, in Wahrheit ist es allerdings geskriptet. Tatsächlich haben die beiden Sportarten mehr gemeinsam, als es zuerst scheint. So manche Promo für einen MMA-Kampf könnte direkt aus dem Wrestling stammen, auch an Drama und persönlichen Zwists und Fehden mangelt es dem MMA sicher nicht.

Viele unnötige Fehler

Cagefighter bräuchte in erster Linie ein Remake, für welches das Drehbuch noch einige Male überarbeitet wird. Viel zu viele unverständliche Flüchtigkeitsfehler haben es in die Produktion geschafft. So wird Gibbons beispielsweise anfangs als fünffacher Halbschwergewichtschampion bezeichnet, und das nicht gerade nur einmal en passant. Recht prominent werden Gespräche für Marketingkampagnen gezeigt, mit #Five als deren Grundstein (was sowieso schon keinen Sinn ergibt, da Gibbons ja weiterkämpfen möchte und die Siegesserie so ausgebaut werden würde). Beinahe im gleichen Atemzug wird, ebenfalls mehrfach, verlautet, dass Gibbons seinen Titel fünfmal verteidigt hätte. Ein initialer Gewinn und fünf Verteidigungen machen ihn ja nun aber zum sechsfachen Champion. Als Randy Stone später im Kampf um den Schwergewichtstitel antritt, wird er im Octagon als verteidigender Halbschwergewichtschampion angekündigt – nur kann in einem Schwergewichtskampf leider kein Halbschwergewichtstitel verteidigt werden. Ebenso absurd ist, dass der Gewinner dieses Kampfes zum neuen Schwergewichtschampion gekürt wird, obwohl der amtierende, wegen einer Verletzung verhinderte Champion seinen Titel überhaupt nicht entzogen bekam und es auch nicht um einen Interimstitel ging. Das sind nur einige Punkte, die beim Überarbeiten des Skripts sofort hätten auffallen müssen, und die für sich, vor allem aber in ihrer Menge, nicht nur MMA-Fans vor den Kopf stoßen werden.

Noch seltsamer wirkt das im Kontrast dazu, dass Drehbuchautor und Regisseur Jesse Quinones durchaus nicht fachfremd, sondern gut mit der Materie vertraut ist. Bereits 2007 drehte er die Kurzdokumentation Cage Fighter, 2013 portraitierte er in Secret Lives of Cagefighters den britischen MMA-Kämpfer Colin „Freakshow“ Fletcher. Auch diverse Anspielungen zeigen, dass Quinones gut mit vergangenen und aktuellen Geschehnissen in der Kampfsportwelt vertraut ist. Während die explizite Nennung des Kampfes Conor McGregor gegen Floyd Mayweather sicher einer breiteren Masse etwas sagt, gibt es auch für „Eingeweihte“ einige köstliche Anspielungen auf einen bekannten UFC-Kämpfer und dessen Eskapaden außerhalb des Octagons, auch wenn der Film dessen wahre Identität geheimhält. Those who know know.

Durchwachsene Kämpfe

Mit der wichtigste Aspekt eines Kampffilmes sind die Kampfszenen. Je besser diese ausfallen, desto eher können Mängel in den restlichen Bereichen verziehen werden. Diese fallen rein zahlenmäßig recht dürftig aus, was für sich genommen noch kein Problem darstellt – lieber wenige gute als viele schlechte. Die Qualität ist aber leider durchwachsen. Während die Choreographie durchaus gute Ideen aufweist, ist die Ausführung verbesserungswürdig. Oft ist die Kamera viel zu nahe am Geschehen, um Authentizität zu kolportieren. Einige der erlittenen Verletzungen hätten darüber hinaus jeden Ringrichter und/oder -arzt dazu veranlasst, den Kampf abzubrechen. Sicher ist MMA ein brutaler Sport, aber am Ende des Tages ist es immer noch ein Sport, welcher klaren Regeln unterliegt. Die teilweise schlimmen Verletzungen mögen zwar für einen filmischen Effekt gewählt worden sein, aber dass die Kämpfer dessen ungeachtet einfach weitermachen können, trivialisiert sie gleich darauf wieder, wodurch die Spannung nicht wie gewollt erhöht wird, sondern eher verpufft.

Ist ein Remake auch äußerst unwahrscheinlich, so wird MMA- und Wrestlingfans hoffentlich wenigstens ein gelungenes Sequel vergönnt sein, für das mehr Zeit und Budget zu Verfügung stehen. Jon Moxley geht in seiner Rolle als Randy Stone völlig auf, was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass sie stark auf seiner Wrestlingpersona fußt, und ihm sicher auch die Freiheit eingeräumt wurde, zu improvisieren. Allerdings wird nie wirklich klar, wieso Stone denn nun so gut im MMA ist. Alex Montagnani als Reiss Gibbons sympathisiert sich im Laufe des Films sicher in die Herzen einiger Zuschauer, rein kämpferisch muss hier aber noch nachgelegt werden, damit ihm der legendäre MMA-Champion abgenommen werden kann. In weiteren Rollen finden sich einige MMA- und Wrestling-Profis, und generell wirkt auch jeder Beteiligte vor der Kamera so, als sei er aus Überzeugung am Projekt dabei gewesen.

Credits

OT: „Cagefighter“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Jesse Quinones
Drehbuch: Jesse Quinones
Musik: Todd Bryanton
Kamera: Mark Dobrescu
Besetzung: Alex Montagnani, Jon Moxley, Gina Gershon, Chuck Liddell, Jay Reso

Bilder

Trailer

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„Cagefighter: Worlds Collide“ hat das Herz am rechten Fleck, verstopfte Arterien verhindern jedoch, dass der Film wirklich davon profitieren kann. Die niedrige Wertung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier ein potenziell gutes Drehbuch zugrundeliegt, welches allerdings mindestens ein oder zwei weitere Überarbeitungen benötigt hätte. Budgetmängel tun ihr Übriges, der motivierte Cast hingegen rettet einiges.
4
von 10