The Shaman Sorceress

The Shaman Sorceress

Kritik

The Shaman Sorceress
„The Shaman Sorceress“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Mohwa lebt in einem kleinen Dorf in Korea, wo sie ihrer Arbeit als Schamanin nachgeht. Dafür genießt sie großes Ansehen, auch wenn sie dieses immer wieder zu verspielen droht – beispielsweise durch ihre Alkoholsucht. Doch die eigentlichen Probleme hat sie ohnehin in ihrem Privatleben. Ihre Tochter Nang-yi hat nach einer längeren Krankheit ihr Gehör verloren. Ihr Sohn Wook-yi wiederum ist zum Christentum konvertiert und seither überhaupt nicht mehr mit dem Glauben seiner Mutter einverstanden. Mehr noch, er will auch andere Menschen von der christlichen Religion überzeugen und es entwickelt sich ein Machtkampf zwischen den beiden, wer denn nun recht hat …

Während sich der südkoreanische Filmmarkt zu einem der stärksten weltweit entwickelt hat und nicht zuletzt dank Parasite nun auch international ein größeres Wörtchen mitzureden hat, blieb der Bereich Animation eine ziemliche Nische. Anfangs sah es zwar so aus, als würde Sang-ho Yeon diesem zu weltweitem Ansehen verhelfen, als er mit The King of Pigs auf Festivals rauf und runter gespielt wurde. Seit seinem riesigen Erfolg mit Train to Busan hat er sich aber vollständig dem Live-Action-Film verschrieben, wodurch Animation kein echtes Thema mehr in dem fernöstlichen Land ist. Animes erfreuen sich dort zwar größerer Beliebtheit, eigene Animationsfilme entstehen aber kaum.

Ein ungewöhnlicher Jahrgang
Jae-huun Ahn
ist eine dieser Ausnahmen, die nach wie vor versuchen, den südkoreanischen Animationsmarkt zu stärken. Mehrere Filme hat er bereits gedreht, etwa das Liebesdrama The Shower, ohne damit jedoch sonderlich viel Aufmerksamkeit erregt zu haben. Ob sich das mit The Shaman Sorceress ändern wird, darf eher bezweifelt werden. Zwar läuft der Film im Programm des Annecy Festivals 2020 und kann aufgrund der diesjährigen Online-Umsetzung sogar weltweit gesehen werden. Er ist auch außergewöhnlich genug, dass man ihn als Animationsfan gesehen haben sollte. Aber in einem Jahrgang, der vollgestopft ist mit animierten Kuriositäten – etwa Kill It and Leave This Town und Old Man – The Movie, fehlt es schlicht am Mainstreamappeal.

Interessant ist The Shaman Sorceress aber ohne jeden Zweifel. Wenn Ahn von einer Zeit spricht, als das Christentum nach und nach die alten Überzeugungen und Traditionen verdrängte, dann ist das nicht allein eine kleine Geschichtsstunde Südkoreas. Der Film erzählt allgemein davon, wie sich Gesellschaften ändern, frühere Werte und Kulturen zugunsten neuer abgelegt werden. Das geht nicht mit einer direkten Wertung einher, Ahn gibt keine eindeutige Präferenz für eine der Religionen. Allenfalls der Alleinanspruch, der beiden Überzeugungsrichtungen zugrunde liegt und damit zu dem Konflikt führt, wird etwas kritischer hinterfragt. Denn dieser ist maßgeblich verantwortlich für die Tragik der Geschichte, in der es keine Gewinner gibt, keine geben kann.

Religionsdrama trifft Animationsmusical
Ungewöhnlich ist an dem Film aber auch, wie dieses Thema aufbereitet wurde. Immer wieder beginnen die Figuren zu singen, drücken ihre Gefühle durch Lieder aus. Nun sind Musicals im Animationsformat nicht selten, Disney hat das früher andauernd gemacht, zuletzt wurde in Die Eiskönigin II gesungen. Doch während sich diese Filme an ein jüngeres Publikum richten und mit schmissigen Popsongs werben, da ist The Shaman Sorceress quasi die Arthouse-Variante davon. Chartspotenzial haben die elegischen Klagelieder nicht, sind keine Ohrwürmer, zu denen man am Frühstückstisch trällern kann. Das würde aber auch nicht zu einem Film passen, der von Anfang bis zum Ende eine sehr traurige Stimmung hat und sich um die verschiedenen Formen von Verlust dreht.

Tatsächlich mitreißend ist das Ergebnis weniger, zumal Ahn darauf verzichtet, seine Figuren zu echten Sympathieträgern auszuarbeiten. Dafür sind sie zu verkrampft in ihren Ansichten, zu wenig um Austausch bemüht. Doch darin liegt eben auch die große Tragik des Films: The Shaman Sorceress erzählt von einer Frau, die Halt im Alkohol sucht, von ihrem Sohn, der dies in seinem Glauben tut, denen letztendlich aber nicht genug zum Leben bleibt. Deren Identität so sehr fremdbestimmt ist, dass daran letztendlich die Familie scheitert. Eingepackt wird das in zwar schlichte, aber doch stimmungsvolle Bilder eines alten Koreas, die dazu beitragen, dass der Film zwar wenig Crossover-Aussichten hat, selbst aber sehenswert ist.

Credits

OT: „The Shaman Sorceress“
Land: Südkorea
Jahr: 2020
Regie: Jae-huun Ahn
Drehbuch: Dong-Ri Kim
Musik: Sang-Ku Kang

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In „The Shaman Sorceress“ geraten eine Koreanerin, die dem alten schamanischen Glauben nachgeht, und ihr zum Christentum konvertierter Sohn in einen Konflikt. Das Thema ist interessant, ebenso die Umsetzung als Musical: Das Drama mag zwar wenig Mainstreampotenzial haben, ist aber für Fans ungewöhnlicher Animationsfilme wie auch fernöstlicher Kultur sehenswert.
7
von 10