Saint Amour
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Saint Amour – Drei gute Jahrgänge

Kritik

Saint Amour DVD
„Saint Amour – Drei gute Jahrgänge“ // Deutschland-Start: 13. Oktober 2016 // 23. Februar 2017 (DVD/Blu-ray)

Sonderlich eng ist das Verhältnis zwischen Jean (Gérard Depardieu) und Bruno (Benoît Poelvoorde) ja nicht, sie reden praktisch kaum noch miteinander. Eine Tradition ist den beiden aber geblieben: Einmal im Jahr reisen sie zusammen zu einer Landwirtschaftsmesse, wo Jean mit seinem Zuchtbullen punkten will und Bruno sich hemmungslos besäuft. Das war auch dieses Mal so geplant. Doch es kommt anders, aus einer spontanen Laune heraus beschließen sie, eine tatsächliche Weintour zu starten und bis nach Saint Amour zu fahren, einem malerischen Weinort. Dabei helfen soll ihnen der junge Taxifahrer Mike (Vincent Lacoste). Der willigt auch ein, ohne zu ahnen, worauf er sich einlassen wird …

Wenn in Filmen Familienangehörige zusammen auf Reisen gehen, dann weiß man schon im Vorfeld, dass es dabei nur in den seltensten Fällen tatsächlich um das Ziel geht. Vielmehr stehen die Momente im Vordergrund, oft kurios-komischer Natur, die dazu beitragen sollen, dass man sich im Laufe des Abenteuers wieder näherkommt. Beispiele dafür gibt es ohne Ende: Ob nun in Der Sommer mit Pauline eine französische Familie mit dem Campingwagen nach Venedig fährt oder sich in Seventeen zwei Brüder auf den Weg machen, am Ende steht eine obligatorische Annäherung, obwohl das ursprüngliche Vorhaben nicht unbedingt von Erfolg gekrönt war.

Aus Einsamkeit auf die Straße
Das ist in Saint Amour – Drei gute Jahrgänge grundsätzlich ganz ähnlich. Auch wenn der Film bereits den Zielort im Titel trägt, der von den drei Männern angesteuert wird, im Grunde hätte die Reise auch eine völlig andere Route einschlagen können. Wobei das Regie- und Drehbuchduo Benoît Delépine und Gustave Kervern gar nicht so tut, als wollte es uns die Provinz Frankreichs näherbringen. Von Anfang an machen sie klar, dass Vater und Sohn beide nicht so wirklich glücklich darüber sind, wie ihr Leben verlaufen ist. Ein bisschen saufen unterwegs, das soll zwar Spaß machen. Aber es geht dann doch mehr um ihre Einsamkeit, die der Witwer und sein noch immer lediger Sohn mit sich herumtragen, tagein, tagaus.

Mit einer herzerweichenden Szene, die Bruno in all seiner Erbärmlichkeit zeigen, nimmt die Geschichte ihren wirklichen Anfang. Und auch an späteren Stellen gibt Saint Amour Einblick in das Leben, gerade das Gefühlsleben der drei. Jean leidet unter dem Tod seiner Frau, der zwar schon eine Weile zurückliegt, den aber nicht überwunden hat. Bruno suchte sein ganzes Leben, wurde aber immer wieder zurückgewiesen. Mike hingegen kam bei den Frauen immer gut an, war jedoch nie in der Lage, daraus etwas Ernstes und Festes zu machen, weshalb er – einer der Running Gags des Films – unterwegs auf eine Reihe von Verflossenen trifft.

Zwischen Herz und Geschmacklosigkeit
Das ist dann nicht unbedingt immer sehr geschmackvoll. Delépine und Kervern versuchen gar nicht, aus den dreien große Sympathieträger zu machen. Immer wieder benehmen sie sich daneben, sind unverschämt, laut, sexistisch, scheitern mit ihren Unternehmungen. Es ist nicht einmal so, dass sie eine nennenswerte Entwicklung durchmachen würden, die Reise etwa mit einem Erkenntnisgewinn einhergeht. Ein besinnliches Gefälligkeitskino, wie man es im Bereich Roadmovie oft vorfindet, das ist Saint Amour sicher nicht. Vielmehr zeigt der Film Leute, die alle auf ihre Weise Verlierer sind und bei denen die Aussicht auf Besserung überschaubar bleibt.

Doch das macht eben mitunter den Reiz der Komödie aus. Sie nimmt uns mit auf eine Reise ins derangierte Hinterland, wo lauter kaputte Leute herumlaufen, für die es keinen echten Platz im Leben gibt. Saint Amour verdammt sie aber nicht einfach, selbst wenn die Figurenzeichnungen wenig schmeichelhaft sind. Sie erhalten vielmehr eine tragische Note, wie sie sich abstrampeln, ohne dabei wirklich voranzukommen, erst im letzten Moment auf eine geradezu magische Weise wieder etwas zur Welt beizutragen haben. Das ist mal unterhaltsam, mal anstrengend, zwischendurch auch ein bisschen träge. Aber selbst die schwächeren Szenen sind nicht ohne Wert, was vor allem dem starken Darstellertrio zu verdanken ist. Die machen auch ohne Frauen oder Perspektiven Spaß, gerade im Miteinander, wenn unterwegs kräftig gespottet und aufgezogen wird und dabei eine Lebenslüge nach der anderen demontiert. Im Wein liegt die Wahrheit, heißt es. Und das gilt dann auch, wenn er auf eine wenig vornehme Weise unterwegs versoffen wird.

Credits

OT: „Saint Amour“
Land: Frankreich
Jahr: 2016
Regie: Benoît Delépine, Gustave Kervern
Drehbuch: Benoît Delépine, Gustave Kervern
Musik: Sébastien Tellier
Kamera: Hugues Poulain
Besetzung: Gérard Depardieu, Benoît Poelvoorde, Vincent Lacoste, Céline Sallette

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In „Saint Amour – Drei gute Jahrgänge“ fahren ein einsames Vater-Sohn-Gespann mit einem Taxifahrer durch die (Wein-)Gegend. Das Ziel ist wie so oft bei Roadmovies eine allmähliche Annäherung. Dabei kombiniert der Film Herz mit derbem Humor, wenn drei tragisch gescheiterte, teils erbärmliche Gestalten das Glück auf der Straße suchen – oder eben dem Alkohol.
6
von 10