Adam

Adam (2019, USA)

Kritik

Adam
„Adam“ // Deutschland-Start: 4. Dezember 2020 (DVD)

Am Leben des jungen Adam (Nicholas Alexander) ist auf den ersten Blick nichts besonders. Er geht zur High School, trifft sich mit Freunden auf Partys und ist auf der Suche nach einem Mädchen, das ihn genauso interessant findet, wie er sie. Seine High-School-Freunde scheinen damit mehr Erfolg zu haben als er und lassen ihn in den Sommerferien für einen Pärchenurlaub sitzen. Alleine mit den Eltern wegfahren kommt nicht in Frage. Also zieht es ihn für den Sommer nach New York, wo seine ältere Schwester Casey (Margaret Qualley) studiert. Casey ist queer und nimmt Adam mit in die New Yorker LGBTQ-Szene. Obwohl es offensichtlich bessere Orte für hetereosexuelle Teenager gibt, um Mädchen kennenzulernen, verguckt Adam sich auf einer Kundgebung in die lesbische Aktivistin Gillian (Bobbi Salvör Menuez). Diese interessiert sich nur für Adam, weil sie ihn für einen Transmann hält. Überfordert und aufgeregt widerspricht Adam Gillian nicht und versucht in Folge alles, um die Fassade aufrecht zu erhalten.

Ein Film mit Kontroversen
Ein Hetero-Teenager, der über seine Schwester in die queere Szene von New York findet, um eine lesbische Aktivistin klarzumachen? Dass es sich bei Adam um einen kontroversen Film handelt, ist schon zu Beginn eindeutig. Nach seiner Premiere beim letztjährigen Sundance Film Festival entzündete sich eine lange Debatte an dem Film. Boykottaufrufe, Vorwürfe von Trans- und Homophobie und „korrigierender“ Vergewaltigung sahen Regisseur Rhys Ernst dazu genötigt, ein Statement zum Film zu veröffentlichen. Ernst, selbst Transmann und Produzent der Amazon Prime-Serie Transparent, erklärte, dass er sich der Kontroverse bewusst sei, es aber immer sein Ziel gewesen sei, den Film aus der Perspektive von Transpersonen zu erzählen. Das Drehbuch, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Ariel Schrag, sei dahingehend grundlegend verändert worden. Adams Verhalten würde nicht zelebriert, sondern problematisiert werden. Die Charaktere im Film würden sich nicht um Adam drehen. Vielmehr sei es Adam, der erkennen müsse, dass für ihn in einer queeren Community kein Platz wäre.

Der Blick von außen
Und tatsächlich geht es im Film weniger um Adam und seine Aspirationen als um die anderen Charaktere, Orte und Begriffe, die er kennenlernt. In jeder Szene ist Adam der Außenseiter. Adam wird mit den Codes, Gewohnheiten und der Diversität der New Yorker queeren Szene konfrontiert. Dabei entsteht der Eindruck, als würde es sich bei der Szene um eine Mainstream-Kultur handeln. Die Welt, in die Adams Schwester Casey ihn einführt ist eine, in denen Transpersonen, Lesben und Nichtweiße das Sagen haben und das Narrativ bestimmen. Das sonst übliche Narrativ des weißen, männlichen, heterosexuellen High-School-Teenagers,  von dem die Handlung ausgeht, wird damit auf den Kopf gestellt. Im Verlauf des Films werden viele interessante Charaktere vorgestellt, die ihre Sicht auf die LGBTQ-Community und das (Über)leben in der Großstadt darstellen. Geschichten von Coming-outs, komplizierten Fragen der Geschlechtsidentität und Diskussionen über Rassismus, Sexismus und Transfeindlichkeit in der queeren Szene nehmen im Film einen zentralen Raum ein. So überrascht beispielsweise Pose-Schauspielerin MJ Rodriguez mit einen emotionalen Gastauftritt.

Gegenüber einem Potpourri aus besonderen Erzählungen und Individuen wirkt Adams Charakter dagegen blass und uninteressant. Die Geschichte des pubertierenden Teenagers aus der Kleinstadt wurde schon unzählige Male erzählt und wirkt über weite Strecken uninspiriert. Je mehr sich Adam in der Beziehung mit Gillian in erfundenen Geschichten verstrickt, desto weniger wird deutlich, wohin das Drehbuch den Zuschauer führen möchte. Dabei wird der zunächst interessante und kontroverse Ausgangspunkt, Adams Beziehung zur lesbischen Gillian durch Adams unbedarftes und unsensibles Verhalten schnell repetitiv und schwer ertragbar. An der schauspielerischen Leistung des gesamten Casts ist dagegen nichts auszusetzen. Nicholas Alexander brilliert als verwirrter High-School-Schüler und wird dabei von Bobbi Salvör Menuez gekonnt unterstützt. Die großen Löcher im Drehbuch können weder die beiden Hauptdarsteller, noch die bemerkenswert divers gecasteten Nebendarsteller*innen vollständig stopfen.

Credits

OT: „Adam“
Land: USA
Jahr: 2019
Regie: Rhys Ernst
Drehbuch: Ariel Schrag
Vorlage: Ariel Schrag
Musik: Jay Wadley
Kamera: Shawn Peters
Besetzung: Nicholas Alexander, Bobbi Salvör Menuez, Margaret Qualley

Bilder

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Nach einem mit Kontroversen begleiteten Release letzten Sommer in den USA ist „Adam“ nun auch in Deutschland zu sehen. Obwohl das Drehbuch streckenweise ziellos und uninspiriert wirkt, überzeugt die Tragikkomödie mit einem besonderen, aber trotzdem inklusiven Blick auf die queere Szene New Yorks und scheut nicht vor unangenehmen Debatten. Adams eindimensionaler Charakter steht diesen Debatten leider noch zu oft im Weg.
5
von 10